Untersuchungsausschuss
Cum-Ex: Scholz kann sich erneut nicht erinnern – und verteidigt Umgang mit betroffener Bank
Zum dritten Mal musste sich Olaf Scholz am Freitag vor dem Hamburger Untersuchungsausschuss zu Cum-Ex befragen lassen. Wieder hieß es, er habe keine Erinnerung. Gleichzeitig stellte er sich schützend vor eine Bank, die in Cum-Ex-Geschäfte verwickelt war.
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„Mein ganzes politisches Leben habe ich mich für ein gerechtes Steuersystem eingesetzt“, sagte Olaf Scholz am Freitag zu Beginn seiner Anhörung im Parlamentarischen Untersuchungsausschuss. Das 2020 von der Hamburgischen Bürgerschaft ins Leben gerufene Gremium soll den Cum-Ex-Skandal und die Verwicklung von Scholz als Hamburger Bürgermeister untersuchen. Schon zum dritten Mal war der Bundeskanzler vor dem Ausschuss geladen – und wieder brachte der SPD-Politiker die Antwort ein, er könne sich nicht erinnern.
Doch diesmal dauerte es 30 Minuten, ehe die mittlerweile bekannte Behauptung, „ich habe daran keine Erinnerung“, fiel. Davor hatte Scholz mit paraphrasierten Versionen dieser Aussage versucht, Antworten zu vermeiden. „Mehr kann ich zur Aufklärung nicht beitragen“ oder „das kann ich nachträglich nicht rekonstruieren“, erklärte der Bundeskanzler beispielsweise.
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In der Untersuchungsausschusssitzung sollte es am Freitag um eine brisante Frage innerhalb des Cum-Ex-Skandals gehen. Einmal wurde der Steuerbetrug der ehemaligen Landesbank von Hamburg und Nordrhein-Westfalen, HSH Nordbank, aufgerollt. Das Geldinstitut hat sich in 29 Fällen zwischen 2008 und 2011 die Kapitalertragssteuer erstatten lassen – die sie zuvor gar nicht gezahlt hatte. 2013 begann die Bank, die Vergehen aufzuarbeiten und zahlte 2014 letztlich 126 Millionen Euro zurück an die Steuerverwaltung.
Während diese Straftaten nicht in die Amtszeit von Scholz fallen, der zwischen 2011 und 2018 Erster Bürgermeister von Hamburg war, soll der SPD-Politiker aus daraus resultierenden Vorgängen bei der Bank Kenntnis über den Cum-Ex-Skandal erhalten haben. Tatsächlich gab Scholz zu, das Geldinstitut sei immer wieder thematisiert worden – jedoch stand dabei die Rettung der Bank im Vordergrund.
„Sie wissen, dass die Bank in sehr schwieriger Lage war“, erklärte der Bundeskanzler dazu – Cum-Ex-Geschäfte hätten nicht im Mittelpunkt gestanden. Angesprochen auf zusätzlich mögliche Cum-Cum-Geschäfte der Bank wollte der SPD-Politiker dann lediglich, aber immerhin zugeben, die HSH Nordbank nur mit dem Cum-Ex-Skandal in Verbindung zu bringen. Auch bei Cum-Cum-Geschäften geht es um die fragwürdige Rückerstattung der Kapitalertragssteuer – 28 Milliarden Euro könnten dem Bund auf diesem Wege entwendet worden sein.
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Diese Aussage hatte Scholz in der Vergangenheit vermehrt getroffen. Wichtige Antworten auf brisante Fragen blieben so aus. Der SPD-Politiker erklärte lediglich, eine politische Beteiligung an Cum-Ex-Geschäften ausschließen zu können. Dabei soll sich der damalige Bürgermeister vermehrt mit dem Warburg-Chef Christian Olearius ausgetauscht haben – die Warburg-Bank steht im Zentrum des Cum-Ex-Skandals. Der Untersuchungsausschuss soll deshalb die Frage klären, ob das Vorgehen der Banken von politischer Seite, von Scholz als auch seinem damaligen Finanzsenator und heutigem Ersten Bürgermeister, Peter Tschentscher, geduldet oder gar unterstützt wurde.
Die Bank wurde zunächst – trotz Bekanntwerdens der Cum-Ex-Geschäfte – nicht zu einer Rückzahlung von 47 Millionen Euro aufgefordert. Das geschah erst durch das Eingreifen des Bundesfinanzministeriums 2017. Währenddessen hatte die Bank eine Spende an einen Hamburger SPD-Verband überwiesen. Im Verlauf des Untersuchungsausschusses kam es vermehrt zu Auffälligkeiten: Einmal nahm ein SPD-Ermittler Datenträger, die als Beweismaterial gehandelt werden, wochenlang an sich (Apollo News berichtete).
Dann zeigte sich, dass der durch die Warburg-Bank entstandene Schaden von 179 Millionen Euro nicht vollständig zurückgefordert wurde (Apollo News berichtete). Scholz selbst soll zudem unter Eid die Unwahrheit über den Austausch mit Olearius gesagt haben (Apollo News berichtete). Letztlich warf sogar die leitende Staatsanwältin Anne Brorhilker hin. Zwölf Jahre lang war sie an der Aufarbeitung von Cum-Ex-Geschäften beteiligt. Allerdings störte sie der Umstand, „wie in Deutschland Finanzkriminalität verfolgt wird.“ Immer wieder können sich Täter aufgrund von „viel Geld und guten Kontakten“ aus der Schlinge ziehen. Beschuldigte könnten sich in Deutschland „oft aus Verfahren schlicht herauskaufen“, erklärte Brorhilker ihren Rückzug (Apollo News berichtete).
Ob es vor der Bundestagswahl am 23. Februar und der Bürgerschaftswahl in Hamburg am 2. März noch zu nennenswerten Ergebnissen im Untersuchungsausschuss kommt, ist unklar. Bis Ende des Jahres sollen die Befragungen durch das Gremium abgeschlossen werden, daraufhin möchten sich die beteiligten Abgeordneten dann über die finale Fassung des Berichts austauschen.
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Konsequent wäre es nun, wenn er dann auch die Politik verlässt. Wer solche Gedächtnislücken hat, sollte keine politische Verantwortung haben dürfen. Oder er lügt. In diesem Falle wäre er charakterlich nicht für ein politisches Amt geeignet.
Warum schuetzt ihn denn seine Unwissenheit (durch Gedaechtnisluecke oder gar -verlust) vor einer Strafe? Das erklaert sich mir nicht. Da koennt ja jeder kommen und behaupten sich nicht zu erinnern!
Selbst wenn er die Errinnerungslücken nicht vorschieben würde und die Wahrheit sagt.
Was würde ihm denn passieren? Nämlich gar nichts.
-Ein mehrfacher Milliardenschaden. Und keiner will etwas gewusst haben. Scholz hat sogar sein Gedächtnis verloren. Wenn nie jemand Verantwortung für seine politischen Entscheidungen übernehmen will, sind Parteien überflüssig.
Kann sich noch jemand an Björn Engholm, SPD, erinnern? Der ist 1993 zurückgetreten, weil er von der (wirklich widerwärtigen) Schmutzkampagne seines politischen Gegners, Uwe Barschel CDU, wußte, das aber nicht öffentlich zugab, sondern seine vermeintliche Unschuld für seinen Wahlkampf nutzte. Aus heutiger Sicht eine lächerliche Lappalie. Für Engholm aber damals eine Frage des Anstands und des Vertrauens, deshalb ist er zurückgetreten als das bekannt wurde.
Definition:
Unter einem Gedächtnisverlust, fachlich bezeichnet als Amnesie (griech. für Gedächtnisverlust), versteht man eine Gedächtnisstörung, bei der Erinnerungen aus dem Gedächtnis ausgelöscht zu sein scheinen. Vermutlich handelt es sich dabei eher um eine Unfähigkeit, Gedächtnisinhalte abzurufen. Weiterhin kann ein Gedächtnisverlust aber auch bedeuten, dass es dem Betroffenen nicht möglich ist, neue Dinge zu lernen und Gedanken abzuspeichern.
Nach Angaben des „Handelsblatts“ gab es keine neue Anklage, obwohl die Staatsanwaltschaft in 130 Verfahren gegen 1.700 Personen ermittelt. Die Zeitung zitiert eine Sprecherin des zuständigen Landgerichts Bonn mit den Worten, dass man für die Verzögerung keine Gründe genannt bekommen habe.