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Teure Spaltung statt kluger Reform? Was Strompreiszonen wirklich bringen

In Deutschland wird die Aufteilung in mehrere Strompreiszonen diskutiert. Vor- und Nachteile lassen sich abwägen – doch klar ist: Die Einführung von Strompreiszonen löst die grundlegenden Probleme des deutschen Strommarkts nicht. Eine Einordnung.

Eine Teilung des Stromnetzes in verschiedene Preiszonen wird derzeit in Deutschland diskutiert.

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Die Energiewende sorgt regional für Engpässe bei der Stromversorgung in Deutschland. Grund dafür sind vor allem die an verschiedenen Orten installierten erneuerbaren Energiequellen, deren Strom in ein großes Netz eingespeist werden muss. Die Lösung soll jetzt eine Einführung von Strompreiszonen sein, ein Gedanke, der maßgeblich durch die EU-Verordnung zum Elektrizitätsbinnenmarkt beeinflusst wird.

Diese folgt dem Prinzip, dass Strom nur verkauft werden darf, wenn er auch physisch geliefert werden kann. Das bedeutet, dass Länder mit dauerhaften Netzengpässen ihre Strompreiszonen anpassen müssen, um Verzerrungen am Markt entgegenzutreten.

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Gerade Deutschland hat durch den Ausbau der volatilen erneuerbaren Energieerzeugung zulasten versorgungsstabiler Großkraftwerke das Problem, dass die Netzinstabilität kontinuierlich gestiegen ist. Dies zeigt sich nicht zuletzt anhand der Entwicklung der Netzengpassmaßnahmen, die seit 2018/2019 deutlich zugenommen haben (siehe Abbildung 1).

Unter den Begriff der Engpassmaßnahmen fallen dabei insbesondere die sogenannten Redispatch-Maßnahmen, bei denen die Einspeisung gezielt angepasst wird, um Netzengpässe zu vermeiden. Auch die komplette Abregelung von erneuerbaren Erzeugern, wenn deren Erzeugung vom Netz nicht mehr aufgenommen werden kann, gehört hierzu.

Letztere hat insbesondere durch den Ausbau der Photovoltaik-Erzeugung zugenommen, was sich besonders deutlich in Bayern beobachten lässt. Dort müssen in den Mittagsstunden immer mehr Anlagen abgeregelt werden: Waren dies in Bayern im Jahr 2023 noch 382 GWh, so stieg diese Menge 2024 auf 981 GWh – das entspricht etwa einem Achtel des Stromverbrauchs des Saarlands.

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Abb. 1: Entwicklung der Netzengpassmaßnahmen in Deutschland, Quelle: eigene Grafik auf der Basis der Monitoringberichte der Bundesnetzagentur

Netzengpassmaßnahmen sind jedoch nicht nur aufgrund des schwankenden Angebots erneuerbarer Energien notwendig, sondern auch durch regionale Unterschiede in der Stromerzeugung, die sich durch die Energiewende ergeben haben. Dies betrifft vor allem die Windkraft, deren erzeugte Strommenge von der dritten Potenz der Windgeschwindigkeit abhängt und daher besonders in Norddeutschland konzentriert ist.

In Wetterlagen mit hohem Windaufkommen produzieren die Windkraftanlagen Norddeutschlands hohe Strommengen, die aufgrund begrenzter Leitungskapazitäten jedoch nicht nach Süddeutschland übertragen werden können. Passiert dies zu Zeitpunkten geringer Solareinstrahlung, also nachts oder im Winter, leidet Süddeutschland unter Strommangel.

In genau dieser Situation könnte eine Teilung des deutschen Strommarktes in zwei oder mehr Stromzonen einen Konstruktionsmangel der Energiewende entschärfen: Die Mangelsituation in einer süddeutschen Stromzone würde zu steigenden Strompreisen führen, wodurch mehr Kraftwerke am Netz bleiben und der Redispatchbedarf geringer ausfällt. Nach Berechnungen des Verbands der europäischen Übertragungsnetzbetreiber (ENTSO-E) belaufen sich die jährlichen volkswirtschaftlichen Einsparungen auf 250 bis 340 Millionen Euro, also etwa 10 Prozent der Kosten des Netzengpassmanagements.

Dem stehen jedoch massive Nachteile gegenüber: Der wohl größte Faktor ist der erwartete Anstieg der Strompreise in Süddeutschland. Die Preisdifferenz zwischen verschiedenen Gebotszonen wird zwar im Durchschnitt unter 1 ct/kWh erwartet und dürfte daher für Privathaushalte kaum spürbar sein, für energieintensive Unternehmen bedeutet sie jedoch einen zusätzlichen Wettbewerbsnachteil.

Wer argumentiert, dass dies zu einer Verlagerung der energieintensiven Produktion von Süd- nach Norddeutschland führen könnte – quasi als „Belohnung“ für den dortigen Ausbau der Windkraft –, sollte bedenken, dass sich in der Nähe von Süddeutschland auch für Investitionen attraktive Länder wie Ungarn befinden. So hat Bosch kürzlich die Verlagerung zweier Produktionsstandorte nach Ungarn angekündigt – eine Entwicklung, die sich durch steigende Energiekosten in Süddeutschland weiter verstärken könnte.

Darüber hinaus sind kleinere Strommärkte grundsätzlich mit strukturellen Nachteilen verbunden: Durch die geringere Marktliquidität steigt die Marktmacht einzelner Anbieter, sodass weitere Preissteigerungen als Folge einer reduzierten Wettbewerbsintensität zu erwarten sind.

Zudem sind kleinere Märkte weniger widerstandsfähig gegenüber extremen Marktschwankungen. Das zeigen die Erfahrungen von Norwegen und Schweden, deren südlichste Stromzonen stark durch Stromexporte geprägt sind – vor allem nach Deutschland und, im Falle Norwegens, auch nach Großbritannien. Kommt es in den Zielländern zu Dunkelflauten, so steigen dort die Strompreise – ein Effekt, der sich direkt auf die skandinavischen Gebotszonen überträgt und dort ebenfalls für deutliche Preissteigerungen sorgt. Dieser Mechanismus führt regelmäßig zu Unmut bei Verbrauchern in Norwegen und Schweden.

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Idee von Strompreiszonen zwar situativ Vorteile für Deutschland bieten kann, insgesamt jedoch mehr Probleme als Lösungen schaffen könnte. Insbesondere adressiert sie nicht das Kernproblem der steigenden Systemkosten, die durch die zunehmende Abhängigkeit von Wind- und Solarenergie entstehen. 

Das zentrale Problem unserer Strompreiskrise liegt darin, dass versorgungsstabile Großkraftwerke durch eine Vielzahl kleiner, volatiler Erzeuger ersetzt wurden. Dies führt zu hohen Netzkosten, die unabhängig von der Anzahl der Strompreiszonen ein ungelöstes Problem bleiben und langfristig den Strompreis in Deutschland weiter unter Druck setzen.

Die neue Bundesregierung hatte die Schaffung mehrerer Strompreiszonen zunächst als offene Option in ihrem Sondierungspapier berücksichtigt, hat diesen Punkt jedoch im Koalitionsvertrag vollständig gestrichen. Diese Entscheidung wird mehrheitlich von den großen Industrieverbänden sowie dem Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft unterstützt.

Ausschlaggebend hierfür waren wohl insbesondere die Bedenken der CSU, dass eine solche Maßnahme die Stromprobleme in Bayern weiter verschärfen könnte. Doch gerade hier müsste die CSU ihre eigene Verantwortung für diese Entwicklung hinterfragen: Diese Stromkrise des Freistaats hätte sich nicht in diesem Ausmaß entfaltet, wenn sich die Partei für die Erhaltung der süddeutschen Kernkraftwerke eingesetzt hätte.

Diese Erkenntnis scheint sich jedoch in der bayerischen Politik nicht durchgesetzt zu haben. So betonte der CSU-Generalsekretär kürzlich in der Sendung Markus Lanz, dass auch er eine Reaktivierung der Kernkraftwerke nicht weiterverfolgen möchte und stattdessen im windschwachen Bayern auf die Windkraft setzen will.

Bei solchen Aussagen wird man zwangsläufig an ein bekanntes, aber nicht gesichertes Einstein-Zitat erinnert: „Probleme kann man niemals mit derselben Denkweise lösen, durch die sie entstanden sind.“


Dr. Christoph Canne ist Dipl.-Chemiker, Dipl.-Kaufmann, Vorstand und Pressesprecher der Bundesinitiative VERNUNFTKRAFT e.V. www.vernunftkraft.de

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22 Kommentare

  • Es wird wohl keinen Unternehmer geben, der sein energieintensives Unternehmen von Süd – nach Norddeutschland verlegt. Wer seine sieben Sachen packt, geht ganz raus aus Deutschland. Mir fällt kein einziger Grund ein, wie man ihm das ausreden könnte.

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  • Das alles klingt eher nach Probleme verwalten“ als nach „Probleme lösen“.

  • Ein Vertrag mit den tschechischen AKW Betreibern und die Bayern brauchen nicht einmal mehr die Nord Süd Trasse. Dann bleibt das Windproblem in Norddeutschland. Wenn man noch den Länderfinanzausgleich neu verhandelt, wäre Bayern die meisten Probleme los.

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  • Nebenbei:
    Der DB Schnüffel-Navigator ist voller Tracker, die persönliche Daten einer Reise sammeln und weiterleiten. Die Daten von Millionen Fahrgästen landen so bei den großen Datenkraken.
    Digitalcourage hat die Bahn deswegen bereits 2022 verklagt. Am 19. Mai 2025 wird unsere Klage nun endlich vor dem Landgericht Frankfurt am Main verhandelt.
    Die lange Verfahrensdauer ist eine Folge der Taktik der Bahn: Anstatt den DB Navigator datenschutzkonform zu machen, hat die Bahn versucht, uns auszubremsen.
    Nach Einreichung der Klage übertrug die DB Vertrieb GmbH den Betrieb an die DB Fernverkehr AG. Dies führte nicht nur zu einer erheblichen Verzögerung des Prozessbeginns durch einen notwendigen Gerichtswechsel, sondern verdoppelte gleichzeitig auch den Streitwert.
    Trotz aller Tricks der Bahn bleiben wir hartnäckig.
    Doch die Klage kostet uns viel Geld: Gerichtskosten, Anwaltsgebühren, Reisekosten – die lange Dauer treibt unsere Kosten in die Höhe.
    digitalcourage.de – Bitte helfen Sie uns

  • „In Wetterlagen mit hohem Windaufkommen produzieren die Windkraftanlagen Norddeutschlands hohe Strommengen, die aufgrund begrenzter Leitungskapazitäten jedoch nicht nach Süddeutschland übertragen werden können.“ Diesen Satz möchte ich doch mal genauer hinterfragen. Wie häufig kommt es denn zu dieser Situation? Sieht man sich die Agora Daten an, dann hat die Windkraft diesen Winter und auch im Frühjahr eher schwach abgeliefert und das bundesweit. Da muss man doch erst mal hinterfragen, lohnt sich so ein Netz überhaupt, wenn darüber dann doch keine verlässlichen Lieferungen kommen und es weiterer Absicherungen bedarf.

    8
  • Diese Energiewende ist der grösste Schwachsinn, der jemals in Deutschland verzapft wurde. Anstatt erst mal alles durchzuspielen, zu planen und zu kalkulieren wurden einfach Tatsachen geschaffen von Leuten, die ihre Ideologien durchdrücken wollten. Nun könnte man meinen, die CDU Regierung – Herrn Merz lag übrigens das Angebot vor AKWs relativ schnell wieder an Netz gehen zu lassen – beschäftigt sich endlich mal mit diesem Wahnsinn und zwar im Sinne der Industrie. Nein, sie bläst ins gleiche links/grüne Horn der ehemaligen Ampel. Alles, aber auch alles, was hier passiert ist nur noch dafür da, die Wirtschaft zu zerstören und uns unser Geld aus der Tasche zu ziehen. Da unterscheidet sich die jetzige Regierung nicht von der Ampel.

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  • Wir sollte.n endlich alles rückgängig machen , wir hatten eine tolle Stromversorgung und früher haben wir Strom verkauft und daran verdient. Und das russische Gas bekommen wir doch über acht Ecken weiter. Lasst 💙 regieren und man kann noch schlimmeres verhindern.

  • Richtig witzig wird das alles erst, wenn hier die längst überfälligen Vulkane bei uns auch dem letzten ein deutliches Lebensteichen geben und alles einfach mal dunkel wird und eine Weile bleibt.^^

    „… In der Osteifel kam es während der letzten 450.000 Jahre durchschnittlich alle 5.000 bis 10.000 Jahre zu einem Vulkanausbruch, schreibt das Landesamt für Geologie und Bergbau Rheinland-Pfalz. In der Osteifel ereignete sich der letzte Vulkanausbruch, ein sehr heftiger, vor rund 13.000 Jahren: Sechs Kubikkilometer Material sind ausgeworfen worden, Ascheablagerungen konnten bis nach Südschweden und Norditalien nachgewiesen werden. …“
    Quelle: https://www.ardalpha.de/wissen/natur/naturgewalten/vulkan-vulkanismus-deutschland-eifel-bayern-oberpfalz-magma-102.html

  • Ich habs. wir bauen die ernauerbaren im norden zurück und machen einheitlich hohe strompreise wie im süden.

    3
  • Na, billiger wird Nichts unter dem Motto: „Eine Bereicherung des Staates ist keine strafbare Handlung im Sinne des Gesetzes“ (Staatsanwaltschft)

  • Der Rückbau Erneuerbarer auf US amerikanisches LNG wird euch sicher den billigstsen Strom ever bringen, versprochen. 🤣

    Und wenn hier dann die totale amerikanische Gasabhängigkeit erreicht ist, dann wirds richtig billig, ich schwör! 🤣

  • Schon klar, jetzt wo Trump am Drücker ist brauchen wir ganz viele Gaskraftwerke, die hauptsächlich mit amerikanischem LNG betrieben werden.

    Wird bestimmt viel billiger, vor allem, wenn wird Wind und Strom gar nicht mehr einspeisen. 🤣

    PS
    Ernauerbare Überkapazität abschalten geht übrigens. Woran lags dann in Spanien tatsächlich?

  • Energiewende und Strompreiszonen, so einen Quatsch können sich auch nur Deutsche ausdenken.

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