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Mit ihrem Aufstand sorgen CDU und BSW für eine antidemokratische Szene

Die konstituierende Sitzung des Thüringer Landtags endete im Chaos. Der 26. September markiert einen Tiefpunkt der bundesrepublikanischen Parlamentsgeschichte. Auf offener Bühne forderten CDU und BSW den Parlamentarismus heraus und versuchten gar fernab von Recht und Gesetz einen neuen Sitzungsleiter einzusetzen.

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Was sich am Donnerstag, im Thüringer Landtag abspielte, muss als Tiefpunkt der bundesrepublikanischen Parlamentsgeschichte bezeichnet werden. Die Konstituierung des Parlaments ist sowohl in der Geschäftsordnung des Bundestages als auch in der Geschäftsordnung des Landtags als rein zeremoniell-protokollarische Sitzung normiert. Was in Erfurt jedoch geschah, bricht mit sämtlichen Traditionen, die in Deutschland in den vergangenen 75 Jahren mühsam aufgebaut wurden.

Es ging übergeordnet um die Wahl des Landtagspräsidenten. Als stärkste Fraktion mit 32 von 88 Mandaten beharrt die AfD auf ihrem Recht, einen Kandidaten für das Amt des Landtagspräsidenten vorzuschlagen. Die Landtagsverwaltung vertrat die Ansicht, dass dieses exklusive Vorschlagsrecht nach mehreren erfolglosen Wahlgängen erlöschen würde und alle Fraktionen Vorschläge unterbreiten können. Die CDU und das BSW wollten hier jedoch auf Nummer sicher gehen.

Die ehemalige Landtagspräsidentin Birgit Pommer (Linke) hat aus diesem Grund kurzerhand die Änderung der Geschäftsordnung zur Wahl des Landtagspräsidenten auf die Tagesordnung gesetzt. Nach der neuen Regelung sollen sämtliche Fraktionen von vornherein Vorschläge einbringen können. Um die Geschäftsordnungsänderung verabschieden zu können, ist jedoch vorab die Feststellung der Beschlussfähigkeit notwendig.

Genau diese wollte die CDU und allen voran ihr parlamentarischer Geschäftsführer Andreas Bühl einfordern. Jürgen Treutler, der Alterspräsident von der AfD, wurde schon in Tagesordnungspunkt eins frühzeitig von Bühl während seiner Ansprache unterbrochen. Andreas Bühl wollte einen Geschäftsordnungsantrag zur Feststellung der Beschlussfähigkeit einbringen. Das Stellen eines Geschäftsordnungsantrags zu diesem Zeitpunkt ist nicht nur überaus unüblich, sondern auch rechtlich umstritten.

Warum das Mikrofon für Bühl – sowie im weiteren Verlauf auch für die übrigen parlamentarischen Geschäftsführer – durchweg freigegeben war, ist eine offene Frage. Auf eine entsprechende Apollo News-Anfrage hat die Landtagsverwaltung bisher nicht geantwortet. Die parlamentarischen Geschäftsführer kamen hier nach Beratungen zu dem Konsens, dem Alterspräsidenten Gelegenheit für seine Ansprache einzuräumen.

Im Laufe der Sitzung kristallisierte sich jedenfalls eindeutig heraus, dass Treutler der rechtlichen Auffassung folgt, dass keine Anträge zur Geschäftsordnung im Rahmen der konstituierenden Sitzung gestellt werden können. An dieser Stelle hätte die Union oder eine der übrigen Fraktionen Rechtsschutz verlangen, den Thüringer Verfassungsgerichtshof anrufen und damit einen Abbruch der Sitzung herbeiführen können. Was stattdessen folgte, war wüstes Gepöbel. „Es ist eine Katastrophe, wie die AfD die Demokratie am Nasenring durch die Manege treibt“, rief BSW-Chefin Katja Wolf. Andreas Bühl erklärte sogar: „Was Sie hier betreiben, ist Machtergreifung.“

Was Bühl und Wolf daraufhin jedoch selbst plötzlich einforderten, ist ein Novum in der Parlamentsgeschichte der Bundesrepublik Deutschland. Als Treutler die Sitzung ein weiteres Mal unterbrach, probten Andreas Bühl sowie BSW-Chefin Katja Wolf offen den Aufstand gegen den Sitzungsleiter. In einem in der Parlamentsgeschichte der Bundesrepublik einmaligen Vorgang blieben sie nach Ankündigung der Sitzungsunterbrechung demonstrativ auf ihren Plätzen sitzen.

Mittels des noch immer eingeschalteten Mikros forderte Bühl dann den zweitältesten Abgeordneten auf, die Sitzungsleitung zu übernehmen. Als sich hier erkennbar niemand angesprochen fühlte, ergriff kurzerhand Katja Wolf das Wort und deklinierte die Altersfolge schlicht weiter durch. Sie forderte nun den drittältesten Mandatsträger dazu auf, die Sitzungsleitung zu übernehmen. Unter dem lautstarken Applaus aller Fraktionen, abgesehen von der AfD, wollten die CDU und das BSW hier Tatsachen schaffen und gegen den amtierenden Alterspräsidenten die Kontrolle übernehmen.

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Treutler führte die Sitzung zwar schlussendlich weiter fort und dennoch zeigt dieser Vorgang, welches Verständnis bei CDU und BSW vorherrscht. Die Leitung der konstituierenden Sitzung ist klar geregelt. Seit jeher wird sie vom ältesten Mitglied des Parlaments durchgeführt. Lehnt dieser die Aufgabe ab, wird das nächstältere Mitglied des Parlaments Alterspräsident. Eine Frage des Applauses oder der Aufforderung durch Fraktionsvorsitzende oder parlamentarische Geschäftsführer ist die Besetzung dieses Postens selbstverständlich nicht.

Mario Voigt erklärte im Anschluss an die Sitzung, dass „der Alterspräsident nicht unparteiisch agiert, sondern im Prinzip als Höcke-Puppe“. Weiter erklärte Voigt: „Er tritt die Demokratie im hohen Haus mit Füßen“. Dabei sollte Voigt sich an die eigene Nase fassen. Was am Donnerstag geschehen ist, markiert den Tiefpunkt der parlamentarischen Demokratie seit 1945 und offenbart, welche absurden und antidemokratischen Blüten inzwischen die Brandmauer-Debatte schlägt. Das gesamte Land Thüringen hat am 26. September schweren Schaden genommen.

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