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Zwischenfazit

Zwei Jahre konservativer Regierungswechsel in Schweden – ernüchternde Bilanz

Seit nunmehr zwei Jahren regiert in Stockholm eine liberal-konservative Minderheitsregierung unter Duldung der rechten Schwedendemokraten, sie sollte einen Wandel bringen, gerade auch bei der Bandenkriminalität. Dennoch sieht die Bilanz eher ernüchternd aus.

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Vor fast genau zwei Jahren, am 18. Oktober 2022, löste in Schweden eine liberal-konservative Regierung unter Ministerpräsident Ulf Kristersson die Regierung der Sozialdemokraten ab. Koalitionspartner sind die zentristische Partei Moderaterna, die christlich-konservativen Kristdemokraterna, sowie die wirtschaftsliberalen Liberalerna. Erstmals waren auch die rechten Schwedendemokraten in die Regierungsbildung involviert. Zwar sind sie nicht Teil der Koalition, aber sie tolerieren die Minderheitsregierung um Ministerpräsident Kristersson. Im Gegenzug erhielten die Schwedendemokraten einige programmatische Zusagen und konnten zudem eine Regierungsbeteiligung der von ihnen ungeliebten Sozialdemokraten verhindern.

Eine Beteiligung an der Regierung wollten die drei anderen Parteien den Schwedendemokraten aber nicht zugestehen. In Anbetracht der Tatsache, dass die Schwedendemokraten fast genauso viele Parlamentssitze errungen hatten wie die drei Koalitionspartner zusammen, war diese Entscheidung bemerkenswert. Denn die Schwedendemokraten haben ihren Ruf als kontroverse Außenseiter in den letzten Jahren zunehmend abgelegt.

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Vor allem der langjährige Parteichef Jimmie Åkesson hatte in einem fast zwanzig Jahre andauernden Prozess die Professionalisierung der Partei forciert, ihr ein bürgerliches Gesicht gegeben und Parteimitglieder mit extremen Ansichten aus der Partei ausgeschlossen. Selbst das Parteilogo, bestehend aus einer stilisierten brennenden Fackel, wurde abgeändert und durch eine freundliche Blume in den schwedischen Landesfarben Gelb und Blau ersetzt. Doch selbst in dieser milden und bürgerlichen Form waren die Schwedendemokraten der zentristischen Koalition augenscheinlich noch zu extrem für eine Beteiligung an der Regierung. Die Hoffnung vieler konservativer Schweden auf einen echten Politikwechsel wurde somit gedämpft.

Dabei wäre dieser dringend nötig. Schweden leidet in den letzten Jahren vor allem unter zwei großen Problemen: Zum einen ist da die Wirtschaft, die stagniert und zur vergleichsweise hohen Arbeitslosenquote von 8,3 Prozent beiträgt. Die Wirtschaftslage schwächt zudem den Wechselkurs der schwedischen Krone, was zu einem erheblichen Kaufkraftverlust der Schweden geführt hat. Zum anderen kämpft das Land seit knapp zwei Jahrzehnten mit stark zunehmender Gewaltkriminalität. Verantwortlich dafür sind in erster Linie Banden junger Gewalttäter nicht-europäischer Abstammung, deren Familien während der Neunziger und frühen Zweitausender Jahre nach Schweden einwanderten, als das Land die wohl großzügigste Einwanderungspolitik der Welt hatte.

Gerade das eskalierende Gewaltproblem hatte viele Schweden dazu getrieben, 2022 für den Regierungswechsel zu stimmen. Im Wahlkampf war es das mit Abstand am meisten diskutierte Thema, denn es gehört zum Selbstverständnis vieler Schweden, Einwohner eines friedlichen und sicheren Landes zu sein. Diese Gewissheit wurde durch die zahlreichen brutalen Gewaltakte zunehmend in Mitleidenschaft gezogen. Die Sozialdemokraten, traditionell die mit Abstand stärkste Partei im schwedischen Parteispektrum, sowie ihre linken Regierungspartner hatten lange versucht, den Zusammenhang zwischen der Migration und dem Ansteigen der Gewaltkriminalität zu leugnen. Auch die drei Parteien, die nun die Regierung stellen, hatten diesen Zusammenhang lange bewusst ignoriert, ihn jedoch etwas früher als die Sozialdemokraten thematisiert und Lösungsansätze vorgeschlagen. Es macht also Sinn, das Problem der Gewaltkriminalität hier als erstes zu betrachten.

Während in Deutschland vor allem die organisierte Kriminalität auf dem Vormarsch ist, haben die Schweden ein etwas anders gelagertes Problem. Die Banden, die in schwedischen Städten ihr Unwesen treiben, sind vergleichsweise unorganisiert. Sie bestehen in der Regel aus jungen Männern, oft noch minderjährig und fast ausschließlich mit arabischem und afrikanischem Migrationshintergrund. Neben ihrer ohnehin hohen Gewaltaffinität führt der geringe Organisationsgrad der Banden zu zahlreichen Konflikten zwischen Gruppierungen, die dieselben Gebiete für ihre kriminellen Geschäfte beanspruchen. Dadurch befinden sie sich fast permanent in gewalttätigen Auseinandersetzungen miteinander, um ihr Territorium zu verteidigen oder zu erweitern. Diese führen sie mit äußerster Brutalität, unter der Zuhilfenahme von Schusswaffen, improvisierten Sprengsätzen und Handgranaten. Die Gewalt erreicht dadurch immer neue traurige Höhepunkte, insbesondere in den Vorstädten schwedischer Städte.

Dabei kommen häufig auch Unbeteiligte zu Schaden. Oft werden sie bei Sprengattacken auf Wohnhäuser oder Geschäfte verletzt, oder kommen bei Schießereien in die Schusslinie und werden so in Mitleidenschaft gezogen oder gar getötet. Zudem terrorisieren die schwerbewaffneten und gewaltbereiten Gruppen oft die Bewohner ganzer Viertel und bedrohen, verletzen oder töten Menschen, weil ihnen diese nicht genügend „Respekt“ zollen. So geschah es beispielsweise, als der 39-jährige Familienvater Mikael J. im April wegen einer Belanglosigkeit mit den Mitgliedern einer Gang in Streit geriet und vor den Augen seines Sohnes ermordet wurde.

Der mutmaßliche Täter, ein 18-jähriger namens Mohamed M., der als Kind mit seiner Familie aus dem Irak nach Schweden eingewandert war, wurde erst einen Monat später festgenommen. Ungewöhnlich sind solche Fälle leider nicht, auch wenn der Fall von Mikael J. aufgrund seiner schockierenden Banalität und dem Tatort, am Rande eines belebten Platzes einer Stockholmer Vorstadt und zudem am helllichten Tage, besonders viel Aufmerksamkeit generierte. Um der Gewalt zu begegnen, verabschiedete die aktuelle Regierung im Oktober 2023 ein Gesetz, welches härtere Strafen für Verbrechen vorsieht, die im Zusammenhang mit Bandenkriminalität verübt werden. Zudem wurde die Polizeipräsenz in bekannten Problemvierteln stark erhöht, eine Maßnahme, die bereits die sozialdemokratische Regierung ergriffen hatte.

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Trotz allem ist die Gewaltkriminalität in den letzten zwei Jahren nur unmerklich zurückgegangen. Wer schwedische Zeitungen liest, der entdeckt fast jeden Tag einen Artikel über Schießereien oder Mordversuche, auch zu Sprengstoffattacken kommt es mehrmals pro Woche. Laut schwedischer Kriminalstatistik gab es im Jahr 2023 121 Fälle tödlicher Gewalt in Schweden, verglichen mit 116 im Jahr 2021 und 113 im Jahr 2020. Im laufenden Jahr 2024 scheint diese Zahl leicht gesunken zu sein, abschließende Statistiken liegen aber noch nicht vor.

Die Rate an tödlicher Gewalt in Schweden bleibt daher rund 50 Prozent höher als in Deutschland. Einen echten Erfolg bei der Kriminalitätsbekämpfung kann die Regierungskoalition bislang nicht vorweisen. Ob die ergriffenen Maßnahmen in den kommenden Jahren ihre Wirkung entfalten werden, bleibt abzuwarten. Die Forderung der Schwedendemokraten, in Bandenkriminalität verwickelten Migranten vermehrt die schwedische Staatsbürgerschaft zu entziehen und sie abzuschieben, wurde von der Regierungskoalition bislang hingegen nicht umgesetzt.

An der Wirtschaftsfront ist der Erfolg der neuen Koalition ebenfalls bescheiden. Zwar hat sich der Wechselkurs der schwedischen Krone im letzten Jahr wieder etwas stabilisiert, doch die Arbeitslosigkeit ist seit 2022 nicht gesunken und das Wirtschaftswachstum war 2023 negativ. Auch für 2024 ist ein Wachstum von lediglich 0,2 Prozent prognostiziert. Die schwedische Wirtschaft befindet sich in einer ernsthaften Krise.

Im September dann eine Hiobsbotschaft: Das schwedische Unternehmen Northvolt, ein Hersteller von Lithium-Ionen-Akkus, kündigte wirtschaftliche Probleme an und entließ Anfang Oktober fast ein Drittel seiner Belegschaft. Northvolt war lange ein Hoffnungsträger für die schwedische Wirtschaft gewesen, als führender Hersteller einer „Zukunftstechnologie“ im von Traditionsunternehmen geprägten Land. Doch der schleppende Absatz von Elektroautos in Europa, sowie die starke Konkurrenz chinesischer Akkuhersteller, haben Northvolts Marktaussichten getrübt. Dazu kommen akute Finanzierungsprobleme, da die Expansion der Fertigung Milliarden schwedischer Kronen verschlingt.

Trotz allem sind die Schweden in Bezug auf die Wirtschaft nicht allzu pessimistisch. Grund dafür sind wohl das allgemein hohe Wohlstandsniveau und der gut entwickelte Sozialstaat. Eine repräsentative Studie der EU aus dem Frühling stellt fest, dass nur 10 Prozent der Schweden die wirtschaftliche Lage als großes Problem für das Land ansehen. Selbst der Kaufkraftverlust durch den schlechten Wechselkurs kann daran wenig ändern. Im Vergleich: Ganze 41 Prozent der Schweden haben hingegen ernsthafte Sorgen um die Kriminalität in ihrem Land. Laut der Umfrage wird die Kriminalität daher als größtes Problem, mit dem Schweden aktuell konfrontiert ist, wahrgenommen. Interessanterweise ist dieser Wert höher als in der gleichen Umfrage aus dem Sommer 2022, vor der Wahl der aktuellen Regierung. Auch damals wurde die Kriminalität bereits als größtes Problem in Schweden wahrgenommen, jedoch nur von 34 Prozent der Befragten.

Es ist daher nicht überraschend, dass das Vertrauen in die Regierung zwischen den zwei Umfragen abgenommen hat. Daher ist es auch nicht erstaunlich, dass in aktuellen Wahlumfragen die linke Opposition wieder in Führung liegt. Insbesondere in Bezug auf die Bekämpfung der Gewaltkriminalität, ein zentrales Wahlversprechen der aktuellen Regierungsparteien, scheinen viele Schweden von der liberal-konservativen Regierung enttäuscht zu sein. Von dieser Schwäche profitieren die Sozialdemokraten, die sich wieder von ihrem historisch schlechten Abschneiden bei der letzten Parlamentswahl erholt haben. Die Schwedendemokraten leiden hingegen nicht unter dem Vertrauensverlust in die Regierung, ihre Umfragewerte sind weitgehend stabil.

Alles in allem ist die Bilanz der liberal-konservativen Regierungsarbeit bislang eher ernüchternd. Die Wirtschaft stagniert weiterhin und das Problem der Gewaltkriminalität hat sich nur unbedeutend abgeschwächt. Die vollmundigen Versprechungen der Parteien um Ministerpräsident Kristersson haben sich nicht erfüllt, lediglich den Beitritt zur NATO kann die Regierung als echten Erfolg vorweisen. Wenn das so bleibt, wird es die Regierung schwer haben, wenn die Schweden im Herbst 2026 wieder zur Wahl schreiten.

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