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Bundestag

Lindner bestätigt in Untersuchungsausschuss schwere Vorwürfe gegen Habeck – keine ergebnisoffene Prüfung bei Atomausstieg

Am Mittwoch offenbarte Christian Lindner das fatale Vorgehen von Robert Habeck beim Atomausstieg. Der FDP-Politiker ließ immer wieder implizit anklingen, dass der AKW-Ausstieg nicht ergebnisoffen geprüft wurde – die Energiebetreiber kamen teilweise zu gänzlich anderen Erkenntnissen, so Lindner.

Christian Lindner kritisiert Robert Habeck jetzt öffentlich für den Atomausstieg.

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Die Widersprüche rund um die Prüfung der Laufzeitverlängerung von Atomkraftwerken in Deutschland werden immer größer. Das zeigen die Erkenntnisse aus dem Untersuchungsausschuss des Bundestages, vor dem am Mittwoch auch die Umweltministerin Steffi Lemke und der ehemalige Bundesfinanzminister Christian Lindner aussagen mussten.

Während Lemkes Befragung über Stunden kaum Neues oder belastendes Material hervorbringen konnte und die Ministerin eine Voreingenommenheit bei der Prüfung des Atomausstiegs zurückwies, zeigte sich Lindner auskunftsfreudiger. Als ehemaliges Kabinettsmitglied sah der FDP-Politiker keinen Grund, die verbleibenden Regierungspolitiker zu schonen, und erhob teils schwere Vorwürfe gegen Robert Habeck und dessen Wirtschaftsministerium.

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„Die bei anderen Themen bestehende Bereitschaft, undogmatische Entscheidungen zu treffen, stieß beim Thema Kernkraft an seine Grenzen“, kritisierte Lindner. Gemeint ist: Während beispielsweise im Finanzsektor auf teilweise grundgesetzwidrige Manöver gesetzt wurde, waren die Fronten beim Thema Kernausstieg verhärtet, die Entscheidung bereits gefallen.

An diesem Punkt im Sommer 2022, als über die Laufzeitverlängerung der drei verbleibenden Atomkraftwerke entschieden werden sollte, sei die Zusammenarbeit der Ampelparteien kompliziert geworden, so Lindner. „Entgegen der guten Zusammenarbeit in anderen Bereichen mussten wir als Finanzministerium unsere Beteiligung aktiv einfordern.“

Und weil die Erklärungen von Wirtschafts- und Umweltministerium für den Finanzminister damals wenig plausibel wirkten, ging dessen Behörde selbst auf die Energiebetreiber zu – mit widersprüchlichen Ergebnissen: „Die Erkenntnisse wichen teilweise deutlich von den Darstellungen des Wirtschaftsministeriums ab“, sagte Lindner am Mittwoch. In seiner Behörde sei daraufhin Misstrauen aufgekommen, ob die zuständigen Stellen eine Laufzeitverlängerung tatsächlich ergebnisoffen geprüft hätten.

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Dabei hätte die Bundesrepublik statt der Abschaltung „jedes Kraftwerk weiter betreiben müssen, das günstigeren Strom als die teuren Gaskraftwerke geliefert hat“, befand Lindner jetzt und untermauerte damit die vermeintlichen Ambitionen, die Meiler Emsland, Isar 2 und Neckarwestheim 2 am Netz zu lassen. Überdies soll er die Reaktivierung der Ende 2021 abgeschalteten Werke in Brokdorf und Gundremmingen ins Spiel gebracht haben.

Konkret möchte Lindner die Ausstattung mit neuen Brennstäben gefordert haben – die lange Lieferzeit und hohen Anschaffungskosten von Brennelementen wurden vom Wirtschaftsministerium lange als Argument für die Abschaltung hervorgebracht. Vor allem, weil das verwendete Uran zu großen Teilen aus Russland stammte – gegen das infolge des Ukrainekriegs Sanktionen verhängt worden waren.

Lindner widerspricht: Auch aus anderen Ländern hätten Brennstäbe geliefert werden können. Zudem unterstrich er einmal mehr die bereits bekannte Sichtweise der Betreiber, ein Weiterbetrieb sei technisch möglich gewesen. Das geht auch aus den im April 2024 durch das Magazin Cicero veröffentlichten internen Dokumenten (Apollo News berichtete) des Umweltministeriums hervor, in denen ein Weiterbetrieb als technisch möglich eingeschätzt wurde – wenngleich die Behörde daraufhin ergänzte, dass eine Laufzeitverlängerung „aus Gründen der nuklearen Sicherheit abzulehnen“ sei.

Im Rahmen des Untersuchungsausschusses veröffentlichte Dokumente stellten dann auch die Aussagen zur Verfügbarkeit von Brennelementen infrage. Sie zeigen: Es lagen Angebote vor, die Brennstäbe auch kurzfristiger und damit rechtzeitig zum Ablauf des Streckbetriebs im April 2023 zu liefern (Apollo News berichtete).

Wegen der aufgekommenen Zweifel habe Lindner 2022 ein Gespräch mit Bundeskanzler Olaf Scholz und Wirtschaftsminister Habeck gesucht. Bei diesem soll Scholz „teilweise überrascht“ gewesen sein: „Interessant, was man hier so erfährt.“ Denn: „Das Ressortprinzip erfordert, dass man sich auf die Richtigkeit der zur Verfügung gestellten Informationen verlassen können muss“, erklärte Lindner. Damit insinuierte der damalige Finanzminister, das Wirtschaftsministerium habe in Fragen rund um den Atomausstieg seine eigene Agenda verfolgt. 

Zur Einigung kam es dann schließlich im Oktober 2022 – nachdem der Bundeskanzler seine Richtlinienkompetenz genutzt hatte, um in einem Brief den 15. April 2023 als spätesten Zeitpunkt des Atomausstiegs festzulegen. Darüber hinaus sollte keine Laufzeitverlängerung des eigentlich auf den 31. Dezember 2022 datierten Atomausstiegs möglich sein. FDP und Grüne waren darüber zuvor uneinig gewesen.

Eine Aussage von Lindner aus dem Untersuchungsausschuss legt jetzt jedoch nahe, dass Scholz die im Grundgesetz verankerte Richtlinienkompetenz nur inszenierte, um Habeck freie Fahrt zu verschaffen. „Nach meiner Erinnerung hat der Bundeskanzler in Aussicht gestellt, seine Richtlinienkompetenz zu nutzen, um die Kommunikation zu erleichtern“, teilte der FDP-Politiker mit. Der Basta-Brief von Scholz würde damit nicht auf fachlichen Erkenntnissen, sondern politischen Entscheidungen beruhen, die dem Wirtschafts- sowie Umweltministerium letztlich zugutekamen.

Während die Befragung von Umweltministerin Lemke am Mittwoch kaum Neues hervorbrachte, soll am Donnerstag geklärt werden, wie viel Habeck selbst über die Laufzeitverlängerung wusste. Die Dokumente rund um den Atomausstieg enthielten auch einzelne Vermerke und Mails von dem damaligen Staatssekretär Patrick Graichen, die darlegen, wie der Habeck-Vertraute versuchte, Informationen verschwinden zu lassen (Apollo News berichtete hier und hier). Darauf könnte sich Habeck stützen – wenn es denn stimmt.

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