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Rishi Sunaks Kamikaze-Fahrt – und das große Momentum für Farage

Rishi Sunak zeigt sich im Fernsehen genervt von Veteranen-Gedenkveranstaltungen - sein Absturz drei Wochen vor den britischen Wahlen ist beispiellos. Aus dem Nichts macht Nigel Farage jetzt Boden gut - und landet in ersten Umfragen fast schon gleichauf mit den Tories.

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„Ja, es hat sich alles länger hingezogen“, sagt Rishi Sunak genervt. Das waren die ersten Worte des Premierministers im Interview mit dem Sender ITV für das er vorzeitig von den Feierlichkeiten zu 80 Jahren D-Day in der Normandie abreiste. Auf dem Gruppenfoto tauchte so Außenminister David Cameron statt Sunak neben Joe Biden, Emmanuel Macron und Olaf Scholz auf.

Das bereits hatte in Großbritannien eine große Kontroverse ausgelöst: Für Wahlkampf-Interviews von dem historischen Jubiläum abreisen? Ein desaströses Bild für den sowieso schon bedrängten Premierminister. Sunak berief sich dann darauf, dass die rein britischen Veranstaltungen ja bereits vorbei gewesen sein, aber sah sich trotzdem zu einer Entschuldigung gezwungen: „Im Nachhinein war es ein Fehler, nicht länger in Frankreich zu bleiben“, gab er auf Twitter/X zu.

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Jetzt wurde eben jenes Interview ausgestrahlt, für das er extra früher aus der Normandie zurückflog – und dürfte die Sache nur noch unangenehmer für Sunak machen. „Es war unglaublich, aber es ist einfach länger [als geplant] gelaufen“, wiederholt Sunak und schiebt dann hinterher: „Ich habe Präsident Bidens Rede noch nicht gesehen, aber naja, das sind so die Nach-Echos davon“, winkt der Premierminister ab, nur um dann natürlich einmal seinen Respekt für die britischen Veteranen zu betonen. All diese flapsigen Sprüche dürften ihm jetzt hoch peinlich sein.

Eigentlich geht es hier um sein politisches Überleben – und das seiner Partei. Der Absturz der Konservativen in nur wenigen Jahren ist wohl beispiellos. 2019 sicherte sich die Partei noch unter Führung von Boris Johnson einen historischen Erdrutschsieg, ein 40-Jahreshoch. Jetzt, nur fünf Jahre später, steht die Partei, die Großbritannien im vergangenen Jahrhundert immerhin 67 Jahre lang regiert hat, vor dem Abrutsch auf einen abgeschlagenen dritten Platz.

Das zeigen Umfragen, mit denen die Partei zum Teil selbst verzweifelt wirbt. So käme Labour auf 490 Sitze, die linksliberalen Liberal Democrats auf 61 Sitze und erst dahinter die Tories mit 57 Abgeordneten im Unterhaus. Das würde bedeuten, die Partei wäre dann im Parlament kaum größer als ein Zehntel (!) ihrer Hauptkonkurrenten von Labour. Ein brutaler Abstieg.

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Warum die Partei Werbung mit solchen Umfragen schaltet? Um zu verhindern, dass noch mehr Wähler abwandern – nämlich nach rechts. Denn dort macht Brexit-Verfechter Nigel Farage den Konservativen mächtig Konkurrenz und kostet ihnen wichtige Wählerstimmen aus dem konservativen Lager. Durch das Mehrheitswahlsystem könnte dank dieser Zersplitterung noch mehr Sitze an Labour gehen, davor warnen jetzt die Tories und zeigen in der Umfrage, dass Farage sowieso keinen Sitz bekommen würde.

Ob das stimmt, ist fraglich. Gut möglich ist, dass Farages Partei am Ende doch eine handvoll Sitze gewinnt – was an sich schon geradezu ein historischer Erfolg wäre. In manchen Umfragen liefert seine Partei sich gar ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit den Konservativen (Apollo News berichtete). Klar ist aber auch, dass sie – zumindest, was aktuelle Sitze angeht – noch keine Aussichten haben, auf die Größe der Tories oder gar Labour zu kommen. Aber Farage scheint jetzt schlicht seine Chance zu sehen, sich als Protestpartei auch im britischen Parlament zu etablieren. Nach dem Motto: Sunak verliert sowieso, da kann ich auch dabei sein, wenn es darum geht in Westminster lautstark Opposition zu einer neuen Labour-Regierung zu bieten.

„Wahrscheinlichkeit, die größte Partei zu werden: Labour – 99 Prozent“, schreibt die britische Wahlprognosenseite Electoral Calculus. Es geht eigentlich nur noch darum, wie groß die Labour-Mehrheit wird und wie tief Sunaks Konservative fallen können, scheint es. Und der Niedergang fing schon lange vor Farages Last-Minute-Comeback an. Seit Monaten sind die Umfragewerte im Keller.

Im Grunde haben Labour und Tories nach fünf Jahren ihren Platz getauscht. Nach Johnsons historischem Sieg 2019 stand die Partei in Umfragen bei 44 Prozent, Labour dagegen am Boden bei 22 Prozent. Jetzt ist es genau umgekehrt – wenn nicht noch schlimmer.

Bei Sunak jedenfalls sieht es nicht so aus, als könnte er irgendwie das Ruder noch herumreißen. Er scheint eher von einem Fettnäpfchen ins nächste zu treten.

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