Werbung

...
...

RKI-Leaks

Lauterbach beschloss neue Isolationspolitik – und bat das RKI nachträglich um Konstruktion von wissenschaftlicher Begründung

Die kürzlich veröffentlichen RKI-Protokolle zeigen die Vereinnahmung des RKI durch die Bundesgesundheitsminister Jens Spahn und Karl Lauterbach. Ein RKI-Protokoll zeigt, wie Karl Lauterbach zunächst Maßnahmen verhängt und danach beim RKI die wissenschaftliche Argumentation zu diesen Maßnahmen anfordert.

Die RKI-Protokolle belegen, wie mächtig die Einflussnahme seitens des Bundesgesunheitsministeriums auf das Robert-Koch-Institut war. Nach Amtsantritt von Karl Lauterbach entkoppelten sich zunehmend politisch gewollte Maßnahmen von der wissenschaftlichen Grundlage.

Werbung

Die kürzlich veröffentlichten, ungeschwärzten RKI-Protokolle offenbaren die Machtverhältnisse bei den obersten Entscheidungsträgern während der Corona-Pandemie. Maßnahmen, die vom Bundeskanzleramt und dem Bundesgesundheitsministerium getroffen wurden, waren zunehmend abgekoppelt von wissenschaftlichen Erkenntnissen des Robert-Koch-Instituts (RKI). So gab es laut RKI-Protokoll vom 18.01.2021 eine interne Besprechung zwischen den RKI-Mitarbeitern, die den „Widerspruch zwischen FAQ und Musterquarantäneverordnung“ adressierten – ebenso, wie die Einschätzungen zur FFP2-Maske.

Das FAQ ist das Forum für Fragen und Antworten auf der Website des RKI und hat zu jenem Zeitpunkt auch über die „Quarantäne bei Genesenen/Musterquarantäneverordnung“ informiert. Offenbar stimmten die Einschätzungen des RKI und die damit einhergehenden Informationen auf der RKI-Website inhaltlich nicht mit den politisch verordneten Quarantänemaßnahmen bei Infizierten und Genesenen überein.

Das Protokoll belegt, dass „Widerspruch nicht aufgelöst werden kann“ – das RKI bleibe inhaltlich also bei der eigenen Einschätzung. Bei entsprechenden Presseanfragen zu den Widersprüchen soll weiterhin auf die Quarantäneverordnung verwiesen werden. Damit die inhaltlich verschiedenen Positionen des RKI und der Bundesregierung nicht dauerhaft Fragen aufwerfen – oder möglicherweise die fachliche Entkoppelung der Bundesregierung und insbesondere des Bundesgesundheitsministeriums offenbaren – muss das FAQ auf der Website geändert werden. Doch der Zeitpunkt der Änderung sei „schwierig“.

Eine schnelle Änderung nach der Ministerpräsidentenkonferenz – diese fand einen Tag später statt, als sich die damalige Bundeskanzlerin Angela Merkel mit den Länderchefs traf – könnte den Eindruck erwecken, „dass das RKI seine FAQ aufgrund der Ministerkonferenz und der dort enthaltenen politischen Beschlüsse geändert hat.“ Die fachliche Einschätzung des RKI habe sich nicht geändert, daher wurde vorgeschlagen, „die FAQ erst nächste Woche zu aktualisieren“ – zu einem späteren Zeitpunkt also.

„Die wissenschaftliche Unabhängigkeit des RKI von der Politik ist insofern eingeschränkt.“

Ein weiteres Protokoll belegt die politische Vereinnahmung der untergeordneten Behörde des Bundesgesundheitsministeriums und dem damaligen Minister Jens Spahn: Das Protokoll vom 10.09.2021 beschreibt, wie das RKI eine „ministerielle Weisung zur Ergänzung“ erhielt. Es ging um ein RKI-internes Papier über Kontaktnachverfolgung und das Management dahinter. Das RKI empfahl zu diesem Zeitpunkt, dass sich die Bürger für eine Freitestung aus der Quarantäne mehreren Antigen-Tests („AG-Tests“) unterziehen, dem Bundesgesundheitsministerium reichte eine Freitestung nach fünf Tagen.

Der RKI-Mitarbeiter beschreibt: „Eine derartige Einflussnahme seitens des Bundesgesundheitsministeriums (Anmerkung der Redaktion) in RKI-Dokumente ist ungewöhnlich.“ Es soll sogar rechtlich geprüft worden sein, ob das Bundesgesundheitsministerium zu einer derartigen Einmischung in RKI-interne Dokumente befugt ist. Die damalige RKI-Leitung, Lothar Wieler, schätze, dass diese Befugnis bestehe, da das RKI eine untergeordnete Behörde sei. Abschließend heißt es: „Die wissenschaftliche Unabhängigkeit des RKI von der Politik ist insofern eingeschränkt.“

Lauterbach drückt Isolation durch – und bittet um „Nachlieferung“ von wissenschaftlicher Grundlage

Zum Amtsantritt von Karl Lauterbach im Dezember 2021 waren bereits 57,5 Millionen Menschen in Deutschland mindestens doppelt geimpft. Doch wie so oft kam es unter seiner Amtszeit häufig zu „Kehrtwenden“ in seiner Politik und Corona-Maßnahmen. Das RKI-Protokoll vom 11.04.2022 beschreibt diese „Kehrtwende“ des Karl Lauterbach.

Lesen Sie auch:

Das RKI hatte vorgeschlagen, dass infizierte Menschen sich nur noch freiwillig in Quarantäne begeben sollten, doch dieser „Vorschlag der freiwilligen Isolation nach positiver Testung wurde verworfen.“ Für die Allgemeinbevölkerung und für den medizinischen Bereich sollte „eine behördliche Isolation angeordnet werden.“

Auch sollte das RKI dazu „nicht proaktiv agieren“, sondern reagieren – Karl Lauterbach gibt das Tempo an. Doch um diese willkürliche Isolationsanordnung, die nicht von der Wissenschaft gestützt war, in der politischen Kommunikation zu bestärken, sollte das RKI eine wissenschaftliche Argumentation nachliefern. Weiterhin „soll kein Präzedenzfall“ geschaffen werden, „dass politische Vorgehen nachträglich wissenschaftlich begründet werden.“ Es soll „vorsichtig“ formuliert werden und lediglich „Begleitmaterial zu den Vorgaben“ bereitgestellt werden.

Die nachgelieferte Argumentation des RKI, so die Mitarbeiter laut Protokoll, würden die Isolationsanordnung von Lauterbach mit einem „Restrisiko“ begründen, welches vermutlich von Infizierten ausgehen würde, wenn diese sich nicht in Quarantäne befinden. Zur Erinnerung: Zu diesem Zeitpunkt waren bereits über 63 Millionen Menschen doppelt geimpft und 50,5 Millionen Menschen hatten drei Spritzen erhalten.

Werbung