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Brüssel

„Das riecht nach Staatsstreich“ – wie von der Leyen Meloni ausbootet und auf einen linken Super-Block setzt

Das informelle Bündnis aus EVP, Renew Europe und S&D setzte im Europäischen Rat ein Personalpaket durch, das Ursula von der Leyen als Kommissionspräsidentin, António Costa als EU-Ratspräsident und Kaja Kallas als EU-Außenbeauftragte vorsieht. Die Meloni-Regierung sieht sich übergangen. Die Rede ist von einem „Staatsstreich“.

Ursula von der Leyen wird künftig wohl mit den Grünen zusammenarbeiten

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Am Donnerstagabend wurde im Europäischen Rat das Personalpaket um das informelle Bündnis der Europäische Volkspartei (EVP), der Liberalen (Renew Europe) und der Sozialdemokraten (S&D) durchgewunken. Die Unterhändler der Europäischen Parteifamilien hatten sich zuvor am Dienstag auf eine weitere Zusammenarbeit verständigt.

Ursula von der Leyen, Spitzenkandidatin der EVP, soll demnach Kommissionspräsidentin bleiben. Der ehemalige sozialdemokratische Premierminister Portugals, António Costa, soll EU-Ratspräsident werden, während die estnische Ministerpräsidentin Kaja Kallas, eine Liberale, als neue EU-Außenbeauftragte vorgesehen ist. Von der Leyen ist jedoch noch nicht sicher im Amt bestätigt. Sie muss noch eine weitere Hürde überwinden und Mitte Juli von einer Mehrheit der 720 Abgeordneten im Europäischen Parlament gewählt werden.

Von der Leyen bootet Meloni aus

EVP, Renew Europe und S&D kommen gemeinsam auf 399 Parlamentarier und verfügen damit klar über die erforderliche Mehrheit von 361 Stimmen. Es gibt jedoch keinen Fraktionszwang und in der Vergangenheit lagen die Abweichung bei der Wahl zum Kommissionspräsidenten zwischen 13 bis 20 Prozent. Sich nur auf die eigenen Partner zu verlassen, dürfte für von der Leyen also nicht reichen, um wieder an die Spitze der EU-Kommission gewählt zu werden.

Im Vorfeld der EU-Wahl flirtete von der Leyen hin und wieder mit der rechts von der EVP stehenden EKR und dabei insbesondere mit der italienischen Ministerpräsidentin Giorgia Meloni. Von der Leyen hat es Melonis Stimme zu verdanken, dass sie ihren Migrationspakt verabschieden konnte. Der polnische Ministerpräsident Donald Tusk sowie die Mitglieder seiner Partei Platforma Obywatelska hatten nämlich erklärt, gegen das Vorhaben zu stimmen. Meloni erhoffte sich hierdurch wohl die Mitbeteiligungen an den künftigen EU-Personalentscheidungen. Bei der Wahl konnte sich ihre Partei immerhin deutlich auf 28,8 Prozent der Stimmen steigern. Doch Meloni wurde de facto völlig ausgebootet.

Im EU-Rat stimmte die italienische Regierungschefin gegen die Wahl von Costa und von Kallas. Bei der von Ursula von der Leyen enthielt sich Meloni. Kurz vor ihrem Abflug aus Brüssel hatte sie erklärt, dass die getroffenen Personalentscheidungen nicht dem Wählerwillen entsprechen. Auf der Plattform X bezeichnete sie die Wahl als „methodisch und inhaltlich falsch“. Vor Journalisten erklärte die Vorsitzende der Fratelli d’Italia weiter: „Italiens Aufgabe ist es nicht, sich an andere anzuschmiegen.“ Die Italiener müssten endlich den Einfluss auf die Europäischen Union bekommen, der ihnen zustehe.

Europa Vize-Regierungschef Matteo Salvini (Lega) wurde noch deutlicher. Er erklärte: „Was sich bei den Terminen (in Brüssel) abspielt, riecht nach Staatsstreich“. Und weiter: „Millionen Europäer haben einen Wandel gefordert. Und was schlagen die, die verloren haben, vor? Die gleichen Gesichter. Das werden wir ihnen nicht durchgehen lassen.“

Das Tischtuch zwischen Meloni und von der Leyen dürfte nahezu zerschnitten zu sein. Durch die Enthaltung bei der Wahl von Ursula von der Leyen versucht sich Meloni jedoch noch eine Hintertür für die Zusammenarbeit offenzulassen. Italien strebt nämlich an, den Vizepräsidenten in der neuen EU-Kommission stellen zu können. Als möglicher Kandidat für diese Position wird Europaminister Raffaele Fitto von der Partei Fratelli d’Italia genannt.

Ob sich von der Leyen darauf einlässt, erscheint jedoch fraglich. Die CDU-Politikerin hat sich offenbar schon auf die Grünen als weiteren Kooperationspartner festgelegt. Der BILD zufolge hat von der Leyen schon für die kommende Woche Gespräche mit den Grünen, die bei der EU-Wahl ordentlich Federn lassen mussten, anberaumt.

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„Das ist eine Koalition der Lüge und Täuschung“

Dass von der Leyen dort offene Türen einrennt, ließ der niederländische Co-Fraktionsvorsitzende der Grünen Bas Eickhout durchscheinen. Er erklärte, man wolle von der Leyen helfen, eine „stabile pro-europäische, pro-demokratische und pro-ukrainische Mehrheit zu schaffen“. Voraussetzung sei, dass die Klima- und Umweltzusagen der vergangenen Jahre – etwa das Verbrennerverbot – nicht kassiert werden.

Auch der langjährige europäische Grünen-Vorsitzende und ausscheidende deutsche EU-Abgeordnete Reinhard Bütikofer hat kürzlich seine Parteikollegen dazu aufgefordert, die Wiederwahl von Ursula von der Leyen als EU-Kommissionspräsidentin zu unterstützen. Bütikofer argumentiert, dass das von Bundeskanzler Scholz und anderen führenden europäischen Staats- und Regierungschefs ausgehandelte Personalpaket für die EU-Spitzenpositionen nach der Europawahl die bestmögliche Option darstelle. Der langjährige CDU-Europaabgeordnete Elmar Brok setzt sich nach Informationen der BILD innerhalb der EVP-Fraktion aktuell ebenfalls für eine Zusammenarbeit mit den Grünen ein.

Völlig resigniert hat der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán das Ergebnis der Personalentscheidungen vom Donnerstag kommentiert. „Es geht nur um Machtteilung“, so Orbán. „Wir können das nicht unterstützen“, sagte er weiter. „Das ist eine Koalition der Lüge und Täuschung.“ Orban stimmte gegen alle drei Personalvorschläge – einschließlich der Wahl von Ursula von der Leyen.

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