Die FPÖ könnte erstmals in der Geschichte Österreichs das Kanzleramt übernehmen. Bundespräsident Alexander Van der Bellen hat FPÖ-Chef Herbert Kickl offiziell mit der Regierungsbildung beauftragt. Bei der Parlamentswahl im September 2024 erzielte die Partei rund 29 Prozent der Stimmen. Damit bestätigt sich etwas, das sich seit Jahren anbahnte: Die FPÖ ist zur Volkspartei geworden und kann nicht mehr ignoriert werden.
Im Gegensatz zur AfD in Deutschland ist die FPÖ in Österreich seit Jahrzehnten eine etablierte politische Größe. Seit ihrer Gründung im Jahr 1956 hat die FPÖ eine bemerkenswerte Metamorphose durchlaufen. Die Partei begann als Sammelbecken von Nationalliberalen, Deutschnationalen und Ex-Nazis, das sich als nationalliberales „drittes Lager“ neben Sozialdemokraten der SPÖ und katholischen Christsozialen der ÖVP positionierte. Von 1983 bis 1986 wurde die FPÖ erstmals Teil einer österreichischen Bundesregierung, in einer Rot-Blauen-Koalition mit der SPÖ.
Der wahre Paradigmenwechsel kam mit Jörg Haider, der 1986 das Ruder übernahm. Haider, mit seiner charismatischen und oft polarisierenden Art, führte die FPÖ auf einen rechtspopulistischen Kurs. Seine Kritik an der EU und seine Haltung zur Migration zogen viele Wähler an. Haider führte die Partei von einer Randpartei, die lediglich einstellige Prozente erzielte, zu einer Partei, die mit den beiden Größen ÖVP und SPÖ mehr oder minder mithalten konnte. Bis auf wenige Ausnahmen kam die Partei immer wieder auf mehr als 15, teilweise sogar mehr als 20 Prozent. Inzwischen ist die FPÖ für viele Österreicher die einzig wählbare Partei geworden, und die Partei weiß das zu nutzen.
Dabei hatten viele die Partei schon 2019 abgeschrieben – doch Totgesagte leben bekanntlich länger. Im Mai 2019 veröffentlichte ein Konsortium aus deutschen Medien, darunter die Süddeutsche Zeitung und der Spiegel, ein heimlich aufgenommenes Video, das Strache und den damaligen FPÖ-Klubobmann Johann Gudenus im Jahr 2017 auf Ibiza zeigte. Das Video wurde kurz vor den österreichischen Parlamentswahlen 2017 aufgenommen und offenbarte Gespräche.
In dem Video unterhielten sich Strache und Gudenus mit einer Frau, die sich als Verwandte eines russischen Oligarchen ausgab. Sie bot der FPÖ Unterstützung im Austausch gegen politische Vorteile an, darunter den Zugang zu lukrativen Staatsaufträgen. Im Gespräch waren zudem Möglichkeiten, die österreichische Medienlandschaft zu verändern, etwa durch den Kauf der einflussreichen Zeitung Kronen Zeitung.
Die Veröffentlichung des Videos führte zu einem politischen Erdbeben: Heinz-Christian Strache trat sofort als Vizekanzler und FPÖ-Chef zurück, die ÖVP-FPÖ-Koalition zerbrach, und für September 2019 wurden Neuwahlen ausgerufen. Diese endeten mit deutlichen Verlusten für die FPÖ und einem gestärkten Wahlergebnis für die ÖVP.
Der Skandal hatte juristische und gesellschaftliche Folgen. Ermittlungen zu illegalen Parteispenden und Amtsmissbrauch wurden eingeleitet, die FPÖ erlitt nachhaltigen Imageschaden. Straches Versuch eines politischen Comebacks scheiterte mit seiner neuen Partei bei den Wiener Landtagswahlen 2020.
Das große Comeback nach dem Fall
In Österreich war allerdings die „Brandmauer“ – wenn man sie so nennen will – gegen die FPÖ nie so unüberwindbar wie in Deutschland. Bereits fünfmal war die Partei Teil der Bundesregierung. Doch zur letzten Wahl 2024 wollte man die Strategie der Ausgrenzung der Partei konsequenter verfolgen. Nach der Wahl unternahmen die ÖVP, SPÖ und Neos einen erfolglosen Versuch, eine Koalition ohne die FPÖ zu bilden. Die gescheiterten Koalitionsverhandlungen hinterließen einen politischen Scherbenhaufen, der nun – wie so oft – der FPÖ zugutekommt.
„Als Regierungszweck allein die FPÖ zu verhindern, ist definitiv zu wenig – wenn zwei Parteien nichts weiterbringen bei wesentlichen Reformen“, sagte die Neos-Chefin, als ihre Partei die Koalitionsverhandlungen verließ. Noch-Kanzler Karl Nehammer erklärte am Samstag für seine ÖVP, sich den Forderungen der SPÖ nicht beugen zu wollen, die den zentralen Wahlversprechen zuwiderliefen. Er sei gegenüber den Wählern der ÖVP „persönlich im Wort“, so Nehammer.
Nehammer, der noch vor der Wahl eine Zusammenarbeit mit FPÖ-Chef Herbert Kickl kategorisch ausgeschlossen hatte, tritt nun zurück. Seine Worte „Ich mache nicht den Steigbügelhalter“ verhallen. Mit dem Rücktritt Nehammers vollzieht die ÖVP eine bemerkenswerte Kehrtwende. Der neue geschäftsführende Parteichef Christian Stocker signalisiert nun Offenheit für Gespräche mit der FPÖ. „Wenn wir zu diesen Gesprächen eingeladen werden, dann werden wir diese Einladung auch annehmen“, erklärt Stocker.
Die Regierungsverhandlungen werden wohl zügig und geräuschlos vonstattengehen. Anders als in Deutschland trennt die Christdemokraten und Rechtspopulisten inhaltlich in wesentlichen Bereichen wie Wirtschaft und Migration wenig. Die ÖVP hat erkannt, dass eine Koalition mit linken Partnern nicht die bürgerliche Politik ermöglicht, die von der Mehrheit der Bevölkerung gewünscht wird. Der politische Pragmatismus hat die ideologischen Barrieren überwunden. Eine Regierung, die dem Wunsch der Mehrheit der Bevölkerung entspricht, ist in Reichweite.
Die Strategie, die FPÖ durch Ausgrenzung zu schwächen, hat sich als Bumerang erwiesen. Sie hat die Partei gestärkt. Aktuelle Umfragen sehen die Freiheitlichen inzwischen bei 37 Prozent. Neuwahlen hätten ihrer Position nur weiter zugespielt und die ÖVP in Verhandlungspositionen weiter geschwächt. Auch ein Sebastian Kurz könnte Herbert Kickl derzeit wohl kaum Paroli bieten. Viele spekulieren, dass der Ex-Kanzler wohl erst wieder in fünf Jahren die politische Bühne Österreichs betritt. Außerdem besteht die Frage, ob sich die ÖVP überhaupt Neuwahlen leisten kann. Laut den kürzlich veröffentlichten Vermögensbilanzen hat die Partei ein negatives Reinvermögen von 5,65 Millionen Euro und ist mit 3,3 Millionen Euro an Krediten sowie weiteren Verbindlichkeiten belastet.
In Österreich gab es nie eine rigide Brandmauer gegen die FPÖ – zumindest nicht in der Form, wie sie etwa in Deutschland gegen die AfD existiert. Schon früh gab es punktuelle Kooperationen zwischen der FPÖ und anderen Parteien in Sachfragen. Auch nach der ersten schwarz-blauen Koalition 2000, die die FPÖ erstmals in die Regierung brachte und zur Spaltung der Partei führte, war der Ausschluss nie gänzlich konsequent – auch wenn keiner der anderen Parteien mit den Freiheitlichen koalieren wollte.
Trotzdem entstand das Bild der „geächteten“ Partei, die gegen das System kämpft – ein Narrativ, das bei vielen Wählern Anklang fand, die sich von den beiden großen Parteien enttäuscht fühlten. Sukzessive gewann die Partei dazu. Die Flüchtlingskrise 2015 trug dann maßgeblich zum Wiederaufstieg der FPÖ bei. Als Hunderttausende Asylbewerber nach Österreich strömten, sahen viele Wähler in der FPÖ die einzige politische Kraft, die sich entschieden gegen die Überflutung durch Migranten stellte. Dies verschaffte der Partei bei den Nationalratswahlen 2017 fast 26 Prozent der Stimmen.
Nach dem Scheitern der schwarz-blauen Koalition 2019, als der Ibiza-Skandal das Vertrauen vieler Wähler zerstörte, schien die FPÖ zeitweise am Boden zu liegen. Doch inzwischen erlebte die Partei ein starkes Comeback. Die ÖVP bekam hingegen ihre Quittung für die Regierungszeit mit den Grünen: Ein Verlust von elf Prozent, nahezu deckungsgleich mit den Zugewinnen der FPÖ.
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Na also.
Jetzt muss die CDU nur noch Friedrich Merz loswerden, dann wird das schon was mit der AfD.
Pressekonferenz Herbert Kickl
https://www.youtube.com/watch?v=1trz-LbQ7dY
Viel Erfolg Herbert Kickl … in Deutschland wäre auch ein Aufbruch mit Ehrlichkeit von Nöten! Alice für Deutschland …
Deutschland als Warnung für Österreich. Sonst wäre das sicher nicht möglich gewesen.
Die Union und AfD trennt inhaltlich auch eher wenig. Es wurde ja schon öfter gescherzt, dass das AfD Programm das Union Programm aus der vor-Merkel Zeit sei.
Wegner (CDU) hat in Berlin mit AfD Parolen erfolgreich Wahlkampf gemacht, lässt jetzt halt nur keine Taten folgen.
Es könnte alles recht einfach und durchaus auch schnell gehen, wenn sich einige nicht so sehr auf ihren verlorenen Posten eingegraben hätten.
Werden hier Kommentare gelöscht? Frage nur für meinen Anwalt.
Ja, ich warte gerne..!
Leider ist Ähnliches „in dem besten Deutschland aller Zeiten“ in Bezug auf die AfD nicht möglich.
Wir brauchen mehr rechts! Warum, weil es vor 90J LINKE waren. Gibt diverse Zitate (die Apollo nicht veröffentlichen würde) die dies belegen!
Ich warte, was war das Triggerwort Apollo?