Werbung

Minderheitsregierung

Zusammenarbeit von CDU und AfD? In Sachsen könnte die Brandmauer indirekt fallen

Aufgrund gescheiterter Sondierungsgesprächen und gegenseitiger Ablehnungsverhältnisse ist in Sachsen keine Regierungsmehrheit mehr möglich. Die CDU könnte eine alleinige Minderheitsregierung anstreben – dabei bei Anträgen auch gemeinsam mit der AfD stimmen.

Jörg Urban, Sabine Zimmermann und Michael Kretschmer vertreten die stimmenstärksten Parteien in Sachsen.

Werbung

In Sachsen könnte die Brandmauer fallen – zumindest indirekt. Nachdem das Bündnis Sahra Wagenknecht die Sondierungsgespräche mit SPD und CDU für gescheitert erklärt hatte, gibt es keine denkbare Mehrheit im Sächsischen Landtag. Das BSW hatte die Verhandlungen abgebrochen, weil zu viele thematische Differenzen zwischen den Parteien aufgetreten waren – vor allem die Ausarbeitung einer „Friedenspräambel“ sorgte für Uneinigkeit.

„Damit wird auf Druck von Sahra Wagenknecht eine verlässliche Zusammenarbeit unmöglich“, sagte der geschäftsführende Ministerpräsident Michael Kretschmer noch am Mittwochabend. Das BSW hatte – trotz einer Einigung – eine neunte Version vorgelegt, die allerdings von SPD und CDU abgelehnt wurde. Zuvor hatte Wagenknecht selbst immer in die landespolitischen Verhandlungen eingegriffen, auf die Einsetzung einer Friedenspräambel in einen möglichen Koalitionsvertrag gedrängt und somit bereits in Thüringen für Zwist zwischen den designierten Regierungsparteien, BSW, SPD und CDU gesorgt (Apollo News berichtete).

...
...

Aus den Wahlen im September ist die CDU in Sachsen knapp als Gewinner hervorgegangen und nimmt somit 41 der 120 Sitze im Sächsischen Landtag ein. Die AfD kommt auf 40 Sitze – beide Parteien könnten gemeinsam das Land regieren. Nachdem ThePioneer nach dem Sondierungs-Aus von einer Abmachung zwischen CDU und AfD berichtet hatte, dank derer die CDU alleine eine Minderheitsregierung anstreben könnte, indem sie von der AfD toleriert wird, dementierte Kretschmer jedoch eine regierungsbildende Zusammenarbeit mit der AfD gegenüber Welt.

Gerüchte über eine Kooperation waren infolge eines vertraulichen Gesprächs zwischen Kretschmer und dem sächsischen Landesvorsitzenden der AfD, Jörg Urban, aufgekommen (Apollo News berichtete). Trotz Kretschmers Dementi ist dennoch nicht klar, ob die AfD nicht doch eine Minderheitsregierung tolerieren könnte – die Ergebnisse des Gesprächs sind nicht bekannt. Auch eine inoffizielle Absprache könnte getroffen werden: Die AfD hält sich aus den regierungsbildenden Schritten der CDU zwar heraus – etwa der Ministerpräsidentenwahl – verhilft dann aber Anträge der Christdemokraten zur Mehrheit, die auch den Forderungen der AfD entsprechen.

Währenddessen geht die CDU eine Minderheitsregierung ein, lässt sich vom BSW und der SPD – die auf 15 und zehn Sitze im Landtag kommen – tolerieren und macht so eine handlungsfähige Regierung möglich. Das bedeutet aber nicht, dass die CDU Anträge vermeidet, die bei BSW und SPD auf Widerstand stoßen: Gemeinsam mit der AfD – und das könnte eben ein inoffizielles Ende der Brandmauer bedeuten – könnten gezielt innenpolitische Entscheidungen herbeigeführt werden.

Lesen Sie auch:

Obwohl die CDU bundesweit ein Weiterbestehen der Brandmauer fordert, ist die Zukunft der Abgrenzung zur AfD in Sachsen also ungewiss. Zudem könnte die alleinige Minderheitsregierung der CDU zwar funktionieren, allerdings gibt es nach wie vor Zwist zwischen dem BSW und der SPD. Sollte die CDU eine Minderheitsregierung gemeinsam mit der SPD anstreben, um eine größere Regierungssicherheit zu erzielen, könnte das BSW die Tolerierung zurückziehen.

Das deutete die BSW-Landesvorsitzende Sabine Zimmermann am Donnerstag gegenüber der Leipziger Volkszeitung an. Eine schwarz-rote Koalition würde das Land nicht voranbringen, monierte die BSW-Politikerin. Deswegen plant die Partei entweder den Gang in die Opposition – wobei offen ist, ob das BSW gemeinsam mit der SPD die CDU tolerieren würde – oder eine Minderheitsregierung gemeinsam mit den Christdemokraten. „Bei den Sondierungen haben sich zumindest etliche Schnittmengen mit der CDU gezeigt“, hält Zimmermann fest.

Im Sächsischen Landtag ist auch ein Politiker der Freien Wähler vertreten, außerdem die Grünen mit sieben und die Linke mit sechs Sitzen. Zu letzterer pflegt die CDU jedoch einen Unvereinbarkeitsbeschluss, auch die Grünen lehnt Kretschmer zumindest auf Bundesebene als Koalitionspartner ab. Beide sind deshalb nicht für die Regierungsbildung der CDU relevant. Das wahrscheinlichste Szenario ist also eine Minderheitsregierung der CDU unter Tolerierung von BSW und SPD, wobei das Mitstimmen der AfD bei CDU-Anträgen ebenfalls geduldet werden könnte.

Um weitere Strapazen zu vermeiden, könnten BSW, SPD und CDU für Kretschmer als Ministerpräsidenten stimmen, der damit die Mehrheit erhält, während die AfD für den eigenen Spitzenkandidaten, Urban, stimmen könnte, um öffentliche Schwierigkeiten für Kretschmer zu vermeiden. Bei der Ministerpräsidentenwahl in Thüringen 2020 war der FDP-Politiker Thomas Kemmerich mit Stimmen der AfD gewählt worden – sah sich aufgrund massiven öffentlichen Drucks aus der eigenen Partei und von Bundeskanzlerin Merkel aber nur wenig später genötigt, abzutreten.

Urban könnte Kretschmer unter vier Augen angeboten haben, ein solches Szenario zu vermeiden, gleichzeitig sollen sich die Christdemokraten in Sachsen aber nicht gegen Anträge positionieren, die von der AfD unterstützt werden. Die Sächsische Verfassung verlangt laut Artikel 60 die Regierungsbildung spätestens vier Monate nach der ersten Parlamentssitzung. Demnach müsste sich Kretschmer spätestens am 1. Februar 2025 zum Ministerpräsidenten wählen lassen. Aufgrund der gescheiterten Sondierungsgespräche und der Ablehnungsverhältnisse der Parteien ist nun nur noch eine Minderheitsregierung möglich.

Werbung