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Kernschmelze nach Musks AfD-Artikel: Die unversiegbare Hybris des Hauptstadt-Journalismus

Elon Musk schreibt einen pro-AfD-Beitrag bei Welt - besser gesagt: rotzt ihn hin. Trotzdem reicht es für eine erneute Kernschmelze im politischen Berlin - Springer sei jetzt Steigbügelhalter des Faschismus. Entlarvende Reaktionen jener, die mit Meinungsfreiheit und demokratischer Debatte eh nichts mehr anzufangen wissen.

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Viele Fans von Elon Musk feiern den Unternehmer als Genie, attestieren ihm einen hohen IQ, halten ihn für ein Universalgenie und einen Tausendsassa. In der Welt hat er nun bewiesen, dass ein kluger Unternehmer nicht zwingend ein großer Autor sein muss. Sein Text ist trotzdem fast schon ein zeitgeschichtliches Dokument. 

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Man muss sagen: Das war kein großer Text an sich, wahrscheinlich mit KI-Unterstützung in ein paar Minuten hingeschrieben. Einem Autor, auch in unserer Redaktion, wäre so ein Text mit der freundlichen, aber bestimmten Bitte um Überarbeitung zurückgegeben worden. 

Aber es geht nicht um einen Autoren – sondern um Elon Musk. Eine Person, deren Meinung ob seiner Stellung per se relevant ist – und gerade diese Position sticht heraus. Dass sein Text veröffentlicht wurde, ist natürlich richtig – mündige Leser können sich selbst ein Bild machen. Die Arroganz mancher Journalisten, auch bei Welt, die jetzt erklären, warum man diesen nicht hätte veröffentlichen dürfen, ist unbegreiflich. Es ist Berufskrankheit von Journalisten, sich für klüger und besser zu halten, und sich selbst und ihre eigenen Maßstäbe zu überhöhen. Eine Welt-Kollegin schreibt, sie hätte den Text nicht veröffentlicht – auch Elon Musk stünde nicht über den „Gesetzen des Redigats“.

Man kann Stolz sein auf seine eigenen Maßstäbe – und dann mit viel Haltung in der Bedeutungslosigkeit versinken. Musk braucht Welt als Plattform nicht, er hat selbst genug Reichweite. Er tut der Zeitung eher einen Gefallen damit, seinen Beitrag dort zu veröffentlichen. Trotzdem liefert Welt mit dem Text sogar eine Gegenrede des designierten Blattchefs Jan Philipp Burgard mit. Aber seine Meinung will man nicht so stehen lassen. Und wahrscheinlich sollte diese Einordnung durch den künftigen Chefredakteur den erwartbaren Shitstorm abschwächen. Hat sie nicht. 

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Der kommt trotz aller ängstlichen Manöver mit voller Wucht. ZDF-Journalistin Nicole Diekmann schimpft den Meinungsbeitrag einfach „Desinformation“ und entleert das Wort damit jedem letzten Rest an Sinn und Bedeutung. Handelsblatt-Reporterin Teresa Stiens dreht völlig ab und wirft Musk und Welt „verfassungsfeindliche Agitation“ vor.  Die Krone setzt dem ganzen der verlässlich verschrobene BR-Kolumnist Stephan Anpalagan auf – der meint, Welt habe „Wahlaufrufe für den parlamentarischen Arm des rechten Terrors“ abgedruckt und sei „der publizistische Arm des Rechtsextremismus, des Rassismus und des Antisemitismus in Deutschland“. An dieser Stelle: Gute Besserung!

Die Kollegen belegen damit vor allem eines: ein völlig absurdes Selbstbild und Job-Verständnis. Es ist diese ewige, arrogante Selbstüberschätzung von Journalisten, die immer noch meinen, wie in den Print-Zeiten der 70er-Jahre Gatekeeper und Schiedsrichter der öffentlichen Meinung zu sein, welche die etablierten Medien langsam, aber sicher untergehen lässt. Aber immerhin versinken sie mit viel Haltung in der Bedeutungslosigkeit.

Auch die Politik dreht frei: Michael Lührmann, Grünen-Landtagsabgeordneter aus Niedersachsen, schwurbelt etwas über „Faschismus ist keine Meinung“ und weiß wie die meisten hohlen Schreier dieser Parole wahrscheinlich gar nicht, was genau hier jetzt Faschismus sein soll.  SPD-Generalsekretär Matthias Miersch meint, die Veröffentlichung sei „beschämend und gefährlich“ und zeige, „wie weit rechte Netzwerke inzwischen vorgedrungen sind“. Und CDU-Politikerin Karin Prien erklärt der Welt-Redaktion, es sei „ein unverantwortlicher [Beitrag] zur Normalisierung der #noafd vor einer schicksalhaften Wahl.“ Das sei „journalistisch und politisch falsch.“ Wenn Politiker der Presse erklären, wie Journalismus zu gehen habe und was man veröffentlichen dürfe, wird es ganz finster. 

Und die Clownerei zieht noch weitere Kreise, bis zu Welt selbst: Eva-Marie Kogel, Leiterin des Meinungs-Ressorts der Zeitung, kündigt. Die Meinungs-Leiterin hält selbst eine eingeordnete Meinung nicht aus und ist so betroffen, dass sie öffentlichkeitswirksam ihren Abgang inszeniert. Natürlich auf Musks X, wo sie zum ersten Mal seit Jahren etwas postete. Der billige Applaus der linken Blase sei ihr gegönnt – und als Leiterin Meinung war sie offenbar ohnehin von Anfang an fehl am Platz. 

Dann druckt auch Welt selbst Widerspruch zur Welt ab. „Warum ich diesen Gastbeitrag nicht gedruckt hätte“, schreibt Redakteurin Franziska Zimmerer. Dutzende Journalisten schreiben, warum ihre Zeitung fatal gehandelt habe, den Text nicht hätte veröffentlichen sollen. Dass ungefähr die halbe Welt-Redaktion öffentlich den Aufstand gegen das eigene Blatt probt, ist peinlich. Da war Frau Kogel zumindest so konsequent, auch zu kündigen.

Man kann vieles an Musks Artikel kritisieren – die Dahingerotztheit, die inhaltliche Schwäche, die Oberflächlichkeit. Aber die Veröffentlichung an sich ist kein Grund zur Kritik. Wer jetzt völlig ausrastet und im Dreieck springt, offenbart nur Schwäche in und Angst vor der inhaltlichen Auseinandersetzung.

Das standardmäßige Geheule, das abgespult wird, ist lächerlich: Welt bietet dem Milliardär keine „Plattform“, die er nicht schon hätte. Ganz im Gegenteil – im Gegensatz zu seiner Hundert-Millionen-Reichweite auf X, folgt hier eine Gegen-Argumentation, die legitim ist – selbst, wenn man ihr nicht in Gänze folgen kann. Das ist Rede und Gegenrede und damit das, was eine Demokratie stark macht – wer dagegen ist, ist gegen das, was freie Demokratie ausmacht. Im Grunde müsste jeder, der diese in Sonntagsreden gerne feiert, der Welt für diesen Debattenbeitrag danken.

In der New York Times durften schon die Taliban einen Meinungsbeitrag veröffentlichen. Wladimir Putin konnte ein paar Monate vor seiner Voll-Invasion in der Ukraine in der Zeit noch einen Text schreiben, in dem er eine absurde Geschichtsklitterung über „die Helden der Roten Armee“ und den ehrenhaften Sowjetsoldaten schreiben konnte, der „seinen Fuß nicht auf deutschen Boden setzte, um sich an den Deutschen zu rächen, sondern um seine edle und große Befreiungsmission zu erfüllen.“

Das sehen hunderttausende vergewaltigte Frauen, Millionen Vertriebene aus Schlesien, Pommern und Ostpreußen und auch 16 Millionen Ostdeutsche, die 40 Jahre lang von ebenjenen „edlen Befreiern“ mit Panzern niedergerollt und unterdrückt wurden, sicherlich anders. Im Gegensatz dazu ist Musks Text und dessen Veröffentlichung wirklich ein Glanzstück – und so mancher empörter Zeit-Redakteur sollte erstmal vor seiner eigenen Haustür kehren.

Glaubt eigentlich noch irgendjemand an den mündigen Leser, der Meinungstexte kritisch betrachten und selbst einordnen kann? Nein? Dann sollte man das mit dem Journalismus am besten ganz lassen und nur noch Texte reiner Lehre, Stücke der Marke „betreutes Denken“ veröffentlichen. In diesem Segment sind aber weiß Gott schon genug Medien verortet.

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