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Wagenknechts Vormarsch: Aus Machthunger verrät die CDU ihre Positionen

In Sachsen und Thüringen steht nicht nur eine BSW-Koalition kurz bevor, sondern auch eine weite Übernahme ihrer Positionen durch die Union – möglich gemacht durch die Brandmauer. Denn ohne diese könnte die CDU noch die Opposition gegeneinander ausspielen, so aber steht sie mit leeren Händen da.

Sahra Wagenknecht ist nicht mehr in der Oppositionsrolle – und das könnte das BSW entlarven.

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Als das Bündnis Sahra Wagenknecht gegründet wurde, galt die Partei der ehemaligen Linken-Politikerin als eindeutig oppositionelle Kraft. Nach den Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg sieht das schon anders aus: Das BSW soll mitregieren, um der CDU zur Mehrheit zu verhelfen. Doch das BSW, beziehungsweise dessen Namensgeberin, wird sich der eigenen Rolle immer bewusster und verkündet siegessicher: Die CDU soll sich von ihrer Parteilinie verabschieden, damit wir Koalitionsgespräche führen – und die Christdemokraten lassen sich auf das Spiel ein.

Dafür zeigt sich die CDU in Thüringen sogar willig, eine „Friedenspräambel“ zu unterzeichnen. Eine Forderung, die das BSW erst nach den erfolgreich abgeschlossenen Sondierungsgesprächen in Person von Wagenknecht höchst selbst ins Gespräch brachte (Apollo News berichtete). Die BSW-Landesvorsitzende Katja Wolf hatte sich zuvor noch mit dem Status Quo zufriedengegeben – blockierte dann jedoch die Koalitionsgespräche.

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Doch Wagenknecht selbst geht es nicht um irgendeine Regierungsbeteiligung in irgendeinem Bundesland: Sie möchte ihre Partei in den Bundestag bringen. Und dafür darf sie den Status des Außenseiters nicht aufgeben. In einer Regierungskoalition muss man schnell Kompromisse eingehen, moderater auftreten – kurzum: sich anpassen. Aber genau das wäre gefährlich für ihre Partei. Also setzt das BSW auf Maximalforderungen, darauf, dass sich die CDU massiv an das BSW anpasst.

Und die CDU geht mit. Der thüringische Landesvorsitzende ist dermaßen auf das Ministerpräsidentenamt fokussiert, dass er sogar eine „Friedenspräambel“ nach den Vorstellungen des BSW in den Koalitionsvertrag übernehmen würde – auch wenn das der Parteilinie und den Forderungen von Friedrich Merz, dem Bundesvorsitzenden der CDU, widersprechen würde. Merz fordert Waffenlieferungen an die Ukraine bis hin zu der Bereitstellung von Taurus-Marschflugkörpern, die tief in russisches Territorium eindringen könnten.

Eine eindeutig pro-westliche, pro-ukrainische Haltung, während das BSW auf Russland zugehend will. In Thüringen verschwimmt diese klare Differenzierung der beiden Parteien. Seit Montag überlegen CDU, SPD und BSW, wie eine möglichst geschickt formulierte „Friedenspräambel“ etabliert werden könnte. Der aktuelle Stand wird geheim gehalten. Wagenknecht hat zuvor klargemacht: Wenn sich die CDU nicht anpasst, dann wird das BSW nicht mitregieren. „Minderheitsregierungen wären die Option, wenn die Koalitionsgespräche scheitern“, sagte Wagenknecht.

Der einzige Weg, auf dem die CDU eine Regierung ohne das BSW rechtfertigen könnte, geht über die Ministerpräsidentenwahl. Kann keiner der Kandidaten der Parteien in den ersten beiden Wahlgängen eine absolute Mehrheit erreichen, reichen im dritten Wahlgang die meisten Stimmen. Mario Voigt könnte sich hier als einzig realistischer Herausforderer von AfD-Politiker Björn Höcke inszenieren. Stimmen die BSW, Linke und SPD, die 33 Sitze des Landtags besetzen gemeinsam mit der CDU, kann Höcke verhindert werden.

Bleibt beispielsweise BSW-Kandidatin Wolf im Rennen und erhält einen Großteil dieser Stimmen, während die AfD ihre 32 Stimmen für Höcke einsetzt, würde es für die CDU mit 23 Sitzen nicht reichen – die AfD könnte den Ministerpräsidenten stellen, für alle anderen Parteien aktuell undenkbar. Die CDU steht also mit dem Rücken zur Wand.

Wäre nicht die Brandmauer, dann könnte man immer noch zumindest mit einer AfD-Zusammenarbeit drohen. Auf diesem Wege könnte die CDU ihre Stellung nutzen, um die Opposition so gegeneinander auszuspielen. Selbst wenn man am Ende eine BSW-Koalition favorisiert, hätte man so eine Alternative und könnte mehr für sich verhandeln – beziehungsweise eben nicht völlig vor dem BSW kapitulieren, weil man mit leeren Händen dasteht. Doch für diesen Weg scheint die thüringische CDU nicht bereit.

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Voigt und Co. biedern sich immer wieder an das BSW an und wollen sogar den Forderungen von Wagenknecht selbst nachkommen, die sich entscheidend in die Landespolitik ihrer eigenen Partei einmischt. Das gilt auch für Sachsen. Hier sind die Sondierungsgespräche zwar gerade erst in den Startlöchern, aber für Dresden gilt die Ansage: Wenn sich die Koalitionspartner – auch in diesem Fall sind es CDU und SPD – nicht beugen wollen, müssen sie eine Minderheitsregierung anstreben. Dieses Argument funktioniert deshalb so gut, weil alle Parteien die Zusammenarbeit mit der AfD ablehnen – die in Thüringen und Sachsen gemeinsam mit der CDU regieren könnte.

Wie selbstsicher das BSW deshalb im Umgang mit der CDU ist, zeigte sich am Freitagvormittag. Die Partei stimmte im sächsischen Landtag für einen AfD-Antrag, der die Einsetzung eines Covid-Untersuchungsausschusses vorsieht – obwohl CDU und SPD ein solches Gremium nicht unterstützen. Weil beide aber auf das BSW setzen müssen, um mit 66 der 120 Sitze eine Mehrheit zu erlangen und die CDU auch hier bis zu einem gewissen Grad bereit ist, von der Parteilinie abzurücken, hat das BSW einen relativ großen Handlungsspielraum.

So kann sich die Wagenknecht-Partei einerseits als Covid-Aufarbeiter inszenieren, ein zentrales Wahlversprechen der Partei, und andererseits weiterhin als Regierungspartner im Gespräch bleiben. Was auch immer auf Landesebene passiert: Wagenknecht möchte um jeden Preis in den Bundestag. Derzeit kommt das BSW in Umfragen auf sieben bis neun Prozent, konnte in den letzten Monaten jedoch keine Gewinne verzeichnen. Im Gegenteil: Im September konnte die Partei in Umfragen vereinzelt noch zweistellige Ergebnisse erzielen.

Ob Wagenknechts harter Kurs dem BSW also wirklich nützt oder vielmehr die Sympathien, die die Partei als scheinbar oppositionelle Kraft sammeln konnte, verspielt, ist fraglich. Klar ist: Im Bundestag wäre das BSW dann wieder Teil der Opposition, es müsste keine Regierungsentscheidungen treffen, keine Verantwortung übernehmen, könnte gemeinsam mit der AfD der CDU das Leben schwer machen. Vielleicht legt es Wagenknecht aus diesem Grund auf einen offenen Konflikt in den Ländern, auch innerhalb der Partei, an. In Sachsen und Thüringen und voraussichtlich auch in Brandenburg wird das BSW jetzt aber erst einmal regieren.

Eine Position, in der die Partei aufgrund der klaffenden Differenzen mit CDU und SPD womöglich nur sehr wenige Punkte der eigenen Agenda umsetzen können wird, wenn überhaupt. Weder in Sachsen – wo die AfD der Wagenknecht-Partei sowieso zuvor kam – noch in Thüringen verfügt das BSW über ein Fünftel der Sitze, die für die Einberufung eines Covid-Untersuchungsausschusses notwendig wären. Auf außenpolitischer Ebene können die Länder auch nicht wirklich mitreden.

Bleibt noch die Bildungspolitik: hier fordert das BSW klare Unterrichtsstrukturen, mehr Praxis und weniger Smartphone-Einsatz. Die Grundausbildung soll wieder qualitativer durchgesetzt werden. Zumindest in diesem Punkt könnte die Partei auf Schnittstellen mit CDU und SPD treffen. Wobei auch fraglich ist, welche Reformen in den nächsten fünf Jahren umgesetzt werden können.

Die Reise für das BSW geht also auf jeden Fall weiter. Sollte sie in Regierungsposition ihre Standpunkte nicht durchsetzen können, könnte die Partei aber wesentlich an Zuspruch verlieren. Der große Vorteil der AfD ist: Sie war noch nicht in Regierungsposition, sie ist unberechenbar. Sollte das BSW in den ostdeutschen Bundesländern mitregieren, könnte die Partei entzaubert werden, der Status als oppositionelle, alternative und neue, frische Kraft ginge verloren. Dann könnte es auf Bundesebene mit dem Einzug in den Bundestag eng werden. Daher versucht man jetzt alles herauszuholen und die CDU offen zu demütigen – die scheint mitzumachen, weil sie alle anderen Optionen verbaut hat.

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