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Hilfe, mein Kind rückt nach rechts? Artikel gibt verstörende Tipps zur politischen Umerziehung des eigenen Kindes

In einem peinlichen Ratgeber erklärt eine Sozialpädagogin, was man tun kann, wenn das eigene Kind AfD-nahe ist: von Grundschul-Methodik bis zur Intervention der ganzen Großfamilie. Verfasst von Leuten, die Jugendliche gar nicht begreifen wollen.

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Die AfD wird bei jungen Menschen immer beliebter. Die Jugendwahlen in Brandenburg demonstrierten das zuletzt – dort kam die AfD auf Platz eins. Auch bei den Europawahlen stärkte sich die AfD bedeutend bei jungen Wählern. Auch bei den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen wurde die AfD bei jungen Wählern jeweils mit deutlichem Abstand stärkste Kraft.

Warum wählen junge Menschen die AfD? Das fragen sich viele, gerade auf der politisch linken Seite, ohne wirklich an einer Antwort interessiert zu sein. Die Tage, in denen man junge, politisierte Menschen ernst nahm, sind ja vorbei, seitdem sie sich nicht mehr bei den Grünen und „Fridays for Future“ engagieren.

Merksatz: Als Jugendlicher politisch links zu sein ist toll, engagiert, und zeigt Köpfchen – alles andere fußt bekanntlich auf Uninformiertheit, Naivität und Dummheit und muss bekämpft werden. Der Tagesspiegel schreibt in diesem Sinne besorgt: „Bei den Landtagswahlen am 22. September könnte die AfD auch dank der Stimmen junger Erstwähler zur stärksten Kraft werden. Haben Eltern noch Einfluss auf ihre AfD-wählenden Kinder?“

Jugendliche aushorchen und ihre Handys durchsuchen

Zur Beantwortung dieser Frage schreibt das Blatt einen ganzen Ratgeber, zusammen mit einer echten Fachfrau: Eva Prausner. „Seit mehr als 20 Jahren arbeitet sie im Bereich Rechtsextremismus bei Jugendlichen“, schreibt der Tagesspiegel. Der Ratgeber ist vor allem Ausdruck von Hysterie und Hilflosigkeit. Argumentativ kommt hingegen wenig – die inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Kind sei zwar anzustreben, aber bitte herablassend-pädagogisch, mit vorgefasstem Ergebnis.

Aber wo Jugendliche eine Wand aufbauen, muss sie durchbrochen werden. Prausner rät zu drastischen Maßnahmen: Die ostdeutschen Jugendlichen sollten von ihren Eltern politisch umerzogen und überwacht werden. „Auch der Blick über die Schulter auf das Smartphone des Kindes – einem zentralen Ort der schleichenden Radikalisierung – kann Aufschluss geben.“ Sozialarbeiterin Prausner rät hierbei zu „proaktiver Ansprache“: „Was machst du eigentlich auf TikTok? Folgst du auch Accounts der AfD?“

Oh je – „Cringe“, würde das hypothetische Kind sich da wahrscheinlich denken. Auf so eine Idee können eigentlich nur Menschen kommen, die Kinder nur aus Lehrbüchern kennen und selbst keine haben. Dass der Ratgeber von Leuten verfasst wird, die Jugendliche offenbar nicht verstehen, zeigt sich später erneut.

Wenn solche Fragen aber nicht fruchten – das Kind sich also nicht bekennt – findet die Sozialarbeiterin selbst den unautorisierten Blick ins Handy vertretbar. „Dazu ermuntere ich Eltern nicht. Eltern haben die Persönlichkeitsrechte der Jugendlichen zu achten. Doch wenn Gefahr abzuwenden ist, wäre der unautorisierte Blick auf das Handy aus Fürsorgegründen legitim“. Also doch das eigene Kind aushorchen – als Gefahrenabwehr gegen Rechts, quasi bei Gefahr im Verzug. Auch sehr förderlich für das familiäre Vertrauen und Verhältnis: Ich war in deinem Handy! Du hast TikToks von Maximilian Krah gesehen, das gibt eine Woche Hausarrest!

Eltern sollen sich „professionelle Hilfe“ suchen

Das Kernproblem solcher sozialpädagogischen Eltern-Ratgeber ist: Sie sind völlig nutzlos, weil sie Jugendliche weder ernst nehmen, noch begreifen. Für Teenager ist immer das Gegenteil dessen richtig, was die Eltern sagen und genau das interessant, womit man gegen die Eltern rebellieren kann. Als meine Eltern mir meinen ersten Computer schenkten, sagten sie mir: nur keine Killerspiele und keine Pornos! Weswegen ich mir beides ungefähr fünf Minuten nach dieser Ansprache heruntergeladen hatte.

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Aber AfD-nah sein, das ist viel schlimmer als Killerspiele und Pornos. Da muss hart durchgegriffen werden. Das Ganze kann man ja nicht mit Gelassenheit nehmen. Nein, auch in der eigenen Familie muss „gegen Rechts“ gekämpft werden. Hier geht es nicht um Diskussion und nicht um das Argumentieren von Standpunkten: Dieser Ratgeber legt von vornherein fest, dass auch nur eine inhaltliche Nähe zur AfD bei jungen Menschen fast etwas Pathologisches ist. Wobei das Pathologische, das Krankhafte, oft eher auf der anderen Seite zu liegen scheint: „Zu erkennen, dass das eigene Kind rechts ist, kommt für viele Eltern erst mal als Schock. Prausner rät dazu, trotz möglicher Schamgefühle so früh wie möglich professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen“, heißt es in dem Artikel. Professionelle Hilfe: Manchen, die sich so wie dort beschrieben verhalten, täte das ganz unabhängig von einem AfD-nahen Kind vielleicht mal ganz gut.

Zwischendurch nur mal als Erinnerung: Hier geht es nicht um Rechtsextremismus, nicht um Neonazi-Banden, denen ein Kind beitritt. Sondern lediglich um AfD-Nähe oder das Wählen dieser Protestpartei. Etwas, was in Ostdeutschland rund ein Drittel der Menschen und in ganz Deutschland rund 17 Prozent der Menschen tun. Kein Beispiel für eine extremistische Haltung oder radikale Aussage wird erwähnt – das Ganze ist diffuses Schattenboxen gegen das eigene Kind, weil es eine im Kern noch immer demokratische Partei wählt.

Unterträgliche Sozialpädagogik gegen Rechts

Prausner rät Eltern im Umgang mit ihren schrecklichen AfD-Kindern dazu, klare Worte zu finden. Das beginne bei Ich-Botschaften, die „Verletzung und Schockiertheit ausdrücken“. Das Kind müsse verstehen, dass seine Ansichten für die Eltern ein Problem darstellen. „Wenn du so über Menschen herziehst, dann verletzt mich das. Ich möchte nicht, dass du deine Mitschüler:innen diskriminierst“.

Großartig. Die „überlegte Ich-Botschaft“ war schon in der sechsten Klasse eine unerträgliche sozialpädagogisch verschulte Anti-Mobbing-Methodik, die einen lächerlich machte. Was 12-Jährige lächerlich macht, macht Erwachsene noch lächerlicher. Das kann sich auch nur jemand ausdenken, der selbst keine Kinder hat: Dem Teenager nach der Schule noch in der Haustür ein „Ich finde es besorgniserregend, dass du AfD-nahe TikToks likest“ entgegenzuschleudern, garantiert nichts weiter als ein Augenrollen und ein entnervtes Türknallen. Und ich finde: zu Recht.

Der ganze Ratgeber scheint für überdrehte Helikopter-Eltern zu sein und soll sie in ihren Rechts-Neurosen bestärken: „Es gibt auch Mütter, die von den Männern verlacht werden. Du übertreibst, heißt es dann.“ Nein, bloß nicht! Hier übertreibt niemand. Es ist genau richtig, den eigenen Haushalt zumindest halbtags zum politischen Erziehungslager zu machen und eine politische Meinung wie ein Delikt, eine Krankheit zu behandeln. Hörst du Feindfunk auf TikTok, Kind? Da müssen wir was machen!

Deswegen bitte immer alle feste drauf da: Und viel hilft viel, auch bei der politischen Umerziehung. „Je mehr relevante Kontaktpersonen auf den Jugendlichen einwirken, desto besser“, heißt es in dem Artikel. „Es hilft, wenn sich Jugendliche einer Gruppe gegenübersehen, die ihr Verhalten missbilligt.“ Es gelte deshalb, auch das weitere Umfeld – „die Großeltern, Lehrer:innen, Onkel oder Tanten“ – zu involvieren.

Genau! Denn wenn die Mutter oder der Vater zum linken Lehrer rennt und ihr eigenes Kind quasi anschwärzt, wird alles besser: Dann wird aus dem halbtägigen Umerziehungslager dank der Schule ein ganztägiges. Und von morgens bis abends prügeln Mutter, Vater, Oma, Onkel, die Lehrer und vielleicht noch der Postbote und der Nachbarshund politisch auf das Kind ein, bis es endlich wieder links genug ist.

Aber ganz verstoßen solle man sein Kind dann doch nicht. Tipp der Sozialarbeiterin: zumindest „gelegentlich auch mal unverfänglich zusammen eine Pizza essen.“ Solange die Pizza nicht im rechten Winkel angeschnitten wird, sollte alles gut sein.

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