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Wagenknechts Achterbahnfahrt: Das BSW macht den Osten unregierbar – und rettet trotzdem die Brandmauer

Immer wieder hat sich Sahra Wagenknecht in die Regierungsbildung ihrer Partei eingemischt – in Sachsen scheiterten letztlich Sondierungsgespräche. Damit hat das BSW den Osten schwer regierbar gemacht – und dennoch die Brandmauer gerettet.

Sahra Wagenknecht nimmt massiven Einfluss auf die Landesverbände ihrer Partei – und stört die Abläufe.

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Immer wieder griff Sahra Wagenknecht in die Landespolitik ihrer Partei ein – immer wieder änderte das BSW seine Position. Deshalb und aufgrund anderweitig fehlender Mehrheiten möchte die CDU in Sachsen jetzt mit der SPD in einer Minderheitsregierung regieren. Das BSW hatte nach achtfacher Änderung der „Friedenspräambel“, die Sondierungsgespräche beendet und in Person der Landesvorsitzenden Sabine Zimmermann erklärt: Eine Minderheitsregierung der SPD möchte das BSW nicht unterstützen.

Die mehrfache Positionsänderung der Wagenknecht-Partei findet jedoch kein Ende: Nachdem sich das BSW erneut der CDU als Alternativpartner zur SPD angeboten hatte, zeigt sich die Partei jetzt auch zur Duldung einer Minderheitsregierung bereit – denn Schwarz-Rot wird immer wahrscheinlicher. „Wenn es mit unseren Forderungen übereinstimmt, gibt es keinen Grund, dem nicht zuzustimmen“, erklärte Zimmermann diese Woche gegenüber Politico. Die Partei zeigte sich damit der Duldung einer CDU-geführten Minderheitsregierung mit der SPD also doch aufgeschlossen.

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Aber: „Wir stehen für unsere Politik“, sagte Zimmermann weiter. Wenn der CDU-Landesvorsitzende und geschäftsführende Ministerpräsident also versprechen kann, „dass wichtige Maßnahmen beispielsweise in der Migrationspolitik und der Finanzpolitik umgesetzt werden, dann kann er bei der Wahl zum Ministerpräsidenten mit Stimmen des BSW rechnen“. Bis zum 1. Februar muss die Ministerpräsidentenwahl erfolgt sein. Steht bis dahin keine Regierung, müssen Neuwahlen eingeleitet werden.

Kretschmer wird das zu verhindern wissen. Trotz Absagen bei der Regierungsbildung stand auch eine inoffizielle Absprache mit der AfD nach einem Gespräch des CDU-Politikers mit AfD-Spitzenkandidat Jörg Urban gerüchteweise im Raum (Apollo News berichtete). Eine am Freitag veröffentlichte Ankündigung von CDU und SPD geht aber nun in die andere Richtung: Die beiden Parteien möchten einen „Konsultationsmechanismus“ einführen, um sich schon vor der Regierungsbildung über mögliche Mehrheiten abzusprechen. Damit umgeht die mögliche Koalition nicht nur den Landtag, sondern könnte auch die AfD bewusst ausschließen (Apollo News berichtete).

Auch das BSW könnte darunter leiden. Zwar brauchen CDU und SPD noch mindestens zehn Abgeordnete, um eine Mehrheit von 61 Sitzen zu erreichen – hier könnte eine Duldung durch das BSW Abhilfe verschaffen. Durch die indirekte Zusammenarbeit mit Grünen und Linken würde die Koalition jedoch die notwendigen Abgeordneten für einen Antrag aufbringen können. In manchen Fragen könnten BSW und AfD also bereits vor der Ministerpräsidentenwahl, die spätestens am 1. Februar stattfinden muss, durch den „Konsultationsmechanismus“ ausgeschlossen werden.

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Das BSW hatte für eine Duldung von Schwarz-Rot nicht nur Zugeständnisse in Migrationsfragen, sondern auch in der Sozialpolitik von Kretschmer gefordert. Die CDU soll vor allem von Sozialkürzungen absehen – die wegen mangelnder Mittel im nächsten Doppelhaushalt für 2025 und 2026 eine Rolle spielen könnten.

Ob sich die CDU bereit zeigt, auf das BSW zuzugehen, ist unklar. Gegenüber dem Handelsblatt hatte Kretschmer in einem am vergangenen Samstag veröffentlichten Interview der Partei noch eine klare Absage erteilt. „Das BSW, besser gesagt Sahra Wagenknecht, war nicht bereit dazu. Jetzt gehen wir einen anderen Weg.“ Gegenüber dem MDR beteuerte Zimmermann jedoch, die Sondierungsgespräche seien nicht aufgrund einer Entscheidung der Bundesvorsitzenden gescheitert.

Wagenknecht hatte sich mehrfach in die sächsische und thüringische Regierungsbildung eingemischt, hatte das Einhalten der Parteilinie gefordert – und somit auch die Regierungsbeteiligung ihrer Partei aufs Spiel gesetzt. In Sachsen ist es so weit gekommen. In Thüringen konnte das Blatt nur wegen der Verhandlungsbereitschaft der CDU – die sich damit wiederum von der eigenen Parteilinie distanziert hatte (Apollo News berichtete) – gewendet werden.

Das hatte Wagenknecht zuvor mehrfach gefordert. Am 20. Oktober sagte die ehemalige Linken-Politikerin im Bericht aus Berlin, die Umsetzung der von Friedrich Merz geforderten Taurus-Lieferungen in die Ukraine würde Deutschland in einen Krieg mit Russland verwickeln. „Wenn wir mit seiner Partei koalieren, muss den Wählerinnen und Wählern deutlich werden, dass sich die Landesregierungen von einem solchen Kurs abgrenzen.“ Andernfalls solle ihre Partei den Gang in die Opposition antreten und die CDU eine Minderheitsregierung aufstellen.

Wagenknecht argumentierte immer wieder, die Stimmen, die einen diplomatischen Frieden in der Ukraine fordern und die Stationierung von US-Mittelstreckenraketen ablehnen, seien in den neuen Bundesländern weit verbreitet und sollten deshalb auch von einer Landesregierung vertreten werden. Zumindest der Einsatz amerikanischer Waffensysteme in den ehemaligen DDR-Gebieten ist per se wegen des Zwei-plus-Vier-Vertrags nicht möglich.

Wegen dieser Forderungen waren die Verhandlungen in Thüringen beinahe geplatzt. Am 18. Oktober hatten CDU, BSW und SPD erfolgreiche Sondierungen bekanntgegeben und ein Ergebnispapier vorgestellt – am Abend meldete sich jedoch die BSW-Landesvorsitzende Katja Wolf zu Wort und betonte plötzlich: ohne eine „Friedenspräambel“ würden die Verhandlungen nicht weitergehen. Zuvor soll es zu internen Meinungsverschiedenheiten zwischen der ehemaligen Linken-Vertrauten des geschäftsführenden Ministerpräsidenten in Thüringen, Bodo Ramelow, und der BSW-Namensgeberin gekommen sein.

Wolf, die von 2012 bis 2024 als Linken-Politikerin Oberbürgermeisterin von Eisenach war und nach dem Bekanntwerden ihres Wechsels zum BSW sogar von Ramelow Angebote zum Verbleib bei der Linken erhalten haben soll, hatte die Sondierungsgespräche ohne eine „Friedenspräambel“ abgeschlossen. Im Gegensatz zu Wagenknecht scheint Wolf daher regieren zu wollen – möglicherweise ein Grund, warum sie den „Traumjob“ als Eisenacher Oberbürgermeisterin aufgegeben hatte.

Wagenknecht selbst wiederum fokussiert sich auf den Bundestag. Dort möchte sie eine klar oppositionelle Haltung einnehmen – vor allem zur CDU. Die 55-Jährige möchte ihrer Partei möglicherweise gar nicht in eine Regierungsposition verhelfen, weil damit auch politische Verantwortung verbunden sei – und die Wahlversprechen auf einmal nicht nur verkündet, sondern auch umgesetzt werden müssten. Vor allem mit Blick in die Ukraine ein schwieriges Unterfangen. Ein Scheitern könnte das überraschende Ende des BSW bedeuten.

Um einen solchen Effekt zu verhindern, strebt Wagenknecht deshalb möglicherweise auch in den neuen Bundesländern eher oppositionelle Stellungen an. Denn schon seit der Gründung im Januar 2024 versteht sich die Partei eigentlich als klare Oppositionskraft – auch wenn sich das mit den Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg schlagartig geändert hatte. Mit den guten Landtagswahlergebnissen rettete das BSW gewissermaßen auch die Brandmauer. Vor einem Jahr wären zumindest in Sachsen und Thüringen nur Mehrheitsregierungen mit AfD und CDU möglich gewesen. Das BSW, das eine regierungsbildende Zusammenarbeit mit der AfD auch ablehnt, wurde diese Möglichkeit gekippt; durch die Kooperationsbereitschaft, aber auch Rolle in der Opposition.

Nach den herausragenden Erfolgen bei den Landtagswahlen im September mit jeweils 11,8 Prozent, 15,8 Prozent und 14,5 Prozent waren die Beliebtheitswerte des BSW nach einem anfänglichen Höhenflug auf Bundesebene aber wieder gesunken – was vermutlich mit Wagenknechts unkoordinierten Eingriffen in die Landespolitik und die andauernde Positionsänderung des BSW zur CDU und SPD zusammenhängen könnte. Wagenknecht selbst wollte ihre Partei vermutlich bestmöglich für die Bundestagswahlen im September 2025 aufstellen – jetzt finden diese jedoch bereits am 23. Februar Neuwahlen statt.

In Umfragen kam die Partei in den vergangenen Wochen bundesweit auf fünf bis acht Prozent, liegt im Durchschnitt bei etwa 6,5 Prozent. In den Wochen direkt nach den Landtagswahlen kam das BSW bundesweit auf sechs bis neun Prozent, durchschnittlich erlangte sie in Umfragen somit acht Prozent. Ob Wagenknechts Inszenierung als Oppositions- und Friedenspartei also bis zu den vorgezogenen Neuwahlen anklingt oder ob die Partei sogar noch um den Einzug in den Bundestag bangen muss, ist daher ungewiss. Zunächst sollen in Thüringen und Brandenburg Dreier-Koalitionen bestehend aus CDU, BSW und SPD geschmiedet werden. Ob die von Grund auf unterschiedlichen Parteien konstruktiv miteinander regieren können, muss sich allerdings erst noch zeigen.

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