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Chemiegipfel Ostdeutschland: Sprachspiele und Beschwichtigung statt ehrlicher Bestandsaufnahme

In Deutschland jagt ein Krisengipfel den nächsten. Auch beim Gipfeltreffen der ostdeutschen Chemiewirtschaft am Montag in Böhlen blieb unterm Strich die Erkenntnis: Deutschland taumelt mit unvollständiger Diagnose und ohne Therapie einer ökonomischen Katastrophe entgegen.

Die deutsche Chemieindustrie befindet sich in der Krise (Symbolbild) (IMAGO/Panama Pictures)

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Das Jahr 2025 endet so bitter, wie es begonnen hat. Die Zahl der Firmenschließungen infolge der jahrelangen Rezession in Deutschland wird sich in diesem Jahr zu einem Rekord von rund 24.000 kumulieren. Im Zentrum der Krise steht die deutsche Chemieindustrie. Sie hat seit 2018 etwa ein Fünftel ihrer Wertschöpfung eingebüßt und operiert derzeit mit einer Kapazitätsauslastung von nur noch 70 Prozent.

In diesem Modus können die Betriebe wirtschaftlich nicht überleben, und die angekündigten Akupunkturreformen der Bundesregierung werden an diesem Befund nichts ändern.

Scharfe Konkurrenz aus Asien und die selbstverschuldete Energiekrise am Standort Deutschland paaren sich mit einer geschäftsschädigenden Klimaregulierung aus Brüssel. Ein toxisches Gebräu – und genau dieses wurde anlässlich des Krisengipfels der ostdeutschen Chemiewirtschaft am Montag genauer unter die Lupe genommen.

Krisengipfel im Herzen der ostdeutschen Chemie

63.000 Menschen arbeiten derzeit in der chemisch-pharmazeutischen Industrie Ostdeutschlands, vor allem an den bedeutenden Standorten Böhlen, Schkopau, Bitterfeld und Leuna. Der Ort des Treffens war entsprechend gewählt: der Chemiepark Böhlen. Hier betreibt der US-Chemiekonzern Dow Chemical einen seiner europäischen Schwerpunktstandorte.

Was Arbeitgeber, Arbeitnehmer und Vertreter der Politik am Montag zusammenführte, war die Ankündigung des Konzerns, bis Ende 2027 zentrale Anlagen in Böhlen und Schkopau stillzulegen. 550 Arbeitsplätze wären vor Ort direkt betroffen. Europaweit plant Dow den Abbau von 800 Stellen.

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Die Botschaft ist unmissverständlich: Wirtschaften am Standort Deutschland ist unrentabel geworden. Und gerade die Chemiewirtschaft ist der Kanarienvogel in der Kohlemine. Ihre Produkte sind Grundlage nahezu aller industriellen Wertschöpfungsprozesse – Prozesse, die inzwischen flächendeckend unter Druck geraten sind. Ob Automotive, Maschinenbau oder Elektrotechnik: Chemieprodukte „Made in Germany“ verlieren sowohl auf dem Binnenmarkt als auch im Ausland rasant an Nachfrage. Die Folge ist eine branchenübergreifende Krisenstimmung, die in den vergangenen Jahren zum Abbau von rund 300.000 Industriearbeitsplätzen geführt hat.

Die Deutschland-Chefin von Dow Chemical, Ute Spring, fand auf dem Gipfel, zu dem rund 150 Branchenvertreter angereist waren, entsprechend deutliche Worte. Sie sprach von der schwersten Strukturkrise der Chemie seit Jahrzehnten. Die Konsequenz der Politik sei nicht eine konsequente Dekarbonisierung, sondern eine beschleunigte Deindustrialisierung. Eine Einschätzung, die BASF-Chef Markus Kamieth noch vor zwei Wochen rigoros bestritt – auch wenn ihn die Realität tagtäglich eines Besseren belehrt.

Offene Konfrontation mit der Politik bleibt in weiten Teilen der Wirtschaft aus – nicht zuletzt, weil staatliche Subventionszusagen kurzfristig Stabilität suggerieren und damit den Blick auf die strukturellen Probleme verstellen.

Offene Kritik an Klima- und Energiepolitik

Es ist im Prinzip das erste Mal, dass ein global operierender Chemiekonzern mit Standort Deutschland die Klima- und Energiepolitik offen als negativen Standortfaktor benannte und mit unmissverständlichen Worten kritisierte. Bislang herrschte in der Branche ein Schweigegelübde – ein korporatistischer Geist, der trotz aller Probleme dazu führte, dass die Politik nie ernsthaft unter Druck geriet, das eigene Konzept klimapolitischer Globalsteuerung zu hinterfragen.

Der Arbeitgeberverband Nordostchemie präsentierte gemeinsam mit der Gewerkschaft IG BCE einen Fünf-Punkte-Plan und überreichte symbolisch einen Feuerlöscher. Die Forderungen sind altbekannt: Planungs- und Investitionssicherheit für industrielle Produktion, eine Stärkung der heimischen Wertschöpfungsketten sowie eine wettbewerbsfähige und sichere Energieversorgung.

Im Fokus dürfte dabei insbesondere der ab Januar geltende Industriestrompreis stehen, der sich durch seine Bindung an weitreichende klimapolitische Regulierung selbst für die wenigen begünstigten Empfängerbetriebe als Mogelpackung entpuppt. Deutsche Industriestrompreise liegen teils doppelt oder sogar dreimal so hoch wie an Konkurrenzstandorten wie Frankreich oder den USA. Daran wird auch dieser Industriestrompreis ganz sicher nichts ändern können.

Darüber hinaus fordert die Branche eine Klimapolitik, die nicht länger die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Deutschland zerstört. In Verbindung mit einem radikalen Bürokratieabbau und deutlich schnelleren Genehmigungsverfahren soll die Wirtschaft wieder in Schwung gebracht werden.

Für Nora Schmidt-Kesseler, Hauptgeschäftsführerin von Nordostchemie, ist die Lage eindeutig. Sie fordert einen klaren Krisenfahrplan von der Politik. Auch sie wird deutlich: Die Zeit des Redens sei vorbei. Jetzt müsse endlich gehandelt werden.

Beschwichtigung statt Kurskorrektur

Für die Bundesregierung sprach die Ostbeauftragte Elisabeth Kaiser (SPD). Sie räumte die Dramatik der Situation zwar ein, blieb jedoch im bekannten Erklärungsmuster und verwies auf beschlossene Steuererleichterungen, die bereits angesprochene Mogelpackung des Industriestrompreises sowie auf Bürokratieabbauvorhaben der Bundesregierung. Ziel sei es, Deutschland zu einem der innovativsten Chemiestandorte zu machen, so Kaiser.

Zur Erinnerung: Steuererleichterungen sollen frühestens in zwei Jahren greifen. Von einem tatsächlichen Bürokratieabbau kann angesichts des notwendigen Aufbaus neuer Steuerungsstrukturen für das gigantische Schuldenpaket der Bundesregierung kaum die Rede sein. Auch eine grundsätzliche Kritik am klimasozialistischen Kurs Brüssels blieb aus. Kein Wort zum CO₂-Zertifikatehandel, der ab 2027 zu zusätzlichen Milliardenverlusten für die deutsche Industrie führen wird. Kein Eingeständnis regulatorischer Fehlsteuerung.

Im Kern bedeutet dies: Die Industrie soll sich trotz des dramatischen Absturzes der heimischen Industrieproduktion dem politisch vorgegebenen Regelwerk fügen. Beschwichtigungsversuche und Appelle ersetzen einen echten Kurswechsel. Nichts wird sich ändern.

Brandenburgs Wirtschaftsminister Daniel Keller von der SPD brachte letztlich das auf den Punkt, was man aus politischen Sonntagsreden zur Genüge kennt: Klimaschutz, Wettbewerbsfähigkeit und wirtschaftliche Resilienz müssten gemeinsam gedacht werden. Was das konkret bedeutet, lässt sich in der Praxis der deutschen Wirtschaft täglich studieren – mit Blick auf Firmenpleiten und eine steigende Arbeitslosigkeit.

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16 Kommentare

  • Und was ist daran überraschend?

    • Eigentlich nichts. Der Abgrund kommt immer näher.

  • Deindustrialisierung bedeutet halt Reduktion der Kohlendioxidemissionen, ist also „gut“.
    Wenn erst alles importiert wird, Agrarprodukte aus Südamerika, der Rest aus China, dann stößt die EU kaum noch CO2 aus, hätte also ihre durch Ideologie selbst auferlegten Ziele erreicht.
    Das wäre dann also der „große Sprung nach vorne“, wie bei Mao.

  • Jetzt gibt’s die Rechnung für 30 Jahre willfährigen Biedermeierschlafs 2.0.

    Wohl bekomm’s.

    Und guten Rutsch in Armut, Elend, Unruhen & geopolitische Bedeutungslosigkeit.

    Redlich verdient.

  • Geduld, Geduld und mehr Optimismus…… sagt der (selbsterklärte) „größte Reformkanzler“ aller Zeiten.

  • Was sind schon 65.000 gut bezahlte Jobs, wenn man 6,5 Millionen Neubürger seit 2015 mit Bürgergeld versorgen kann?

    Die Deindustrialisierung ist im vollen Gange und wird nichts übrig lassen.
    Großer Dank an die CDU, welche dies über die letzten 20 Jahre entschieden voran getrieben hat!

    • Der Dank sollte nicht an die CDU gehen, sondern an die Wähler dieser Parteien!

      • Die werden manipuliert und belogen.
        Propaganda wird gemacht weil sie funktioniert!
        Viele meiner Arbeitskollegen sind unpolitisch, schlecht bis gar nicht informiert und glauben was im Fernseher in den Nachrichten gesagt wird. Es ist erschreckend.

  • Wenn Schildbürger Konzerne und Gewerkschaften führen……

    • Konzerne? Die sogennanten „Führer“ dieser Konzerne sind erbärmliche, politisch korrekte….. (Bitte selbständig zusammensetzen : Kriecher, Ar und sch )

  • So lange die Regierung dabei bleibt, uns nächstes Jahr die erhöhte CO2-Besteuerung reinzudrücken, bleibt keine andere Lesart übrig, als dass die uns wirtschaftlich umbringen wollen. So lange selbst einfache Maßnahmen wie das Streichen solcher Steuererhöhungen unterbleiben, können die sich ihre „Gipfel“ und ihr sonstiges Hochstapler-Wuwu in die Haare schmieren.

  • Man setzt sich nicht mit den Fröschen zusammen um über die hohe Feuchtigkeit im Sumpf zu beraten. Leider ist in autokratischen Regimen damit zu rechnen, dass Unternehmer, die nicht voll auf Parteilinie sind hohe soziale und persönliche Kosten tragen. Manche fallen vom Balkon, bei manchen geht der Fallschirm nicht auf, machen wird ein Kantholz über den Kopf gezogen oder sie fallen auf spitze Gegenstände.
    Da traut man sich dann natürlich nicht so richtig, dem politischen Feind, der Gegenüber sitzt und lächelnd die Lebensgrundlage entzieht, das zu sagen.
    Dann lieber auf Subventionen und Kurzarbeitergeld hoffen und das man rechtzeitig die eigenen Schäfchen ins Trockene gerbacht hat. Ich kann es allerdings auch nachvollziehen. Warum sollte ich als Unternehmer meinen Kopf für ein Volk hinhalten, dass mich als schlimmstes Ungeziefer sieht. Da nick ich lieber, nehme das Steuergeld mit, schick das ins Ausland und mach einfach wenn ich keine Lust mehr habe, die Insolvenz und dann abflug.

  • Apollo News, Deutschlands Jammerseite Nummer Eins.

    -12
    • Bei Indymedia heute nichts los, Lischen?

    • Sagt die Lisa die sich wahrscheinlich in einer NGO auf der sicheren Seite befindet.

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