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Corona-Soforthilfen

Wirtschaftsministerium fordert ohne Grundlage Milliarden-Rückzahlungen – Tausende Klagen

Insgesamt fünf Milliarden Euro fordert das Wirtschaftsministerium von Unternehmen zurück, die Corona-Soforthilfen erhielten. Für diese Rückforderungen fehlt der Behörde allerdings bis heute die abschließende Prüfung, man agiert auf der Grundlage von Schätzungen – tausende Klagen wurden eingereicht.

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Während der Corona-Pandemie musste der Einzelhandel immer wieder pausieren. Um die massiven Verluste auszugleichen, rief der Bund die Corona-Soforthilfen ins Leben – fordert die Gelder jetzt aber wieder zurück.

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Eigentlich sollten die Corona-Soforthilfen vor allem kleineren Unternehmen während der Corona-Pandemie wirtschaftlich unter die Arme greifen. Doch schon länger möchte die Bundesregierung die Milliardensummen, die seit März 2020 investiert wurden, wieder eintreiben. Dabei liegen dem Bundeswirtschaftsministerium (BMWK) zu diesem Zeitpunkt keinerlei Erkenntnisse vor, wer für die Zahlungen qualifiziert war und wer die Soforthilfen zu Unrecht erhielt, berichtet die Tagesschau.

Denn diese Evaluation soll erst Ende 2025 in einem Abschlussbericht zusammengefasst werden. Und trotzdem hat das BMWK bereits eigene Schätzungen aufgestellt, laut denen rund fünf Milliarden Euro ausgezahlt wurden, obwohl die betroffenen Unternehmen entweder gar kein Anrecht auf die Zahlungen hatten oder zu viel Gelder erhielten.

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Deswegen hat das BMWK bis heute Rückzahlungen von 400.000 Unternehmen erbeten oder gar erhalten – 3,5 Milliarden Euro wurden bereits eingezahlt. Aber möglicherweise ohne eine abschließende Evaluation. Das Problem mit den Soforthilfen: Seit März 2020 wurden bundesweit etwa 13 Milliarden Euro an rund 1,8 Millionen Einzelunternehmer und Selbstständige ausgeschüttet – allerdings ohne großen bürokratischen Aufwand.

Was erst einmal gut klingt, könnte jetzt zum Bumerang werden. Unbürokratisch und unverbindlich sollte das Geld an all diejenigen ausgezahlt werden, die eine Existenzbedrohung oder Zahlungsschwierigkeiten nachweisen konnten. In solchen Fällen sollte das Geld nicht zurückgezahlt werden – und dennoch sammelt das BMWK schon seit kurz nach Beginn der Soforthilfen von Hunderttausenden Unternehmen die geleisteten Summen wieder ein.

Wenn das Verfahren aber so unbürokratisch war, wie ist es dem BMWK dann ohne abschließende Evaluation gelungen, bereits so viele Unternehmen als nicht existenzbedroht einzustufen und Rückzahlungen anzufordern? Das scheinen sich auch viele Unternehmer zu fragen, die sich urplötzlich und ohne Befragung durch Finanzbeamte mit einer Rückzahlungsforderung von mehreren Tausend Euro konfrontiert sahen. Daher wurden bisher über 5.000 Klagen bundesweit gegen die Rückforderungen des BMWK eingereicht. Etwa die Hälfte wurde bearbeitet – oftmals mit Erfolg.

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Auch der Bundesrechnungshof rügte das Vorgehen des BMWK bereits im vergangenen Oktober. Das Ministerium hätte derartig hohe Zahlungen nicht allein aufgrund von Schätzungen auszahlen dürfen. Je nach Bundesland variierten die ausgeschütteten Soforthilfen, bis zu 15.000 Euro konnten gezahlt werden. Laut Tagesschau erhielten Unternehmen in Thüringen 6.000 Euro, in Rheinland-Pfalz waren es schon 7.800 und in Nordrhein-Westfalen 10.500 Euro.

Gewährt das BMWK „Billigkeitsleistungen auf der Grundlage von Prognosen, muss es dafür sorgen, dass der tatsächlich eingetretene Schaden im Nachhinein belegt wird“, heißt es in dem Papier des Bundesrechnungshofes. Doch offensichtlich konnte das BMWK seine Rückforderungen nicht belegen, weil schon die Anträge auf Soforthilfen „unklare Anspruchsvoraussetzungen“ beinhalteten. Außerdem habe das BMWK nicht festgelegt, „welcher Sach- und Finanzaufwand im Einzelnen berücksichtigt werden konnte.“

Derweil gibt es starke Unterschiede in den verschiedenen Ländern. Laut Tagesschau wurden beispielsweise in Rheinland-Pfalz 63 Prozent der Anträge durchgewunken, in Nordrhein-Westfalen waren es bereits 82 Prozent und in Sachsen sehr hohe 94 Prozent. Auch die Rückzahlungsforderungen sind unterschiedlich weit fortgeschritten, denn für die endgültige Eintreibung der offenen Summen sind die jeweiligen Landesämter zuständig.

So gibt es beispielsweise in Berlin massive Verzögerungen bei der Evaluation von möglicherweise unberechtigten Auszahlungen (Apollo News berichtete). Ein weiteres Indiz dafür, dass die Vorstöße des BMWK möglicherweise zu voreilig waren und sind. In Berlin rechnet die Investitionsbank (IBB) damit, dass sich „der Prozess bis ins Jahr 2030 hinziehen“ könnte. Damit ist die Hauptstadt nicht allein: Von 16 Bundesländern hat bisher nur Brandenburg eine abschließende Evaluation beim BMWK eingereicht.

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