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SPD wurde überwiegend gewählt, um die AfD zu verhindern – ein Sieg ist das nicht

Die SPD feiert einen Sieg, der auf tönernen Füßen gebaut ist, während die AfD sich als „Partei der Zukunft“ betitelt. Eine Analyse der Wähler und ihrer Beweggründe durchbricht den Nebel der Siegesfeiern vom Sonntagabend.

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Mit breiter Brust feiern die Sozialdemokraten ihren Wahlsieg in Brandenburg. Eine gewonnene Wahl – Balsam für die geschundene SPD-Seele. Da sieht sich Wahlsieger Dietmar Woidke schon in historischer Kontinuität: Es seien – wie so oft in der Geschichte – die Sozialdemokraten gewesen, die die Extremisten auf dem Weg zur Macht gestoppt hätten. Man habe verhindert, dass das Land einen „braunen Stempel“ bekomme, feiert Woidke am Sonntagabend.

Diese hohlen Parolen sind eben genau das – hohl, vollkommen substanzlos. Dietmar Woidke hat die AfD besiegt – aber er hat eben auch nur deswegen, wegen der AfD, gewonnen. Es war keineswegs ein Sieg aus eigener Stärke heraus. Das zeigen Zahlen der Tagesschau: Nicht mal jeder zweite Wähler ist davon überzeugt, dass die SPD Brandenburg nach vorne gebracht hat. Und 75 Prozent der SPD-Wähler geben an, sie wären von der Partei „nicht überzeugt“ und würden sie nur wählen, „um eine starke AfD zu verhindern“.

Die oft als „Protestpartei“ bezeichnete AfD profitiert zwar immer noch elementar von Protestwählern – die Zahlen aus Brandenburg zeigen jedoch, dass die Mehrheit der AfD-Wähler die Partei inzwischen aus Überzeugung wählt. 52 Prozent gaben am Wahlabend an, ihr Kreuz aus Überzeugung gesetzt zu haben, ein Plus von 16 Prozent, während 42 Prozent „Enttäuschung über andere Parteien“ als Wahlgrund angaben. Das sind 14 Prozentpunkte weniger als noch 2019.

Der AfD-Spitzenkandidat Berndt tritt trotz eines für die Partei enttäuschenden zweiten Platzes selbstbewusst auf. Er meint am Wahlabend, die AfD sei die „Partei der Zukunft“. Und man muss sagen: Die Zahlen geben ihm zunächst recht. Unter den jungen Wählern bis 24 haben zumindest am meisten AfD gewählt. Das will nicht ganz zum Image der Partei von gefrusteten DDR-Rentnern und ewiggestrigen alten, weißen Männern passen. Ältere Männer auf dem Land wählen in Brandenburg zumindest genauso oft SPD wie AfD.

SPD: Seniorenpartei und der Woidke-Faktor

Die SPD hingegen ist die Seniorenpartei Deutschlands: Sie ist vor allem stark bei den alten Menschen. Ihren höchsten Stimmenanteil hatte die SPD in Brandenburg bei den über 70-Jährigen – da holte sie 50 Prozent. Bei den jüngsten, den 16- bis 24-Jährigen, nur 19 Prozent. Auch Dietmar Woidke ist mit Abstand am beliebtesten bei Menschen ab 65. Ihre größten Stimmanteile hat die SPD nicht mehr bei den Arbeitern, sondern bei den Rentnern.

Ihr Sieg in Brandenburg ist also auf Sand gebaut: Nicht nur profitierte die SPD vor allem von taktischen Wählern, auch die überzeugte Stammwählerschaft ab 70 ist realistischerweise in zehn bis zwanzig Jahren kein Faktor mehr. Ein Zukunftsmodell ist die Lage der Sozialdemokraten also keineswegs. Auch wenn die SPD im Vergleich zu 2019 bei den jungen Wählern hinzugewann – hier wird ebenfalls vor allem der AfD-Verhinderungs-Effekt eine große Rolle gespielt haben.

Neben der Wahl als Anti-AfD-Partei profitierte die SPD vor allem von ihrem Spitzenkandidaten Dietmar Woidke. 52 Prozent der SPD-Wähler erklärten, dass sie ohne Woidke die SPD nicht gewählt hätten. Woidke ist beliebt wie kaum jemand sonst – um Längen beliebter als alle anderen Spitzenkandidaten. 65 Prozent der Brandenburger halten ihn für einen guten Ministerpräsidenten, selbst unter den notorisch Mainstream-kritischen AfD-Wählern ist er mit 28 Prozent überraschend beliebt. Bei einer Direktwahl hätten 50 Prozent der Brandenburger Woidke gewählt: nur jeweils neun Prozent hätten sich für den CDU-Kandidaten Redmann oder den AfD-Kandidaten Berndt entschieden.

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