Werbung:

Werbung:

Nach dem Streit ist vor dem Streit: Koalitionsausschuss und der Ärger um das Bürgergeld

Eigentlich wollte die Koalition sich längst beim Bürgergeld geeinigt haben: Doch davon ist wenig zu erkennen. Während Merz versichert, dass die Reform bald komme und es gar keinen Streit gäbe, sieht es eher nach dem Gegenteil aus.

Die Koalition versichert, die Reform schnell umzusetzen: Zweifel daran sind berechtigt. (IMAGO/Andreas Gora)

Werbung

Die Koalition wollte es sich einfach machen im vorletzten, vorweihnachtlichen Koalitionsausschuss: einfach gar nichts beschließen. Entscheidungen waren nicht geplant, hatte Bundeskanzler Friedrich Merz schon vor Beginn der Tagung der Spitzen von Union und SPD angekündigt.

Keine Entscheidungen – und trotzdem Streit. Es geht um das Bürgergeld. Hier hatte die Union der SPD eine Reform abgerungen. Eigentlich zumindest. Das Bürgergeld sollte vor allem umbenannt werden und der Fokus sollte wieder auf Vermittlung in Arbeit gelegt werden – auch mit Sanktionen. Doch die SPD, allen voran Arbeits- und Sozialministerin Bärbel Bas, blockierte dann doch.

Alexander Dobrindt und Katherina Reiche brachten gegen den Entwurf von SPD-Arbeitsministerin Bärbel Bas Vorbehalte an. Es geht um Details bei den Kürzungen für Leistungsbezieher, die Termine im Jobcenter nicht wahrnehmen. Konkret: Die Koalition hatte eigentlich vereinbart, dass Leistungsempfänger, die Termine beim Jobcenter konsequent verweigern, nach dem dritten Versäumnis mit der vollständigen Streichung der Leistungen bestraft werden können.

Bärbel Bas hat aber andere Pläne: Der entsprechende Entwurf aus dem Arbeitsministerium sieht nur dann einen kompletten Leistungsentzug vor, wenn vorher eine persönliche Anhörung stattgefunden hat, berichtet das Handelsblatt. Sorge bei der Union: Durch das Verschleppen einer solchen persönlichen Anhörung könnten Arbeits- und Terminverweigerer die Streichung von Leistungen massiv hinauszögern und über lange Zeit verhindern.

Am Dienstag hatte Bas zu einem Gespräch geladen, um das Thema zu klären, berichtet ThePioneer – doch vonseiten des Wirtschaftsministeriums gab es eine Absage. Termingründe, wie es heißt. Aber das Vertrauen in die Sozialministerin tendiert in der Union zunehmend gegen null. Bärbel Bas, könnte man meinen, zickte zurück. In der Pressekonferenz am Morgen nach dem Koalitionsausschuss hieß es von ihr an die Adresse von Katherina Reiche gerichtet: Es sei jetzt „sehr wichtig, dass wir beim Industriestrompreis vorankommen und natürlich auch bei der Kraftwerksstrategie (…) wir unterstützen die Wirtschaftsministerin sehr, dass sie hier auch Druck in Richtung EU-Kommission macht“. Liest sich wie: Sei ruhig und mach erst mal deine Arbeit.

Lesen Sie auch:

Bärbel Bas dürfte über das Bürgergeld-Veto von ihren Kabinettskollegen gar nicht erfreut sein. Sie selbst hatte vor rund zwei Wochen bei ihrem viel kritisierten Auftritt auf dem Juso-Bundeskongress angekündigt, beim Bürgergeld noch nachverhandeln zu wollen. Dass jetzt plötzlich die Union an ihrem Gesetzesentwurf noch mal neu herangehen will – so hatte Bas sich das aber wahrscheinlich nicht vorgestellt.

Regierungssprecher Steffen Meyer hatte am Mittwoch erklärt, das Thema werde gar nicht groß im Koalitionsausschuss behandelt werden. Und auch Bundeskanzler Merz versuchte vor der Sitzung, das Thema abzubügeln: Berichten über den Ministervorbehalt entgegnete er am Mittwoch mit dem Hinweis, es gebe lediglich „noch eine Reihe von offenen Fragen, die geklärt werden müssen zwischen den beteiligten Ressorts“ – „da gibt es auch keinen Streit, sondern da gibt es Formulierungsvorschläge, die noch nicht vereinbart sind.“

Diese Beschwichtigungs-Platte hat aber einen Sprung: Schon im Oktober hatte Merz erklärt, man wolle beim Bürgergeld noch einmal über „zwei, drei Punkte“ sprechen, die offen seien. Offenbar besteht noch relevanter Diskussionsbedarf, obwohl seit Monaten auf Spitzenebene in Parteien und Fraktionen über das Thema verhandelt wird.

Bei der Union könnte neben der konkreten Sachfrage auch Frust über die Rente eine Rolle spielen: Insbesondere Wirtschaftsministerin Katherina Reiche gilt, obwohl sie dem Entwurf im Kabinett zugestimmt hatte, als Gegnerin des Rentenpakets, das Merz zusammen mit der SPD jüngst gegen starken Widerstand in der eigenen Partei und Fraktion durchgedrückt hatte. In der Koalition sind beide Partner grundsätzlich der Meinung, ständig den Kürzeren zu ziehen – hier aber ist diese Meinung für die Union nicht unbegründet.

Ein Veto also als Rache an der SPD? Unabhängig davon steht eher die Sachfrage im Vordergrund. Und die Union hat dort alle Argumente auf ihrer Seite – immerhin war die Möglichkeit des Leistungsentzugs vereinbart, und das eigentlich ohne Verzögerungsmöglichkeiten, wie sie Bas‘ Gesetzesentwurf vorsieht. Das Veto von Dobrindt und Reiche soll wohl auch ein Zeichen sein, dass die Union sich nicht immer wieder am Nasenring durch die Manege ziehen lässt. Dieser Eindruck hatte sich angesichts der Regierungs-Performance ja durchaus verfestigt.

Es geht also um eine neue Sachfrage, die Dynamik des Streits aber bleibt die gleiche. Im Grunde sind es neue Fronten im gleichen Krieg – dem Krieg von zwei Koalitionspartnern gegeneinander, die außer der Macht nichts mehr zusammenhält.

Werbung

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.

Strafbare Inhalte, Beleidigungen oder ähnliches sind verboten (hier unsere Kommentar-Richtlinien). Kommentare sind auf maximal 1.000 Zeichen limitiert.

23 Kommentare

  • Frau Bas hat nachvollziehbare Bedenken gegenüber einer persönlichen Anhörung wohl auch, weil das die Empfänger vor das unzumutbare Problem stellt, aus irgendwelchen Drittländern anzureisen.

    • Oder an mehreren Orten gleichzeitig zu erscheinen.

    • Das kann man doch bestimmt co2 neutral per Videochat machen.

  • „Keine Entscheidungen – und trotzdem Streit“ Die schnellste Entscheidung dieser Regierung war die Erhöhung der Abgeordnetendiäten und Ministergehälter

    • Und hier bitte nicht die Zustimmung zu den Ukraine Hilfen, denn hier fließt reichlich Geld auf Schwarzkonten!

  • Ich habe gesehen, wie Spezialeinheiten ausschwärmten, Bundesgrenzschutz Hubschrauber vor dem Kanzleramt landen und wenig später die Ministerrunde nach Karlsruhe verbracht wird. -aufgewacht …. Huch, schon wieder so ein Traum…. Wo kommen bloß immer diese Träumereien her ?

    • Ich denke wir hatten den selben Traum…. :-))

  • Das Bürgergeld soll umbenannt werden, das Heizungsgesetz soll umbennant werden ?? Ist das „Umbenennen“ jetzt neueste Politik ?? Hört sich eher an wie alter Wein in neuen Schläuchen.

    • Potemkinsche Dörfer.

      Wer als Schneeflöckchen fälschlicherweise glaubt, daß Worte Waffen sind (*ROFLMFAO*), der glaubt halt auch, das bloße Umbenennung Veränderung schafft.

      Das ist das infantile kognitive Gesamtniveau, das wir zu betreuen haben.

  • Unglaublich, daß es über solche mikroskopischen Änderungen soviel Streit geben kann, aber Schwarz-Rot macht’s möglich!

  • „Während Merz versichert, dass die Reform bald komme und es gar keinen Streit gäbe“

    WELT: „Während sich die Sprecher von Merz und Macron positiv über den Austausch mit Trump zur Ukraine geäußert hatten, spricht der US-Präsident von „kleinen Meinungsverschiedenheiten über Personen“. Vor einem Treffen wollte er einige Dinge wissen.“

    Es hat den Anschein, dass Herr Merz ein wunderbarer Schauspieler ist. Er vermittelt Frieden und Einigkeit, wo in Wahrheit Streit und Differenzen sind.

    Herr Merz,
    Sie verspielen immer mehr die Glaubwürdigkeit an dieses System, wie das Ergebnis der Bürgerbefragungen immer wieder zeigt.

  • MIT dem Kanzler der linken Herzen wird es keine Reform des Bürgergeldes geben!

  • einen kompletten Leistungsentzug vor, wenn vorher eine persönliche Anhörung stattgefunden hat… Dann wird es den Leistungsentzug nach SPD vorgaben niemals geben. Wie soll den eine persönl. Anhörung zustande kommen, wenn die Klientel nicht erscheinen, 18 Identitäten haben oder sich die meiste Zeit im Urlaub, in den Fluchtgrundländern, aufhalten.

    • Wenn wir dieses Problem nachhaltig lösen wollen, müssen wir alle etablierten Politiker seit merkel vor Gericht bringen. Denn Volksverrat und Schädigung des Volksvermögens sind Straftaten! Und wenn diese Leute mit ihrem Vermögen haften, dann können wir uns über die Zugereisten unterhalten!

  • Das Beste was dieser Politik-Zirkus für das Land noch tun könnte, darf ich so nicht schrieben!
    Ziel aber: Hauptsache weg! Neuwahlen!

    • Würde z.zt. nichts bringen, ausser schwarz, rot und wahrscheinlich grün. Die Hochintelligenten wollen es so. Für Schwarz Blau müssten die Merkelaner weg. Blau alleine ist noch illusorisch…

      • Leider ist es so!
        Nach den neusten Umfragen ist Deutschland nicht zu retten, weil es zu viele Seltsam-Bürger gibt!

      • Blau sollte auf keinen Fall den Fehler begehen, jetzt in irgendeine Regierungs Verantwortung zu wollen.
        Der Michel ist so dumm, das er der AfD alle diese Fehler in die Schuhe schieben würde, denn damit wäscht er sich rein, immer Mist gewählt zu haben!
        Deutschland muss erst in Schutt und Asche liegen, damit die Michels aufwachen. Haben wir schon zwei mal durch gemacht und trotzdem nichts gelernt!

  • Merz ist mal wieder in Vorleistung gegangen mit der „Rentenreform“, die Bärbel unbedingt haben wollte. Es war völlig klar, dass im Gegenzug nichts kommt. Aber schön, dass sich die Ju dafür zum Clown gemacht hat.

  • Deutschland ist zu einem Niedriglohnland verkommen! Diese nun angebliche Reform des Bürgergeldes dient nur einem Zweck, die Bürger, welche von Sozialleistungen leben, noch weiter zu verarmen. Nutznießer dieser und ähnlicher Maßnahmen sind die Konzerne und die Eliten. Leider durchschauen die wenigsten Bürger dieses Spiel und stimmen mit in dem Kanon der Politik ein und hetzen gegen arme Bürger welche von Sozialleistungen existieren. Es wird immer einige Schmarotzer geben, welche sich auf dem Rücken der Gesellschaft ausruhen. In der DDR gab es eine Arbeitspflicht und trotzdem haben etliche keine berufliche Tätigkeit ausgeführt und sich durchfüttern lassen. Das perverse an allem ist, dass viele Bürger nun gegen Bürgergeldempfänger hetzen und alle in einen Topf werfen und anderen nicht einmal die Margarine auf dem Brot gönnen. Wie kann eine Gesellschaft nur derart verwahrlosen?

  • Ich habe gerade die Pressekonferenz gesehen, da ist mir der Kitt aus der Brille gefallen. Bas meinte wirklich, die persönliche Anhörung sei notwendig, da es ja auch psychisch Kranke gibt, welche nach der dritten schriftlichen Aufforderung immer noch nicht antworten, ein psychisches Problem damit haben einen Behördenbrief zu öffnen. Wie wollen denn die Leute mit dem „Kunden“ kommunizieren? Müssen da jedesmal Übersetzer der verschiedenen Landessprachen dabei sein? Und was wollen die dann überhaupt da herausfinden? Sind das Mediziner, die psyschiche Erkrankungen diagnostizieren und attestieren können? Wenn jemand krank ist, kann er sich das von einem Arzt attestieren lassen, wozu dann noch der Hausbesuch vom Arbeitsamt? ES IST NUR NOCH KRANK ! GLAUBEN DIE WIRKLICH DEN MÜLL DEN SIE UNS ERZÄHLEN?

  • Und Merz faselt , in seiner Einfalt von einem größeren Abstand der Arbeitenden zum Bürgergeld!
    Ich bin jetzt 75 Jahre alt und höre den Schwachsinn von Politikern, Arbeit muss sich wieder lohnen, seit ca. 40 Jahren. Und was haben diese Nullen gemacht? Faulenzen lohnt sich und nicht Arbeit!

  • Die Hardcore-Sozialisten-Trulla Bas treibt sicher auch um, dass die SPD lt. Umfragen sich auf dem absteigenden Ast Richtung politisches Nirwana befindet, weshalb sie offenbar meint, mit wenig sachdienlicher Sturköpfigkeit zu den simplen Sachfragen noch Punkte bei den Wählern holen zu können.

Werbung