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300.000 starben während Corona alleine im Krankenhaus: Deutschland brach die Menschenwürde

Ein letzter gemeinsamer Atemzug war während der Pandemie in vielen Krankenhäusern nicht möglich, es herrschte Besuchsverbot. Neue Zahlen zeigen: Über 300.000 Menschen starben alleine, weil die Regierung ihnen durch die Corona-Regeln auch ihre letzte Würde entrissen hatte.

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Ein letzter Atemzug, vollkommene Stille und dann – Finsternis. Dieser beklemmende Moment wird in der Regel immer von Angehörigen und Freunden begleitet: Abschied nehmen im familiären Kreis, in einem schönen Umfeld. Doch während der Pandemie verschallten über 300.000 letzte Atemzüge in der Einsamkeit, die in den abgeriegelten Behandlungszimmern der sterilen Krankenhäuser herrschte. Wegen der Corona-Maßnahmen waren Klinikbesuche eine Zeit lang untersagt – auch im Sterbefall.

Die Bundesländer verhängten im Frühjahr 2020 sowie im Winter 2021 und 2022 teils monatelange Besuchsverbote, in denen ganze 312.897 Menschen alleine und ohne persönlichen Beistand starben. Diese Zahlen stammen allerdings nicht vom ahnungslosen Bundesgesundheitsministerium, das über diese Folge der Corona-Maßnahmen „keine Kenntnis“ gehabt haben will, wie eine Anfrage des Bündnis Sahra Wagenknecht zeigt. Die Zahlen stammen stattdessen aus den Krankenhausdaten des Abrechnungsportals INEK, schreibt die Welt.

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Die Bundesregierung weiß also nichts von den zahlreichen letzten Atemzügen, die ohne jegliche Anteilnahme in deutschen Krankenhäusern verstrichen – obwohl sich unlängst Ärzte und Angehörige der Verstorbenen zu Wort meldeten und ihre traumatischen Erfahrungen mit dem Tod aus der Ferne schilderten. Es sind keine Einzelfälle. In der ganzen Republik mussten Familien auf den letzten gemeinsamen Moment verzichten, weil es die Politik so wollte.

In Deutschland stehen einzelne Fälle repräsentativ für das Schicksal tausender Familien, die diese unerträglichen Zerreißproben durchmachen mussten. Die eigene Mutter, der eigene Vater konnten nicht verabschiedet, teilweise nicht einmal das eigene Kind ein letztes Mal umarmt werden. So zum Beispiel in Hamm. Hier wurde der Sohn von Marianne Jansen Ende März 2020 hospitalisiert und reagierte wenig später nicht mehr auf Anrufe. Die Mutter kontaktiert damals das Krankenhaus, eine Schwester legte dem Sohn auf Drängen der Mutter das Telefon ans Ohr – es folgten nur unverständliche Laute.

Die Mutter erkannte den Ernst der Lage, durfte aber nicht ins Krankenhaus, obwohl ihr Sohn nicht infiziert und abgeschottet von den Corona-Patienten untergebracht war. Wenige Stunden später meldete sich der Chefarzt: Eine Schwester hatte den Sohn leblos aufgefunden. „Ich kann den Gedanken nicht ertragen, dass er alleine gestorben ist“, sagte Marianne Jansen dem Westfälischen Anzeiger. „Ich habe sie alle begleitet. Als sie gegangen sind, habe ich sie im Arm gehalten“, sagt sie über bereits verstorbene Familienmitglieder. „Nur bei Thomas konnte ich das nicht.“

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Er starb alleine. Genau wie die Mutter von Ronald Lewin, deren Schicksal symbolisch für unzählige Familien mit Angehörigen im Pflegeheim steht. Die 89-Jährige war im Sommer 2020 nach einem Krankenhausaufenthalt kurzfristig in einem Heim untergebracht, während ihr Sohn nach einem dauerhaften Platz suchte, an dem sie ihren Lebensabend verbringen kann. Als es Ella Lewin plötzlich schlechter ging, beschlich den Musikpädagogen ein ungutes Gefühl. Lewin wollte sofort zu seiner Mutter – er „wollte sie in dieser Stunde nicht allein lassen“.

„Doch da hieß es Nein“, berichtet der Musikpädagoge dem Nordkurier. Wenige Stunden später war seine Mutter tot. Lewins Verzweiflung kannte keine Grenzen. „Das, was wegen der Coronaauflagen passiert, ist einfach unmenschlich“, sagte der Mann – und brachte den Schmerz tausender Angehöriger damit auf den Punkt. Das Leid, nur hilflos dasitzen zu können und sich vorzustellen, wie ein geliebter Mensch einsam und traurig in einem kalten Raum stirbt.

Im Gegensatz dazu ist die Trauer, die einsetzt, wenn man einen Menschen während seiner letzten Atemzüge begleiten darf, natürlicher, kann im besten Fall familiär aufgefangen werden. Der Schmerz, der allerdings bei derartig ungewissen Todesfällen, wie sie bei über 300.000 Menschen in der Pandemie eintraten, einsetzt, ist in den meisten Fällen ein solcher Angriff auf die innere Stabilität, dass er den Betroffenen im schlechtesten Fall nachhaltig Schaden zufügen kann. Und so kämpfen heute immer noch Angehörige mit dem einsamen Tod geliebter Mitmenschen.

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Die Besuchsverbote haben genau das verstärkt: Es war nicht möglich, die Hand einer geliebten Person zu halten, ihr gegebenenfalls zu vergeben oder um Vergebung zu bitten. Aus ethischer Sicht tut sich hier das Tor zur Unterwelt auf: Den Sterbenden, aber auch den Angehörigen, diese letzte Möglichkeit zu nehmen, ist unmenschlich. Die politische Entscheidung ist eigentlich metapolitischer Natur, weil es hier letztlich um nichts Geringeres ging, als die Menschenwürde.

Davor warnte auch die Medizinethikerin Professor Christiane Woopen im Januar 2021 im SWR. Die Besuchsverbote würden bedeuten, dass Betroffene „unter nicht würdevollen Umständen sterben müssen. Das ist für die Sterbenden grausam und es ist auch für diejenigen grausam, die mit dieser Situation leben müssen. Denn sie konnten sich nicht von ihren Angehörigen verabschieden. Und das bleibt manchmal ein Leben lang als tiefer Schmerz in einem zurück“.

Damals wie heute warnen nicht nur Medizinethiker, sondern auch Hospiz-Mitarbeiter und Seelsorger vor den Folgen dieses stillen Todes. Noch dazu kommt, dass manche Familien die verstorbene Person nicht einmal mehr zu Gesicht bekommen haben. Wenn eine Person an oder mit Covid-19 verstarb, musste der Sarg verschlossen werden und durfte in der Folge nicht wieder geöffnet werden.

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Dabei ist die Aufbahrung für Freunde und Familie oftmals die letzte Möglichkeit, eine verstorbene Person physisch zu verabschieden. Ein Moment, in dem alle Schuldgefühle beglichen werden können, um mit einem ehrwürdigen Bild des verstorbenen Menschen weiterzuleben.

Doch ein letzter gemeinsamer Augenblick in jedweder Form wurde den Betroffenen genommen. Dieser letzte Ausdruck der Menschenwürde, ein letzter gemeinsamer Atemzug – verboten.

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