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Direktmandate – das Ticket in den Bundestag für Freie Wähler und Linke?

Freie Wähler und Linke wollen bei der anstehenden Bundestagswahl in den Bundestag einziehen - mit weniger als fünf Prozent der Wählerstimmen. Möglich macht es die Grundmandatskalause. Doch die Ausgangslage ist diffus.

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Die Linke schafft es bei der letzten Bundestagswahl mit nur 4,9 Prozent, aber drei gewonnenen Direktmandaten in den Deutschen Bundestag einzuziehen. Nun stehen die vorgezogenen Neuwahlen an und die Partei steht in Umfragen bei drei bis vier Prozent. Wieder sollen Direktmandate der Partei zumindest die Präsenz im Deutschen Bundestag mit ein paar Abgeordneten sichern.

Doch nicht nur die Linke wirbt offen für die Möglichkeit, über Direktmandate die Fünf-Prozent-Hürde zu umgehen und in den Bundestag einzuziehen. Auch die Freien Wähler wollen das ansonsten von der Ampel entwertete Direktmandat nutzen, um in den Bundestag einzuziehen.

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Aiwanger, Landräte und Bürgermeister

Traditionell haben die Freien Wähler ihre besten Wahlergebnisse in Bayern. Dort will Aiwanger, der selbst kandidiert, mit mehreren Mitstreitern mindestens drei Direktmandate gewinnen. Neben dem bayerischen Wirtschaftsminister sollen die beiden Landräte Indra Baier-Müller und Peter Dreier sowie der Bürgermeister Michael Wörle als aussichtsreiche Kandidaten den Einzug der Freien Wähler in den Bundestag absichern.

Aiwanger, der wohl populärste Freie Wähler in ganz Deutschland, muss sich in seinem Wahlkreis Rottal-Inn mit dem Bürgermeister von Beyerbach (1.700 Einwohner), Günter Baumgartner von der CSU, messen. Der bisherige Gewinner des Direktmandats tritt nicht mehr an. Für Aiwanger ein Vorteil. Ihm werden die größten Chancen unter allen Kandidaten eingeräumt. 2021 gewann die CSU das Direktmandat in dem Wahlkreis mit 35,1 Prozent weit vor den zweitplatzierten Freien Wählern, die auf nur 16,7 Prozent kamen.

Im Oberallgäu müsste sich die Freie Wähler-Landrätin gegen Mechthilde Wittmann durchsetzen. Wittmann gewann 2021 das Direktmandat mit 29,7 Prozent vor der SPD, die auf 15,8 Prozent kam. Die Freien Wähler holten in diesem Wahlkreis nur 9,0 Prozent. Bei der Landratswahl 2020 kamen die Freien Wähler mit Indra Baier-Müller im ersten Wahlgang auf 23,3 Prozent – 21 Prozentpunkte weniger als der CSU-Kandidat. In der Stichwahl konnte sie sich dann mit 51,85 Prozent durchsetzen.

Freie Wähler-Landrat Peter Dreier wurde 2020 im ersten Wahlgang mit 73 Prozent zum Landrat in Landshut wiedergewählt, trotz sechs weiterer Kandidaten inklusive CSU, SPD und Grünen. Im Bundestagswahlkreis Landshut müsste Dreier das Direktmandat von Florian Oßner von der CSU abjagen. Oßner gewann den Wahlkreis 2021 mit 36,4 Prozent vor der FDP, die auf 11,7 Prozent kam. Die Freien Wähler kamen mit 10,4 Prozent auf den fünften Platz bei den Erststimmen.

Gersthofen macht weniger als 10 Prozent der Einwohner des Bundestagswahlkreises Augsburg-Land aus. Dennoch soll der Bürgermeister von Gersthofen den Wahlkreis, den die CSU 2021 mit 40,6 Prozent gewann, für die Freien Wähler gewinnen. Ein nach objektiven Maßstäben schwieriges Unterfangen, zumal die Freien Wähler in dem Wahlkreis 2021 nur 9,5 Prozent der Erststimmen holten.

Während bei Aiwanger und Dreier ein Mandatsgewinn durchaus möglich ist, sieht es bei den anderen beiden Kandidaten schwerer aus. Erschwerend kommt für die Freien Wähler jedoch hinzu, dass die CSU in Bayern aktuell im Aufwind ist. Kam die Partei zur Bundestagswahl 2021 nur auf 31,7 Prozent, so liegt sie in Umfragen, die nur die Wahlabsicht zur Bundestagswahl in Bayern abfragen, auf über 40 Prozent. Es müssen in den vier auserwählten Wahlkreisen also etliche CSU-Wähler davon überzeugt werden, zumindest ihre Erststimme den Freien Wählern zu geben.

Zwischen Silberlocken und traditionellen Wahlkreisen

Für die Linke soll der Osten den Bundestagseinzug absichern. 2021 gewann die Partei die beiden Berliner Wahlkreise Treptow-Köpenick und Lichtenberg sowie den sächsischen Wahlkreis Leipzig II. Während in Treptow-Köpenick mit Gregor Gysi und in Leipzig II mit Sören Pellmann die beiden amtierenden Wahlkreissieger erneut antreten, verzichtet Gesine Lötzsch in Lichtenberg auf eine erneute Kandidatur.

Lötzsch gewann den Wahlkreis 2021 noch mit 6,4 Prozentpunkten Vorsprung. Ihre Nachfolgerin soll Ines Schwerdtner werden. Fraglich, ob Schwerdtner es schafft, in die Fußstapfen von Lötzsch zu treten, die den Wahlkreis seit 2002 gewann. Bei der Europawahl 2024 kam die Linke dort nur auf den fünften Platz mit 10,0 Prozent. Das BSW kam mit 15,2 Prozent hinter der AfD auf den zweiten Platz. Erschwerend für Schwerdtner kommt in diesem Wahlkreis hinzu, dass das BSW ebenfalls einen Kandidaten aufgestellt hat. Erststimmen von BSW-Wählern, die mangels Alternative Schwerdtner ihre Stimme geben, sind so praktisch ausgeschlossen.

Zu den drei „Silberlocken“, die die Partei retten sollten, gehören neben Gregor Gysi auch Bodo Ramelow und Dietmar Bartsch. Ramelow soll im Wahlkreis Erfurt-Weimar-Weimar-Land das Direktmandat gewinnen. Auch wenn die Linke 2021 das Direktmandat noch klar verfehlte, so zieht Ramelow als Person durchaus viele Stimmen.

Bei der Landtagswahl im vergangenen September gewann Ramelow das Direktmandat in seinem Erfurter Wahlkreis mit 42,4 Prozent, während die Linke nur 16,4 Prozent der Zweitstimmen in dem Wahlkreis auf sich verbuchen konnte. Ein Gewinn des Wahlkreises durch Ramelow ist dadurch weitaus wahrscheinlicher als ein Gewinn des Wahlkreises Lichtenberg durch Schwerdtner und dies, obwohl die Linke den Thüringer Wahlkreis noch nie gewonnen hat, während sie Lichtenberg seit 1990 durchgehend gewann.

2009 konnte die Linke zuletzt den Wahlkreis Rostock gewinnen. 2013 und 2017 gewann die CDU dort das Direktmandat, 2021 die SPD. Warum die Linke ausgerechnet diesen Wahlkreis gewinnen will, ist unklar. Bartsch, der in diesem Wahlkreis antritt, gehört nicht zu den beliebtesten Politikern der Partei. Einzige Möglichkeit in diesem Wahlkreis: BSW-Wähler wählen mit ihrer Erststimme Linke, denn das BSW kandidiert in Mecklenburg-Vorpommern nur mit einer Landesliste.

Bei den Linken hängt die Frage der politischen Existenz an persönlicher Strahlkraft der Direktkandidaten und der Frage, wie sich die BSW-Wähler verhalten, wenn diese mangels Kandidaten mit der Erststimme nicht BSW wählen können.

Zwei gewonnene Direktmandate sind so viel wert wie null

Aufgrund des neuen Wahlrechts gilt im Fall der Freien Wähler und der Linkspartei eine Alles-oder-Nichts-Mentalität. Denn sollten nur zwei statt drei Direktmandate gewonnen werden, würden die beiden Wahlkreissiege verfallen. So will es das neue Ampel-Wahlrecht.

Sowohl für Freie Wähler als auch für die Linke ist der Ausgang der Wahl mehr als ungewiss. Während die Linke vor allem auf Leihstimmen von BSW-Wählern setzen muss, müssen die Freien Wähler versuchen, den bayerischen Platzhirsch CSU zu verdrängen. Ob es für beide Parteien, für eine oder doch für keine gereicht hat, wird erst am späten Abend des 23. Februar feststehen. Dann, wenn alle Wahllokale in den entsprechenden Wahlkreisen ausgezählt sind.

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