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Bürgerräte: Wie der Ostbeauftragte die Ostdeutschen entmündigen will

Im Osten brauche es eine „andere Form der demokratischen Einbindung“, erklärt der Ostbeauftragte der Bundesregierung. Damit verbunden: Die Forderung nach Bürgerräten, die den Regierungswillen durch intransparente Entscheidungen legitimieren können und die Bevölkerung somit entmündigen.

Carsten Schneider fordert Bürgerräte für die neuen Bundesländer. Dass diese – hingegen ihres Namens – weniger Einbindung bedeuten, übergeht er.

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Der Osten: ein einziger Problembereich. So zumindest werden die neuen Bundesländer gerne dargestellt – sogar von dem aus Erfurt stammenden Ostbeauftragten der Bundesregierung, Carsten Schneider. Das ehemalige Staatsgebiet der DDR sei ein „eigener Erfahrungsraum“, erklärt der SPD-Politiker im Interview mit Web.de. Unrecht hat er damit sicherlich nicht – doch die Schlüsse, die Schneider daraus zieht, sind verheerend.

„Ich stelle mir die Frage, ob wir eine andere Form der demokratischen Einbindung brauchen“, meint der 48-Jährige. Mit anderen Worten: die Ostdeutschen kommen mit dem jetzigen System nicht klar. Sollte man die 16,3 Millionen Menschen, die in den ehemaligen Ostgebieten leben, also öfter beeinflussen, einen politischen Weg ebnen, dem die Bürger dann folgen sollen?

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Eine direktere, vom Bürger ausgehende Demokratie schwebt Schneider nicht vor – im Gegenteil. Der SPD-Politiker zeigt sich als „Verfechter der parlamentarischen Demokratie“, gibt aber zu bedenken, dass „gesellschaftliche Themen stärker in Bürgerräten“ diskutiert werden müssen. Bürgerräte klingen immer nach gesellschaftlicher Partizipation, sind in Wahrheit aber ein machtpolitisches Instrument, das Regierungen gut und gerne ausnutzen können.

Scheinbar zufällig wird hier eine Bürgerauswahl von der Regierung oder einem Parlament getroffen und berufen. Dieser Auswahl gehört möglichst ein Querschnitt der Gesellschaft an: junge Erwachsene und Senioren, männliche und weibliche Personen, Migranten und Einheimische. Dadurch soll eine gewisse Repräsentanz erzeugt werden. Auf Bundesebene funktioniert das bisher aber eher nicht.

Der erste vom Bundestag berufene Bürgerrat stellte im Februar die Sitzungsergebnisse zum Thema Ernährung vor: Die Empfehlungen kommen einem Parteiprogramm der Grünen unfassbar nahe. Der Staat solle das Essensangebot in öffentlichen Einrichtungen regulieren, gesünder gestalten – auf Steuerzahlerkosten. Fleischprodukte sollen transparenter mit Herkunftshinweisen versehen werden – also mehr abschrecken –, der Verzehr von koffeinhaltigen Süßgetränken wird verteufelt und noch viel mehr.

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Fast im gleichen Atemzug mit der Ergebnispräsentation des Bürgerrats hat das Bundeskabinett eine von Landwirtschaftsminister Cem Özdemir entwickelte „Ernährungsstrategie“ beschlossen, die ähnliche Punkte hervorhebt. Diese parallele Entwicklung zeigt: Der Bürgerrat kann eine Legitimationsgrundlage für längst geschmiedete Pläne bieten – dient damit also der Regierung und nicht dem Volk.

Bürgerrat – der Name täuscht

Hinzukommt, dass das Einberufungsverfahren meist intransparent und kaum nachvollziehbar vonstattengeht. Wer, warum und wie in den Bürgerrat berufen wird, ist nicht zu durchschauen. Ein weiterer Kritikpunkt an Bürgerräten: Wozu sind sie eigentlich notwendig? Im Sinne einer Demokratie sollte der Bundestag, bestehend aus Vertretern des Volkes, diese Rolle erfüllen. Mit der Einberufung eines Bürgerrates wird eine Debatte unter Einbeziehung der Gesellschaft vorgetäuscht – das Ergebnis ist dennoch einseitig.

Aus diesen Gründen trat ein Mitglied des Ernährungsbürgerrats im vergangenen November aus dem Gremium aus und kritisierte die massive Lenkung des Bürgerrats in die politisch gewünschte Richtung. Er habe immer wieder das Gefühl gehabt: „Wir geben euch vom Bundestag vor, was rauskommen soll“, sagte der Betroffene der Schwäbischen (Apollo News berichtete).

Vorgabe, Einflussnahme, politische Einsichtigkeit: Bürgerräte scheinen nicht das zu sein, was sie sein sollen. Und deshalb ist die Forderungen nach einem solchen Gremium für die Ostbevölkerung nicht nur gewagt, sie ist demütigend. Zuallererst würde sich die Frage stellen: Wer sollte überhaupt in diesem Bürgerrat sitzen? Nur „echte“ Ostdeutsche oder Bürger der geeinten Bundesrepublik? Eine entscheidende Frage, denn in den neuen Bundesländern liegt beispielsweise die AfD bei ungefähr 30 Prozent – in den anderen Bundesländern dominiert aber die CDU.

Würde also ein bundesdeutscher Bürgerrat für den Osten einberufen werden, wäre die Meinungsverteilung verfälscht und nicht repräsentativ für Sachsen, Thüringen und Co. Außerdem stellt sich die Frage nach dem Inhalt des Gremiums: „Gesellschaftliche Themen“ möchte Schneider diskutieren lassen. Bezogen auf die Erfahrungen mit dem Ernährungsbürgerrat würde das vermutlich bedeuten: Wie können wir Toleranz für Migration, neue Geschlechterrollen und ähnliches in der ostdeutschen Gesellschaft verstärken und so extreme Positionen – gemeint wäre die AfD – schwächen?

Möchte Schneider die Kontrolle über den Osten?

Denn eines ist klar: Die AfD – und übrigens auch das BSW – ist dem Ostbeauftragten Schneider ein Dorn im Auge. Beide würden „nationalistische Positionen“ vertreten, behauptet der SPD-Politiker bei Web.de. Und weiter: „Vielen ist nicht bewusst, was eine regierende AfD tatsächlich bedeuten würde.“ Dann beginnt Schneider mit einer Auswahl an gesellschaftlichen Themen, die er an der AfD auszusetzen hat – die also wahrscheinlich auch Inhalt eines Bürgerrats sein könnten.

„Die Partei will zum Beispiel die Rolle der Frau zurück in die westdeutschen 50er-Jahre katapultieren. Auch ist sie gegen Mindestlöhne. Ich setze auf Vernunft und einen Erkenntnisgewinn, jedenfalls spüre ich das in den vielen Gesprächen, die ich führe“, beanstandet der Ostbeauftragte.

Schneider gibt eine vermeintliche Gefahr durch die AfD vor, um somit die Idee eines Bürgerrats zu bekräftigen. Durch diesen könnte man „mehr Repräsentanz herstellen, nicht nur für Ostdeutsche, sondern auch für andere gesellschaftliche Gruppen, die in der Politik nicht genug vertreten sind“, behauptet der SPD-Politiker. Denn „andernfalls kann es passieren, dass Menschen sich nicht gehört fühlen und auch nicht repräsentiert sehen. Das ist ein Problem.“

Das ist tatsächlich ein Problem – bereits heute, im Hier und Jetzt. Nicht, weil „Wessis“ und „Ossis“ lange Zeit nicht zueinander finden konnten, sondern weil Regierungen Unterschiede nicht überwinden wollten. Um dieses Problem politisch zu lösen, braucht es aber keine Bürgerräte, die eine gesellschaftliche Debatte simulieren und damit die Unterdrückung der wahren Forderungen der Bevölkerung legitimieren.

Der Bürgerrat ist in diesem Kontext eine Anti-Opposition und kein Liberalisierungsinstrument der ostdeutschen Bevölkerung. Akzeptanz für den „eigene Erfahrungsraum“, wie es Schneider richtig anmerkt, und die politische Einbindung dieser speziellen Bevölkerungsgruppe sind notwendig – ansonsten bleibt eine virtuelle Mauer noch Jahrzehnte bestehen.

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151 Kommentare

  • „Rat“ heißt auf Russisch übrigens „Sowjet“. Da weiß der alte Ossi doch sofort, wohin die Reise gehen soll.

    Schneider ist 1976 geboren. Da dürfte er also auch noch eine Mütze voll „Mij govarim po russkij“ mitbekommen haben.
    Daher doppelte Frechheit, den Ostdeutschen „Sowjets“ vorzuschlagen!

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  • Um es mal salopp zu formulieren,- die haben doch da oben irgendwie den Schuss nicht gehört! Wir im Osten mögen vielleicht (auch wenn wir das eigentlich gar nicht wollen) noch manchmal ein bisschen anders sein, aber das betreute Denken brauchen und wollen wir nicht mehr haben. Schert Euch vom Acker mit Euren kruden Ideen. Wir brauchen Eure ideologisch verpeilten Hilfen einfach nicht!

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  • Bürgerräte klingen immer nach gesellschaftlicher Partizipation. Nein und immer wieder nein.
    Bürgerräte klingt nach Kommunismus und Sozialismus.

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  • Der Osten weckt den Westen auf, hoffe ich. Die Ostdeutschen erkennen noch eine Diktatur wenn sie die sehen.

  • Ich will keine Bürgerräte, ich will Volksabstimmungen!

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  • Egal ob Faesers neuerliche Grenzöffnung oder der „Fall Compact“, Baerbocks Visa Vergabe, Scholzens“Doppelwums“, oder Habecks irgendwas – mir kommt bei der Politik der gegenwärtig agierenden Bundesregierung nur noch in den Sinn: „Der Krug geht so lange zum Brunnen bis er bricht.“

  • Mehr Bürgerveräppelung und Verhöhnung duch „Beauftragte“. Ich hoffe ganz Ostdeutschland lässt sich das nicht gefallen!

  • Schneider hat, wie die meisten Berufspolitiker noch nicht einen Tag in seinem Leben gearbeitet. Er ist somit im normalen Leben in Deutschland überfordert und braucht zum Überleben den Rat anderer. Ich nicht. Ich zahle seit über 40 Jahren Steuern und bereite Herrn Schneider und Genossen damit ein sorgenfreies Leben. Von denen brauche ich keinen Rat und keine Bevormundung.

  • Pseudo Demokratie

  • Na endlich! Und ich hatte schon befürchtet die SPD würde keine Wahlwerbung mehr für die AfD machen 😀

  • Bürgerräte können als z. B. 160 zufällig ausgeloste Bürger gar nicht statistisch repräsentativ sein! Dazu müsste man viele Merkmale berücksichtigen, auch die Parteipräferenz. Es hat schon seinen Grund, dass bei Bevölkerungsumfragen eher 1.300 systematisch ausgewählte Befragte mitwirken als 100 oder 200 zufällig interviewte. Nicht jeder Einwohner hat Interesse und Zeit, bei so etwas (den Räten) mitzumachen. Und die Räte werden in der Regel auch noch von, hust, unabhängigen „Experten“ beraten …
    Vor allem aber: Wir haben Parlamente, Ministerien mit sehr vielen Mitarbeitern/Beamten, dann noch Hunderte/Tausende von sogenannten NGOs und Vereinen … und brauchen jetzt noch weitere Gremien, um Politik zu gestalten? Ernsthaft? Was machen bitte unsere vielen teuer bezahlten Abgeordneten im Bundestag den ganzen Tag lang, die uns ja repräsentieren sollen.
    So oder so stellt es eine Unverschämtheit dar, wenn ein Ostbeauftragter oder wer auch immer Bevölkerungsgruppen als Dummies ansieht.

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  • Herr Carsten Schneider sollte sich mal mit seinen Eltern unterhalten und zwar darüber, warum sie 1989 auf die Straße gegangen sind oder auch nicht. Natürlich haben viele im Osten es in dem System satt, das Pack, die Dunkeldeutschen, All das wurde den Ostdeutschen nachgesagt. Die meisten sind nicht nur wegen Bananen oder Konsum auf die Straße gegangen, sondern wir wollten Freiheit. Eine neue Diktatur wollten wir nie. Wir haben alles schon einmal mitgemacht. Wir hatten keine Meinungsfreiheit. Wir mussten die Zensurschere im Kopf haben. Wer die nicht hatte, landete schon mal in Bautzen. Jetzt passiert es wieder und dazu gibt noch die Kriegstreiberei. Was ist das für eine Demokratie, die Andersdenkende ausgrenzt und diffamiert? Keine! Dieses System? Nein! Ich will, dass in D das GG wieder respektiert wird.

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  • Ganz ehrlich: Hätte mich 1990 jemand gefragt, ob ich den „Beitritt“ zum Rechtsgebiet der BRD gutheißen würde, wenn seinerzeit dort solche Verhältnisse geherrscht hätten wie heute, hätte ich sofort verneint. In der DDR hatte ich keine Angst um meine Kinder und Enkel!

  • Mein Rat an die, die so einen Bürgerrat gar nicht mal so schlecht finden: „Der Osten: eine westdeutsche Erfindung“ von Dirk Oschmann lesen. Und dann noch mal drüber nachdenken.
    Danke, Herr Lukowsky, für den aufschlussreichen Artikel.

  • Andere demokratische Formen? Bürgerräte?
    Bei den Kommunalwahlen werden demokratisch Orts-, Gemeinde-, Stadt- und Kreisräte gewählt.
    Der Verfassungsschutz möge diesen Ostbeauftragten der Bundesregierung, Carsten Schneider, beobachten und zum extremistischen Verdachtsfall erklären.
    Er stellt das Grundgesetz und die freiheitlich-demokratische Ordnung in Frage!

  • Von den Ostbeauftragten kam bisher nur Nonsens. Es wird Zeit, einen Westbeauftragten zu bestellen, der zum Ausgleich entsprechende Texte in die andere Richtung absondern kann.

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  • Die Ost-Bundesländer prägt halt der Wiedererkennungswert: das hatten wir schon mal, das wollen wir nicht wieder.
    Das haben sie den westlichen Bundesländern voraus.
    Ich hatte das Privileg, im Westen geboren und aufgewachsen zu sein. Und ich bin mehr als froh, daß der Osten sich aufstellt, wie er es tut. Mir graut vor diesen verlogenen, hinterhältigen grün-roten Regierungsmethoden. Hätte das, was heute in D passiert, nie für möglich gehalten. Aber wenn es dem Esel zu gut geht, geht er wohl aufs Eis. Wobei ich ungern so tolle Tiere wie zB Esel in Vergleich setze mit dem, was hier von vielen Deutschen an Regierungsmachenschaften mit getragen wird. Ideologien sind widerlich, egal welcher Couleur.

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  • Wer braucht eigentlich diese Beauftragten aller Couleur? Wir sind mündige Bürger und als solcher sowie „Ossi“ finde ich diese Planstellen als nutzlos. Hier hatte die Ampel mal echtes Einsparungspotenzial. Mit Jahrgang 1959 treffe ich meine Entscheidungen selber. Politiker Würstchen brauche ich dazu bestimmt nicht.

  • Wieso braucht es überhaupt einen Obstbeauftragten? Es ist eine BRD. Es gibt keine DDR mehr (also formal). Wieso also diese Sonderstellung für betreutes Denken seitens der Regierung. Ich empfinde das als Diskriminierung der Ostdeutschen.
    Die können selbst denken, atmen und entscheiden!

  • Was haben Schneider und Wanderwitz gemeinsam?Ja Sie begreifen nicht ,das der Ossi selber denkt und nicht ferngesteuert wird.

  • Der hat doch den letzten Schuss nicht gehört dieser arrogante Vogel

  • Ich bin den Menschen in meiner ehemaligen Heimat Sachsen, natürlich auch in den übrigen „Neuen Bundeslänern“, unendlich dankbar, daß sie als Einzige begriffen haben, wo es wieder hinauslaufen soll, nämlich wieder in die DDR 2.0. Das wollen die Menschen dort niemals wiederhaben. Der Erich selig wird auf seiner Wolke frohlocken, daß sein Werk vollendet wird.

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  • Es ist doch eine Unverschämtheit, was da vorgeschlagen wird. Jetzt sollen alle Ostdeutsche aus dem Rennen genommen werden, indem sie Bürgerräte vorgesetzt bekommen. Ich hoffe, die AFD kommt bei den Landtagswahlen auf 60 % und mehr, damit mal Ruhe im Karton ist. Und ihr alle hier im Westen, die vielfach noch nichts verstanden haben wir, müssen uns zusammen mit dem Osten wehren, denn der Osten wäre der Test. Wird der Test bestanden, werden die Bürgerräte national ausgerollt. Ich weiß nicht, was in diesem Land los ist, aber mit Politik hat das alles nichts mehr zu tun. Jeder, der ungebildet, ohne Anstand, mit Selbstbewusstseins-störungen, diktatorisch durch die Gegend läuft, hockt anscheinend komplett nutzlos in der Politik. Diese Leute leisten nichts, sie schaden nur und versuchen konstant uns unserer Rechte zu berauben.

  • Ach? Mal wieder eine Räterepublik? Hat schonmal nicht funktioniert…

  • Sowjetrepublik Deutschland als Teil der EUdSSR. So langsam nimmt „deren“ Demokratie Gestalt an.

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