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Absurde Erklärung für sinkende Lebenserwartung: So verharmlost Lauterbach Übersterblichkeit in Deutschland

In einem Interview wurde Gesundheitsminister Karl Lauterbach gefragt, warum die Deutschen immer früher sterben. Seine Antwort ist haarsträubend. Die Übersterblichkeit der letzten Jahre erwähnt er mit keinem Wort.

Bilquellen: Screenshots von Destatis und bild.de

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„Warum sterben die Deutschen immer früher?“, diese Frage beantworte Gesundheitsminister Karl Lauterbach am Donnerstag augenscheinlich gut gelaunt in den Räumen des Axel-Springer-Hauses. Im Interview mit der Bild-Zeitung erklärte er: „Das war leider lange ein Tabuthema. Weil unser Gesundheitssystem so teuer ist, sind wir davon ausgegangen, dass es besonders gut ist. Aber das ist falsch. Wir reagieren oft zu spät. Wir haben zu wenig Vorbeugemedizin, zu wenig klinische Forschung und zu wenig Spezialisierung im Krankenhaus.“ Gegen diese Missstände wolle Lauterbach nun mit mehr Vorbeugemedizin, einem Institut für öffentliche Gesundheit und einem sogenannten Klinik-Qualitäts-Atlas vorgehen. 

Ohne jetzt persönlich werden zu wollen. Wo war Herr Lauterbach denn die letzten drei Jahre? Ein Blick in die Datenauswertungen des Statistischen Bundesamts genügt, um zu erkennen: Die sinkende Lebenserwartung ist direkt mit den Pandemiejahren verknüpft. Bis 2019 nahm die Lebenserwartung seit über zwanzig Jahren kontinuierlich zu. In den Jahren 2020 bis 2022 ging sie dann erstmals um 0,6 Jahre zurück. „Hauptgrund hierfür waren die außergewöhnlich hohen Sterbefallzahlen in den Wellen der Pandemie“, schreibt das Statistische Bundesamt. Von 2020 bis 2022 habe es insgesamt etwa 140 000 bis 200 000 zusätzliche Sterbefälle im Vergleich zur vorherigen durchschnittlichen Entwicklung in Deutschland gegeben, heißt es in einer Pressemitteilung von Destatis aus Juli. Dass sich diese Übersterblichkeit nicht allein mit den Covid-Toten erklären lässt, hat Apollo News bereits an anderer Stelle erläutert. 

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Lebenserwartung sank wegen Übersterblichkeit

Wissenschaftler auf der ganzen Welt untersuchen gerade die Ursachen der Übersterblichkeit vieler Länder in den Pandemiejahren. Neben den Covid-Toten werden unter anderem auch der Beginn der Impfkampagne Ende 2020, die Vernachlässigung medizinischer Behandlungen durch Lockdowns und überfüllte Krankenhäuser sowie Hitzetote und vieles mehr diskutiert. Lauterbach erwähnt diese riesige und drängende wissenschaftliche Debatte in seiner Antwort mit keinem Wort. Er nennt die Übersterblichkeit als Ursache der sinkenden Lebenserwartung einfach nicht. 

Stattdessen liefert er mit einer angeblich zu nachlässigen Vorbeugemedizin, zu wenig klinischer Forschung und zu wenig Spezialisierungen im Krankenhaus Gründe, die gelinde gesagt unplausibel scheinen, wenn man bedenkt, dass vor der Pandemie die noch Lebenserwartung anstieg. All diese Punkte sind Ursachen, deren Effekt sich, wenn überhaupt, nur über einen langen Zeitraum zeigen würde. Der Rückgang der Lebenserwartung kam aber überraschend. Der Begriff Übersterblichkeit bedeutet definitionsgemäß schon, dass in den Pandemiejahren mehr Menschen gestorben sind, als statistisch erwartet wurde. Zwar gibt das Statistische Bundesamt an, dass die Lebenserwartung nach 2000 langsamer anstieg als noch im letzten Jahrhundert, den Rückgang der Lebenserwartung erklärt dies aber nicht. 

Wir haben zu viel, nicht zu wenig Präventivmedizin

Abgesehen davon ist es interessant, dass Lauterbach gerade mangelnde Vorbeugemedizin, beziehungsweise Präventivmedizin, als Ursache der schwindenden Lebenserwartung anführen will. Noch nie gab es in Deutschland so viele Früherkennungsmethoden wie heute. Im Gegenteil. Die Angebote von Vorsorgeuntersuchungen nehmen seit Jahren zu und werden immer ausgefeilter. Inzwischen kann jeder, der genug Nerven und Geld hat, sein Blut auf erhöhte Fettwerte und Nährstoffmängel untersuchen lassen, seinen Körper nach Krebsgeschwüren durchscannen und seinen Blutdruck 24 Stunden auf der AppleWatch verfolgen. Er wird ernährungsmedizinisch beraten, zum Belastungstest aufs Fahrrad geschickt, er kann den Blutfluss in seinem Herzen auf dem Ultraschallgerät mehrfarbig verfolgen, bekommt ohne Indikation Vitamin D verschrieben und geht einmal im Jahr zur zahnärztlichen Prophylaxe. 

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Inzwischen ist gerade die Krebsfrüherkennung in manchen Bereichen so weit fortgeschritten, dass immer mehr Mediziner vor Überdiagnostik warnen. Damit ist gemeint, dass vor allem bei den Vorsorgeuntersuchungen auf Brust- und Prostatakrebs inzwischen selbst Frühstadien eines Krebsgeschwürs entdeckt werden, das im Laufe des Lebens keinerlei Beschwerden gemacht hätte und somit gar nicht aufgefallen wäre. Dennoch lassen sich einige Frauen infolge dieser Diagnosen die Brüste abnehmen, Männer die Prostata entfernen. Das Tabuthema, das Lauterbach beschwört, ist mitnichten eine angeblich schlechte medizinische Versorgung in Deutschland. Vielmehr scheint es die Übersterblichkeit zu sein, über die man im Gesundheitsministerium offensichtlich nicht sprechen will.

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