Verfassungsschutz-Gutachten: Begriffe wie „Systemparteien“ rechtfertigen den AfD-Verdachtsfall
Das Verfassungsschutz-Gutachten hinter der AfD-Hochstufung zum Verdachtsfall ist nun publik und zeigt: Begriffe wie „Systemparteien“, „politisch-medialer Komplex“ und eine laut Verfassungsschutz „gegen den Islam gerichtete Grundtendenz“ rechtfertigen u.a. die Einstufung.

2021 wurde die AfD vom Bundesamt für Verfassungsschutz zum „Verdachtsfall“ erklärt. Am Montag hat Netzpolitik.org erstmals den vollständigen Bericht veröffentlicht, der die Grundlage für diese Einstufung darstellt. Das Gutachten umfasst 1.000 Seiten und wurde am 21. Februar 2021 für den „internen Gebrauch“ erstellt. Der Verfassungsschutz prüfte, ob „tatsächliche Anhaltspunkte für Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung“ vorliegen.
Untersucht wurden ausschließlich öffentlich zugängliche Aussagen von AfD-Funktionären, die in Reden, in den sozialen Medien sowie in Wahlprogrammen verbreitet wurden. Der Verfassungsschutz untersuchte verschiedene Themenfelder wie „völkisch-nationalistische Aussagen“ im Gegensatz zur Menschenwürde, Islamfeindlichkeit, Verstöße gegen das Rechtsstaatsprinzip durch „Berufung auf ein vermeintlich legitimes Widerstandsrecht“ oder „Verunglimpfung des Staates und der Parteien“.
Insgesamt wurden Äußerungen von 650 einzelnen AfD-Funktionären auf Bundes-, Landes- oder Kreisebene untersucht sowie 400 „Organisationseinheiten“ wie Kreisverbände und 300 Reden. In dem Bericht wird als Beleg nur ein Bruchteil angeführt, zum Beispiel nur Aussagen von 302 Personen. Der Bericht definiert vorab Begriffe wie Menschenwürde oder Rechtsstaatsprinzip. Weil die gesammelten Aussagen gegen die Definitionen verstoßen, gelten die Aussagen als Beleg für ein Bestreben der Partei, gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung zu verstoßen.
„Völkischer Volksbegriff“
So schreibt der Verfassungsschutz über die Menschenwürde, dass dem Menschen „allein kraft seines Menschseins ein Achtungsanspruch zukommt“. Der Mensch gilt als „grundsätzlich frei“ und die „ihm auferlegten Sozialbindungen“ sind „rechtfertigungsbedürftig“. Einschränkend heißt es: „Dies bedeutet zwar nicht, dass Verweise auf die Sozialgebundenheit des Menschen dessen Würde in irgendeiner Weise infrage stellen würden.“ Wer jedoch eine Gesellschaft wolle, in der das Kollektiv über dem Einzelnen stehe, verstoße gegen die Menschenwürde.
Wer im Sinne eines „völkisch-abstammungsmäßigen Volksbegriffs“ eine Ethnie vorrangig über eine gemeinsame Kultur und Geschichte definiert, die nur in einer „langen zeitlichen Kontinuitätslinie denk- und somit erleb- bzw. erfahrbar“ sei, verstoße gegen die Menschenwürde, weil „Zugezogene von vornherein pauschal ausgeschlossen“ würden, „da sie eine ,gemeinsame Geschichte‘ nicht nachholen und somit kein authentischer Teil des Volkes werden können“, so der Verfassungsschutz.
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Islamistischer Anschlag
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Der Verfassungsschutz sieht diese Aussage als Verstoß gegen die Menschenwürde an, weil die Identität des Volks „ethisch rückgekoppelt“ wird: Die AfD müsse die Einbürgerung von Migranten ablehnen, „wenn es zu einer ethnisch-kulturellen Strukturverschiebung führt“, so der Verfassungsschutz. Auch eine Unterscheidung zwischen Deutschen und vermeintlichen „Pass-Deutschen“, vor allem im Zusammenhang mit Kriminalität, lehnt der Verfassungsschutz ab.
Als Verstoß gegen die Menschenwürde wird auch folgende Aussage aus dem Programm der AfD Thüringen zur Landtagswahl 2018 angesehen: „Die Gewährleistung der Sicherheit ist einerseits von einem gemeinschaftsorientierten Werte-, Sitten- und Normengefüge abhängig, das sich über Jahrhunderte hinweg ausgeprägt hat. Andererseits ist sie auf die Durchsetzung von Recht und Ordnung durch den Staat angewiesen. Eine intakte Rechtsordnung fußt auf unhinterfragten Selbstverständlichkeiten, die es in der von allen Altparteien angestrebten multikulturellen Gesellschaft nicht geben kann.“
Der Verfassungsschutz kritisiert, dass die AfD Thüringen mit dieser Aussage eine Einwanderungsgesellschaft grundsätzlich als Sicherheitsrisiko ansehe und Migranten als Gefahr darstellt, weil sie nach Logik der Partei nicht „Teil eines solchen Jahrhundertelangen Entwicklungsprozesses sein können“. Dieser „angeblich diametrale Gegensatz zwischen Einheimischen und Zugewanderten“ enthalte eine völkische Komponente und führe zur Abwertung der Zuwanderer.
„Gegen den Islam gerichtete Grundtendenz“
Als Muslimfeindlichkeit wird die pauschale Ablehnung von Muslimen aufgrund ihrer Religion definiert. Dazu gehört laut dem Bundesverfassungsschutz auch, dass Muslime eine eingeschränkte Religionsausübung bekommen sollen. Als Beleg für Muslimfeindlichkeit gilt folgende Aussage aus dem Europawahlprogramm 2019: „Die Integration der meisten Muslime in Europa scheitert derzeit und wird umso mehr fehlschlagen, je stärker ihre Zahl wächst. In europäischen Großstädten haben sich muslimische Ghettos entwickelt, in denen Friedensrichter die Scharia praktizieren. Das Konzept des Multikulturalismus hat sich als Illusion erwiesen.“
Die Aussage wird vom Verfassungsschutz als muslimfeindlich angesehen, weil der Islam per se als Integrationshindernis angesehen wird. Die AfD unterstelle dem Islam pauschal, eine totalitäre Ideologie zu sein, die Religionsfreiheit ablehne und zur Gewalt gegenüber Ungläubigen aufrufe, obwohl es im Islam verschiedene Strömungen gebe. In ihren Programmen setze die Partei Muslime herab. Die Forderung, Muezzin-Rufe und Minarettbauten zu verhindern, sei islamfeindlich, weil eine „gegen den Islam gerichtete Grundtendenz“ erkennbar wäre.
Als islamfeindliche Äußerung gelten die Worte Gottfried Curios auf Facebook vom 25. August 2019: „Die Fülle der ‚Einzelfälle‘ zeigt eine Struktur auf: wer Frauen- und Ehrenmorde noch als Einzelfälle und ‚Beziehungstaten‘ verharmlost, verschleiert den kulturellen Mechanismus, der hinter diesen Morden steht. Die Täter-Opfer-Konstellation ist eben kein Zufall: Frauenverachtung hat in muslimischen Gesellschaften System und lässt sich direkt aus dem Gründungsdokument des Islams ableiten.“
Auch die Aussage Martin Hebners von 2019 „Was auch sonst jeder Moslem weiß: Es gibt nur einen Islam und keinen Unterschied zwischen Islam und Islamismus“ gilt als islamfeindlich, ebenso wie die Aussage von Matthias Moosdorf, einem Mitglied des sächsischen Landesvorstands aus dem Jahr 2019: „Der Islam ist die blutrünstigste Religion der Neuzeit.“
„Verunglimpfungen des Staates und seiner Repräsentanten“
Der Verfassungsschutz kritisiert auch ein „vermeintlich legitimes Widerstandsrecht“, welches das Gewaltmonopol des Staates untergraben würde. Als Beleg für eine Hinterfragung des Gewaltmonopols des Staates gilt die Aussage von Ronny Kumpf, dem Vorsitzenden des AfD-Kreisverbandes Magdeburg aus dem Jahr 2020. In der Aussage nimmt Kumpf Bezug auf Straftaten, die von Migranten verübt wurden: „Die Rede ist vom fünften Vorfall innerhalb weniger Tage. Und das sind nur die angezeigten Vorfälle aus diesem Jahr. Was muss noch alles passieren, bis die Staatsmacht die kriminellen Merkelgäste endlich in die Schranken weist – notfalls mithilfe einer Bürgerwehr?“
Diesen und ähnlichen Aussagen wird angekreidet, dass eine Berufung auf das Widerstandsrecht nach Artikel 20 Absatz 4 GG nur bei einer „intensiven innerstaatlichen Umsturzsituation, in der die institutionalisierten Kontrollmechanismen versagen und andere Abhilfe nicht möglich ist“, rechtmäßig wäre. Anzunehmen, dass aufgrund krimineller Migranten die Situation für Widerstand gegeben sei, sei „im Kern verfehlt“, so der Verfassungsschutz. Allerdings definiert er nicht weiter, welche Merkmale für eine „intensive innerstaatliche Umsturzsituation“ erfüllt sein müssen.
Verstöße gegen das Demokratieprinzip definiert der Bundesverfassungsschutz als „gehäufte Beschimpfungen, Verdächtigungen, Verleumdungen und Verunglimpfungen des Staates und seiner Repräsentanten […], bei denen es nicht mehr um Kritik und Auseinandersetzung geht, sondern darum, das Vertrauen der Bevölkerung in die verfassungsmäßige Ordnung von Grund auf zu erschüttern“. Praktisch zeichnet sich eine solche Verunglimpfung des Staates dadurch aus, dass „kritikwürdige Zustände bewusst entstellt und überspitzt verallgemeinert“ widergegeben werden.
Ausdrücke wie „Systemparteien“ seien eine Verächtlichmachung, weil der Begriff von Hitler verwendet wurde. Auch der Begriff „Blockparteien“ sei wegen des DDR-Bezugs problematisch, weil dies die Bundesrepublik „mit der DDR gleichgesetzt und so die Bundesrepublik Deutschland als undemokratischer Unrechtsstaat dargestellt“ wird. Als Beleg für die Beschimpfung von Politikern sieht der Verfassungsschutz folgende Aussage aus dem Programm der AfD Brandenburg zur Landtagswahl 2019 an: „Ehrlichkeit, Gerechtigkeit, Ordnung und Pflichtbewusstsein gegenüber den Brandenburgern müssen in unserem Landtag wieder eine Selbstverständlichkeit werden.“ Kritisiert wird, dass den anderen Parteien mit diesen Worten Ehrlichkeit und Pflichtbewusstsein abgesprochen werde.
Auch die Kritik der AfD Thüringen am Netzwerkdurchsetzungsgesetz wird als Verächtlichmachung angesehen, weil es einen Vergleich mit China gibt und damit impliziert werde, dass es in Deutschland totalitäre Zustände gebe. So heißt es bei der AfD Thüringen: „Solche Beschränkungen des Internets, die z. B. in China oder im Iran üblich sind, wird es mit uns nicht geben.“
Als relevante Verächtlichmachung der CDU gilt die Aussage Alexander Gaulands von 2019: „Die CDU wurde von einer protestantischen Pfarrerstochter und FDJ-Sekretärin aus dem Osten gekapert, die jede ihrer anfänglichen politischen Positionen komplett ins Gegenteil gedreht hat. Und heute, ich hab es vorhin schon erwähnt, ist die Union so rot-grün wie alle Blockparteien auch. Was den Opportunismus angeht, liebe Freunde, zeigt die CDU durchaus SED-Qualitäten. Elf Minuten Standing Ovations für ein Plattitüden-Festival der Vorsitzenden. Die haben schon Ostblock-Format.“ Auch Begriffe wie „Kartellpartei CDUSPDFDPGRÜNELINKE“ oder „politisch-medialer Komplex“ stellen eine Verunglimpfung dar, wie der Verfassungsschutz schreibt.
Fragwürdige Einschätzung
Es gibt auch tatsächlich problematische Aussagen der AfD, wie zum Beispiel die von Holger Winterstein aus dem Jahr 2020: „Der Selbstzweck bleibt der Erhalt des deutschen Volkes. Es gibt keine Moral darüber.“ Allerdings führt der Verfassungsschutz auch Aussagen als Beleg dafür auf, dass die Partei rechtsextrem sei, weil sie nicht den Definitionen des Verfassungsschutzes entsprechen. Die Behörde schreibt, dass es nicht genügt, wenn einzelne radikale Aussagen vorliegen. Die verfassungsschutzrelevanten Anhaltspunkte müssen „von hinreichendem Gewicht sein und in hinreichender Zahl vorliegen“.
Allerdings wird in dem Bericht nicht genau definiert, ab wie vielen Aussagen das Kriterium der hinreichenden Anzahl erfüllt ist. Im Verfassungsschutzbericht selbst heißt es, dass der Begriff „gesicherte extremistische Bestrebung“ nicht gesetzlich definiert ist. Abgrenzungsbemühungen der Partei könnten auch nur taktischer Natur sein, schreibt die Behörde, und dann könne eine Partei trotz Abgrenzungsbemühungen und Ausschluss von Parteimitgliedern als verfassungsfeindlich angesehen werden.
Die Aussagen zu den Themen werden jeweils auf drei Ebenen gesammelt: Bundesebene, Landesebene, Kreisebene. Zur Bundesebene werden Aussagen von EU-Abgeordneten, Mitgliedern des Bundestages, des AfD-Bundesvorstandes oder JA-Vorstandes gerechnet. Auf Landesebene geht es um Aussagen von Vorständen der Landesverbände und AfD-Mitgliedern der Landtage. Entsprechendes gilt für die Kreisverbände. In die Materialsammlung wurden im „Sinne einer umfassenden Belegzusammenstellung“ auch Aussagen von Menschen aufgenommen, die zwischenzeitlich aus der AfD ausgeschlossen wurden.
Allerdings gelten Aussagen von ehemaligen AfD-Mitgliedern für die Entscheidung, ob die AfD ein Prüffall sei, als „nicht entscheidungsrelevant“, so schreibt es der Verfassungsschutz. Dennoch wird in dem Gutachten auch festgehalten, dass der Ausschluss einzelner Mitglieder aus der Partei nicht „als Distanzierung der Gesamtpartei von verfassungsfeindlichen Positionen einzelner Mitglieder zu sehen ist“, weil „vielfach nicht erkennbar“ sei, „welche Gründe jeweils tragend für den Parteiausschluss waren und von welchen Positionen sich die Partei damit distanziert hat“.
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Aber Politiker dürfen Teile der Bevölkerung als Pack, Ratten, Schmeißfliegen und Gesindel bezeichnen? Nur so eine Frage, damit ungefähr weiß wo man lebt.
Mit dieser Argumentation kann man nahezu jede Kritik an der Regierung, an etablierten Parteien und am Islam als Verfassungsfeindlich einstufen, Ich hoffe, das dieser Unsinn in Karlsruhe keinen Bestand haben wird, ansonsten endet hier die Meinungsfreiheit und die Demokratie.
Da beherrscht ein Mob die Straße, besetzt CDU-Büros, greift Wahlkämpfer an, schüchtert Menschen ein, bedroht Gastwirte, verletzt Polizisten und Haldenwang arbeitet sich nur noch an der AFD ab. Das unsere europäischen Nachbarn verwundert zuschauen und einige Länder Reisewarnungen aussprechen interessiert anscheinend niemanden mehr.
So ein Blödsinn. Aber irgendwas musste ja gefunden werden. Durch die dehnungsfähigen Formulierungen ist halt alles möglich und alles kann „Begründet“ werden. Mach die Welt wie sie dir gefällt. Willkommen im Taka Tuka Land.
WAS bitte genau soll ein „islamischer Grundtendenz“ sein???? Wer denkt sich so einen Schwachsinn aus???
Und so einen Müll für den Container müssen die Bürger auch noch bezahlen. Diese Behörde ist völlig unnütz. Auflösen und die Mitarbeiter sinnvoller Arbeit in der freien Wirtschaft zuführen.
Der Herr werkelt mit Merkel im Hintergrund für die CDU/Spd.