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Verfassungsschutz gegen AfD – ein ungleicher Kampf vor Gericht

Am Dienstag und Mittwoch entscheidet das Oberverwaltungsgericht in Münster über die Einstufung der AfD als Verdachtsfall. Das ermöglichte dem Verfassungsschutz seit 2021 nachrichtendienstliche Überwachungsmethoden und führte zu politischen Turbulenzen.

Im Verfahren um die Einstufung der AfD als Verdachtsfall geht es für die Partei um einen großen Sieg über den Verfassungsschutz – oder einen verschmerzbaren Rückschlag im Kampf um das eigene Ansehen. Doch bevor das Verfahren zwischen der AfD und dem Bundesamt für Verfassungsschutz überhaupt richtig starten konnte, wurden der Partei bereits große Steine in den Weg gelegt.

Zum einen wurde der Prozessbeginn am Dienstagmorgen in Münster von Demonstrationen gegen die AfD begleitet, der Umkreis des Gerichtsgebäudes wurde weiträumig abgesichert. Zum anderen hatte der Verfassungsschutz erst im Januar neue Erkenntnisse in Form von 4.200 Dokumentseiten und 116 Stunden Videomaterial vorgelegt. Eine Sichtung und Analyse der Inhalte waren in zwei Monaten nicht vollumfänglich möglich, argumentierte der AfD-Anwalt Christian Conrad und beantragte deswegen als erste Amtshandlung eine Vertagung des Verfahrens.

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Der Senat des Oberverwaltungsgerichtes in Münster lehnte diesen Antrag nach mehrminütiger Besprechung allerdings ab. Und so liegen den Richtern mehr als 15.000 Aktenseiten vor, mit denen der Verfassungsschutz die Einstufung der AfD als „Beobachtungsobjekt“ rechtfertigen möchte. Eine solche Einstufung als extremistischer Verdachtsfall erlaubt es der Behörde, einzelne Personen zu durchleuchten und V-Männer einzusetzen, um interne Informationen zu aggregieren. Außerdem entscheidet das Gericht über die Einstufung des mittlerweile aufgelösten „Flügels“ als rechtsextremistisch und die Einstufung der Jungen Alternative als gesichert rechtsextremistische Bestrebung.

Verbotsverfahren spielt keine Rolle – Einstufung als Verdachtsfall kostet AfD viel Geduld

Ein Verbotsverfahren ist am Dienstag und Mittwoch kein Thema. Generell wird aber deutlich: Die AfD wird auf Zeit spielen, denn sie hat nichts zu verlieren. Die Einstufung der Partei als Beobachtungsobjekt hat die juristische und die parteiliche Arbeit der AfD bereits beansprucht und eingeschränkt. Ihre parlamentarische Akzeptanz erfuhr durch die Beobachtung einen Hieb, weil infolgedessen der politische Ton gegenüber der AfD rauer wurde und sogar Minister gegen ihr Neutralitätsverbot verstießen, indem sie zu Demonstrationen gegen die AfD aufriefen (Apollo News berichtete). Auch die Darstellung als rechtsextremistische Partei müssen die Abgeordneten der AfD seither hinnehmen.

Bereits im März 2021 verkündete der Verfassungsschutz, den Bundesverband der AfD zu beobachten. Die Darstellung der AfD als Verdachtsfall wurde zunächst auf deren Antrag gerichtlich untersagt, ehe die AfD in einem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht in Köln 2022 unterlag und die Einstufung somit Bestand hatte. Seitdem darf der Verfassungsschutz nachrichtendienstliche Mittel einsetzen, um die Partei von innen heraus auszuspionieren. Dazu gehört auch der Einsatz von V-Männern, die in einem gewissen Rahmen auch Straftaten begehen dürfen, zum Beispiel Volksverhetzung (Apollo News berichtete).

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Doch das tat der AfD keinen öffentlichen Schaden: Während die Partei 2021 noch bei 10 Prozent verweilte, würde sie aktuell bundesweit etwa 19 Prozent der Stimmen erhalten, ein rasanter Aufstieg, der zuletzt nur durch die Neugründung des Bündnis Sahra Wagenknecht und der WerteUnion zum Stagnieren kam. Außerdem nahmen seit Januar rund drei Millionen Menschen an Demonstrationen gegen die AfD teil – der Gegenwind wird zwar stärker, wirklich schaden konnte das der AfD bisher aber nicht.

Auch die Unterwanderung mit V-Leuten ist für den Verfassungsschutz ein heikles Unterfangen. Einerseits muss die Behörde den rechtlichen Rahmen für den Einsatz solcher Mittel einhalten, andererseits kann eine überdimensionierte Unterwanderung auch schnell nach hinten losgehen, wie im Fall der NPD (heute „Die Heimat“) schnell deutlich wurde. Im ersten Verbotsverfahren gegen diese Partei stellte das Bundesverfassungsgericht im März 2003 den Prozess aus „Verfahrensgründen“ ein, weil auch die Führungsriege der NPD schon von V-Männern unterwandert war und der Verfassungsschutz somit große Teile der Partei kontrollierte.

Sollte die Einstufung der AfD als Beobachtungsobjekt jetzt im Berufungsverfahren vom Oberverwaltungsgericht Münster bestätigt werden, ändert das für die AfD erstmal nicht viel. Einzig die rechtliche Lage spitzt sich zu, weil das Gericht in Münster die letzte Instanz ist, die eine Tatsachenentscheidung beeinflussen kann.

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AfD hat nichts zu verlieren

Ein weiteres Revisionsverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig würde lediglich den rechtlichen Rahmen des Urteils, etwa Verfahrensmängel oder ähnliches überprüfen. An der inhaltlichen Einstufung als Verdachtsfall kann das höchste Verwaltungsgericht des Landes dann aber nichts mehr ändern. Außerdem ist die Einstufung als Verdachtsfall der letzte Schritt vor der Einstufung der AfD als rechtsextremistische Bestrebung – dann könnte es tatsächlich zu rechtlichen Konsequenzen für die 2013 gegründete Partei kommen.

Dass es nach den Verhandlungstagen am Dienstag und Mittwoch direkt zu einer Urteilsverkündung kommt, wollte das Gericht nicht garantieren. Sollte die Rechtssprechung zugunsten der AfD ausfallen, die Einstufung als Verdachtsfall als unrechtmäßig erklärt werden, würde das dem Kampf des Verfassungsschutzes einen herben Rückschlag beifügen.

Erst kürzlich war bekannt geworden, dass die Behörde an einem Gutachten für die Einstufung des AfD-Bundesverbandes als gesichert rechtsextremistische Bestrebung arbeitet (Apollo News berichtete). Diese Arbeit müsste der Inlandsgeheimdienst dann in Ermangelung der notwendigen nachrichtendienstlichen Mittel erst einmal einstellen. Auch strikten AfD-Gegnern würde dann vor Augen geführt werden, dass die AfD keine Gefahr für die Demokratie ist, aber die parteiliche Arbeit der AfD unter diesem Vorwand bis heute behindert wird.

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