„Hunderttausende Arbeitsplätze“ dank Energiewende – Habecks Buch ist ein Brief aus einer Parallelwelt
Robert Habeck hat ein Buch geschrieben - was wie ein Mutmacher wirken soll ist eigentlich ein Aufbau von Selbstinszenierung und Selbstmitleid. Echte Erkenntnisse findet man wenig, dafür einige wirklich bemerkenswerte Ansichten von Habeck.

Robert Habeck hat ein Buch geschrieben: „Den Bach rauf“, heißt es, „eine Kursbestimmung“ soll es sein. Wer sich vom ersten Schriftsteller der Nation jetzt ein literarisches Meisterwerk erhofft hat, wird enttäuscht werden – das Buch ist kurz, unstrukturiert und ohne viel Tiefgang. Aber sprachlich schön und verschnörkelt, wie man es von Habeck kennt. Die Motivation seines Buches: Er wolle „einmal aufschreiben, was ich gelernt habe, überprüfen, wer ich bin, anbieten, was wir sein können“.
Wer ist Robert Habeck, und was könnten wir alle zusammen sein? Gewichtige Fragen. Robert Habeck ist, da ist man sich nach dem Lesen des Buches sicher, immer noch der alte Robert Habeck, wie die Deutschen ihn kennen und immer weniger lieben. Der seine intellektuelle Flughöhe über den Wolken verordnet und doch ganz normal und menschlich sein will.
Zum Beispiel, wenn er schildert, wie ihn die negativen Nachrichten aus aller Welt zermürben würden. Dass er manchmal das Bedürfnis habe, sich „aus diesem Getöse zurückzuziehen, die Welt in ihrer Raserei auszusperren und meine eigene kleine zu schützen“. Er schildert, dass er schlechte Laune kriegt, wenn er wegen der Deutschen Bahn seinen Anschlusszug in irgendeinem norddeutschen Ort verpasst. Robert, der Volkskanzler.
Ich, Robert, und mein Deutschland
Doch gerade die politischen Ereignisse hätten ihn so belastet, schildert er fast schon rührselig – da habe er sich schon mal gefragt: „Soll ich aufhören mit der Politik? Warum ist es eigentlich mein Problem, warum mache ich es zu meinem, warum geht es mich etwas an?“ Doch dann erklärt er poetisch, warum es ihn, den Vizekanzler und Wirtschaftsminister, doch etwas anginge: „Es – das ist das, was um mich herum geschieht. Hier. Da, wo ich lebe. Heute. Jetzt. In meiner Zeit. Das, was geschieht durch viele. Auch durch mich.“
Da, wo er lebt – das ist Deutschland. Und zu seinem Verhältnis zu diesem Land schreibt Habeck auch. Er, der einst zu Protokoll gab: „Vaterlandsliebe fand ich stets zum Kotzen.“ Und: „Mit Deutschland wusste ich nie etwas anzufangen und weiß es bis heute nicht“. Diese berüchtigten Sätze ordnete er schon vermeintlich in dem Buch ein, in dem er sie schrieb. Und dennoch ist sein Verhältnis zu Deutschland ein seltsames, das er so wortreich wie unkonkret erklärt.
„Die Probleme gehen mich etwas an. Hier, in diesem Land. In meiner Heimat.“ Heimat – das sei „ein Begriff mit viel Geschichte, auch einer des Zwiespalts, der Umdeutungen, der Missdeutungen, des Missbrauchs. (…) Ich nenne Heimat das Land, dessen Probleme mich direkt angehen. Das mich fordert. Das Land, um das man sich kümmert, gerade wenn es schwierig wird. Das Land, zu dem ich stehe. Um dessen Gegenwart und Zukunft ich kämpfe. Das nenne ich Heimat.“ In diesem Zusammenhang ergeht er sich auch in seinen Bahn-Erzählungen – auch das sei „Heimat“. Irgendwie ein ziemlich graues, banales Verständnis von dem Mann kommend, der sonst aus allem einen pathetischen Satz oder eine bedeutungsschwangere Anekdote zaubern kann. Heimat ist, wo der Zug spät kommt und es Probleme gibt.
Bedeutungsschwangere Anekdoten liefert er im nächsten Kapitel: „Wir können entscheiden“, heißt es. Es ist ziemlich zusammenhangslos an den ersten Teil angehängt. Doch so ist eben die Struktur von Habecks Buch – eher eine lose Gedankensammlung. Hier liefert er nette Erzählungen über Begegnungen mit normalen Menschen und leitet aus ihnen ganz Großes ab: sein Buch selbst. „Menschen, die das Gelingen wollen, nicht das Misslingen. Für sie ist dieses Buch.“
Die letzten drei Jahre viel gelernt: Minister in Ausbildung
Robert Habeck ist bekanntlich der Mann, dem man beim Denken zusehen kann. Und wäre Politik ein Theaterstück, würde er noch auf der Premierenbühne seinen Text lernen. Im Kapitel „Die drei vergangenen Jahre“ reflektiert Habeck offen auf eine Zeit, in der er viel gelernt hat, wie er selbst schreibt. Auch das sehr poetisch, etwa, als er sein Nachdenken über strukturelle Probleme in Deutschland dokumentiert.
Ein normaler Politiker hätte da vielleicht einfach geschrieben: Die Strukturprobleme des Landes wurden mir so richtig bewusst. Habeck metaphorisiert über zehn Zeilen: „An dem Abend, als ich im Auto saß, um zu der Veranstaltung zu fahren, und an diese drei Jahre und die sechzehn Jahre Merkel-Regierung zuvor dachte, hatte ich plötzlich ein Bild vor Augen. Die Stürme Schleswig-Holsteins fegen manchmal über die Inseln und Küstenregionen, Sturmfluten wüten, Sand wird weggeweht und weggespült und alte Bunkerreste, Müll, Fundamente oder Verlorenes werden freigelegt. Vielleicht ist es so ähnlich mit Deutschland. Nach Pandemie und Energiekrise treten die strukturellen Probleme nun offen zutage.“
Diese Probleme habe er lösen müssen – und dann noch die zahlreichen Krisen, die er zusätzlich vor sich hatte. Habeck schreibt: „Als Minister, als Vizekanzler habe ich gelernt, wie man Krisen bewältigt“. Schön, dass der zweitwichtigste Regierungspolitiker quasi „learning by doing“ betreibt – aber Wirtschaftsminister und Vizekanzler ist kein Ausbildungsberuf. Habeck freut sich aber über seine abgeschlossene Lehre.
Wehleidig schreibt Habeck über die massive Arbeitsbelastung, und so wirklich Mitleid entwickeln kann man da nicht. Man denkt an Donald Trump, der einst völlig überrascht und frustriert feststellte, dass die Präsidentschaft mehr Arbeit bedeute als sein altes Leben. Die Medienlandschaft zerriss ihn für diesen Ausspruch. Bei Habeck aber gilt das Gleiche als nahbar, menschlich, echt. Und er merkt wahrscheinlich nicht mal, wie peinlich das eigentlich ist, wenn man dann noch Kanzler werden möchte.
Aber er scheint manche Realität nicht zu bemerken, sondern gar in seiner eigenen zu leben. Auch das erkennt man an manchen Stellen im Buch. Einmal schreibt er in Bezug auf die Energiewende von „Arbeitsplätzen, die neu entstehen. Nicht morgen. Heute. Hunderttausende“. Die erlebte Realität im Lande ist zwischen Meldungen über Konkurse, Massenentlassungen und Konjunkturschwäche jedenfalls eine komplett gegenteilige.
„Leicht übergriffig“: Opposition gegen die eigene Politik
Was sich wie ein roter Faden durch das Buch zieht: Selbstkritik. Habeck übt viel Selbstkritik, und manche kauft man ihm sogar ab. Oft aber wirkt sie gespielt, als vermeintliche Charakterstärke inszeniert – und ist damit das genaue Gegenteil ehrlicher Selbstkritik. Teilweise nimmt das Ganze absurde Formen an. Etwa schreibt er: „Auch ich habe in Brüssel unglaublich komplizierten Vorschriften zur Klassifizierung von Wasserstoff zugestimmt (die ich jetzt versuche, teilweise wieder zurückzunehmen). Auch ich habe bürokratisch aufwendige Gesetze in den Bundestag eingebracht (die wir gerade durchflöhen, ob man sie schlanker und damit die Verfahren schneller machen kann).“ Wählt Robert Habeck – damit er bald repariert, was er bisher kaputtgemacht hat.
Genauso beschreibt er die weitgehend auf ihn zurückgehenden Spar-Initiativen beim Gasverbrauch 2022. Habeck beteuert, wir wären dank seiner harten Arbeit und den Einsparungen nur haarscharf am Armageddon vorbeigeschrammt: Deutschland hätte „in den Abgrund“ geblickt. Dennoch beschreibt er: „Mir war bewusst, dass wir hier aufs private Verhalten zielten und es leicht übergriffig war.“ Mit diesen Zeilen holt er selbst Grünen-Kritiker ab.
Auch den größten Bock, den er geschossen hat, seziert er noch mal: Das Heizungsgesetz. Seine große Erkenntnis: „Wenn ich alles noch mal anders aufziehen könnte, wenn das Jahr 2022 kein Krisenjahr mit einer Notentscheidung nach der anderen gewesen wäre, hätte ich vermutlich versucht, zum Gebäudeenergiegesetz einen Bürgerrat zu etablieren“. So richtige Selbstkritik übt er hier nicht. Bis auf den Satz: „Ich habe über die Häuser geredet, über die Gebäudehüllen, den Wirkungsgrad, Prozentzahlen, die Technik. Ich habe nicht über die Menschen in den Häusern geredet. Über das, was sie besorgt und umtreibt. Und auch zu wenig mit ihnen.“
Spitze gegen Scholz und Polit-Bekenntnisse
Was für die Legislaturperiode das Heizungsgesetz war, wird für den Wahlkampf gerade ein neuer Grünen-Vorschlag: Die Besteuerung von Kapitaleinkünften. Im Buch bekennt Habeck sich zu diesen Besteuerungs-Plänen: „Arbeit ist zum Teil deutlich höher besteuert als Kapitaleinkünfte. Man sieht also, es ist nicht so, dass der Staat alle Einnahmemöglichkeiten ausgeschöpft hat, dass das Steuersystem nur gerecht ist und Leistung sich lohnt.“ Die Versteckspiele der Grünen, die beteuern, dass diese Idee nur halb so schlimm wäre und kaum jemanden betreffen würde, spielt Habeck wenigstens nicht mit. So viel Ehrlichkeit traut er sich dann doch zu.
Und Schuld an der Wirtschaftskrise? Die hat nicht der Wirtschaftsminister, beteuert der Wirtschaftsminister. Er sieht die Schuld – wohl auch nicht ganz zu Unrecht – bei Scholz. Und schreibt das auch offen auf.
Dass dieser die Wirtschaftskrise einfach aussitzen und ignorieren wollte, ist bereits bekannt – Habeck schildert es trotzdem nochmal deutlich. „Im Februar 2024 warnten Christian Lindner und ich vor der dramatisch schlechten Wirtschaftslage. Andere in der Bundesregierung wiegelten ab. Es dauerte bis zum Sommer – und erforderte viel Drücken und Schieben –, um zu einem neuen Maßnahmenpaket zu kommen, der Wachstumsinitiative.“ Auch das sei zu wenig gewesen, meint Habeck.
Schlussendlich ist die Lektüre des Habeck-Buches so, als ob man einen Pudding an die Wand nageln würde – wenig bleibt hängen. Es ist eher eine Gedankensammlung, garniert mit ein paar Autoren-Zitaten, gefühligen Einschüben und Anekdoten. Wie wir nun „den Bach rauf“ kommen, nachdem wir mit Habeck den Bach runter sind, bleibt vage – irgendwas mit Zuversicht und Verschuldung. Ein politisches Manifest zur Neuausrichtung des Landes ist das Buch nicht. Auch die Süddeutsche Zeitung meint: „Es ist eine Mischung aus politischem Essay, persönlichen Erinnerungen und einer Ansammlung von Kalendersprüchen.“ Und sei „selten so wirklich überraschend.“
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Zitat: „Soll ich aufhören mit der Politik? Warum ist es eigentlich mein Problem, warum mache ich es zu meinem, warum geht es mich etwas an?“
Er hätte gar nicht anfangen sollen mit der Politik. Und die Probleme, welche zu lösen er sich auf die Fahnen schreibt, gäbe es ohne die Grünen gar nicht.
Ausser vielleicht den grünen Wählern selbst, hat wohl niemand mehr von diesem Autor erwartet.
Ich frage mich auch, wer kauft so etwas?
Und wieder fragt ihn Niemand WIE das eigentlich sein kann, daß er in so einer Krise nebenbei ein Buch schreiben kann!? Herr Habeck, nicht das Klima hat ne Krise sondern unsere Wirtschaft und DIE ist menschengemacht, durch SIE an der Spitze!
Die vom Graichen-Clan und Habeck in ihrer grünen Gemeinde geschaffen Arbeitsplätze, sind im Vergleich zu den Millionen der Deindustrialisierung der „großen“ Transformation im Promollebereich.
Habeck hat jetzt sogar noch Zeit, in seinem Amt neue Märchenbücher zu schreiben, während das Land in einer wirtschaftlichen Rezession steht.
Ekelhaft, wie dieser Typ als Bündniskanzler aufgebaut wird.
Ich muß die Leipziger bewundern, denn ICH könnte nicht an so einem Plakat vorbeigehen ohne daß mir irgendwas hochkommt!
Zum Schluss des Buches steht wahrscheinlich X-Faktor das Unfassbare und ein Spruch wie manchmal liegen Wahrheit und Fiktion sehr nah beieinander hehe