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Hamburg

Kritische Mitarbeiterin abgemahnt: Verschleppte die SPD die Arbeit des Cum-Ex-Untersuchungsausschusses?

Mitarbeiter des Hamburger Untersuchungsausschusses, der sich mit den Cum-Ex-Geschäften der Warburg-Bank befasst, erheben schwere Vorwürfe gegen den Leiter der Stabsstelle – einen SPD-Mann. Er soll die Arbeit verzögert haben.

Olaf Scholz wird am Freitag zum dritten Mal von dem Untersuchungsausschuss befragt.

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Am Freitag findet die dritte Befragung des Bundeskanzlers im Hamburger Untersuchungsausschuss statt, der sich mit den Cum-Ex-Geschäften der Warburg-Bank befasst. Wie eine gemeinsame Recherche von WDR, NDR und SZ ergab, gab es bei den Mitarbeitern des Arbeitsstabs des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses (PUA) Streitigkeiten. Eine Mitarbeiterin warf dem Leiter des Arbeitsstabes, dem SPD-Mitglied Steffen Jänicke, vor, die Arbeit verzögert zu haben – daraufhin wurde sie abgemahnt. 

Die entsprechende Mitarbeiterin war für den Zwischenbericht des Untersuchungsausschusses zuständig – wobei die SPD sich für die Erstellung eines solchen ausgesprochen hatte. Sie hatte Jänicke mehrmals um Anweisungen beziehungsweise ein Konzept gebeten, wie der Bericht erstellt werden soll. Sie bekam jedoch monatelang keine Antwort. Daraufhin versandte sie am 08. März 2023 eine E-Mail an die Abgeordneten im PUA und an deren Fraktionsmitarbeiter. „Ich habe von ihm keine Antwort erhalten“, schrieb sie, „weder schriftlich noch mündlich“.

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Es folgte eine Abmahnung der Bürgerschaftskanzlei. Sie habe das Gefühl, dass sie als Kritikerin eingeschüchtert werden solle. Dagegen setzte sie sich juristisch zur Wehr. Am 12. Juni 2024 kam es zu einem Prozess vor dem Arbeitsgericht. Die Frau sagte vor Gericht aus, dass es keine parteipolitisch unabhängige Arbeit des Arbeitsstabes gebe, wie NDR, WDR und SZ berichten. „Ein sinnvolles und umfassendes Vorgehen ist nicht erwünscht, Konzepte und Zeitpläne fehlen, kritische Fragen und kreative Überlegungen werden seit zwei Jahren unterdrückt“, sagte sie.

Das Arbeitsgericht ordnete an, dass die Abmahnung aus der Personalakte der Frau entfernt wird. Die Hamburger Senatskanzlei ging dagegen in Berufung. Anfang 2025 soll vor dem Landesarbeitsgericht Hamburg verhandelt werden. Arbeitsstabsleiter Jänicke hatte Ende 2023 sein Amt niedergelegt. Bis April führte ein anderer SPD-Politiker interimsmäßig die Arbeit weiter. Im April übernahm die SPD-Politikerin Petra Frantzioch die Position als Leiterin des Arbeitsstabs. 

Auf Anfrage antworteten weder Jänicke noch sein Stellvertreter dem WDRNDR und der SZ, ob die Vorwürfe der Frau und weiterer Insider zutreffen. Der Zwischenbericht wurde am Ende nicht wie geplant im Frühjahr 2023 fertig, sondern erst ein Jahr später. Die Erstellung des Berichts habe Zeit gekostet, die „für die Aufklärung zur politischen Einflussnahme bei anderen Banken, unter anderem der HSH Nordbank“ fehle. Die Cum-Cum-Geschäfte der HSH Nordbank verursachten zwischen 2003 und 2012 einen Steuerschaden von 275 Millionen Euro (Apollo News berichtete). 

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Am Freitag wird Olaf Scholz im Hamburger Untersuchungsausschuss zum Vorgehen der Bank MM Warburg befragt, die mit Cum-Ex-Geschäften 90 Millionen Euro Steuerschaden verursachte. Es soll untersucht werden, ob er oder andere Politiker damals Einfluss zugunsten der Bank nahmen, sodass sie das Geld nicht zurückzahlen musste. Scholz war zu jenem Zeitpunkt Erster Bürgermeister Hamburgs. Bei Cum-Ex-Geschäften konnten sich Banken wegen Gesetzeslücken die Kapitalertragssteuer, die einmal gezahlt wurde, mehrfach vom Finanzamt zurückerstatten lassen. Bei den beiden vorherigen Sitzungen des PUA, in denen Olaf Scholz als Zeuge befragt wurde, bestritt er jegliche Einflussnahme und gab oft „Erinnerungslücken“ an.

Weitere Ungereimtheiten im Untersuchungsbericht

In dem 1000-seitigen Zwischenbericht steht, dass es keine „keine politische Einflussnahme“ bei der steuerlichen Bevorteilung der Warburg-Bank gegeben habe. Wie Apollo News berichtete, fehlte diese entscheidende Passage, die Olaf Scholz entlastete, jedoch in einer früheren Version des Berichts vollständig. Der Absatz wurde am 29.11.2023 nachträglich eingefügt, mit einem Mehrheitsbeschluss der Roten und Grünen im Ausschuss, gegen die Stimmen der Oppositionsparteien.

Auf Anfrage bestätigte die SPD-Fraktion in der Hamburgischen Bürgerschaft gegenüber Apollo News: „Die Bewertung ist durch die Koalitionsfraktionen beschlossen worden“. Die Opposition könne lediglich noch „Minderheitsvoten“ abgeben. Damit wurde der Freispruch von Scholz von seiner eigenen Partei formuliert und am Ende nicht als Parteimeinung, sondern als unabhängiges Untersuchungsergebnis präsentiert (lesen Sie mehr).

Doch nicht nur die SPD selbst spielt eine zweifelhafte Rolle in dem Verfahren. Im April 2024 reichte Anne Brorhilker, führende Ermittlerin und Oberstaatsanwältin, ihren Antrag auf Entlassung aus dem Beamtenverhältnis ein. Im Gespräch mit dem WDR erklärte Brorhilker, dass sie mit „Leib und Seele“ Staatsanwältin war. Allerdings störe sie der Umstand, „wie in Deutschland Finanzkriminalität verfolgt wird.“

Immer wieder könnten Täter aufgrund von „viel Geld und guten Kontakten“ der Strafverfolgung entgehen. Sie sei in ihrer Arbeit immer wieder Hindernissen ausgesetzt gewesen. So hatte der nordrhein-westfälische Justizminister Benjamin Limbach (Grüne) zum Beispiel über Wochen die Übersendung sensibler Cum-Ex-Daten an den Parlamentarischen Untersuchungsausschuss in Hamburg verhindert (Apollo News berichtete).

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