Gerade noch hatte sich der Skandal um ein jugendliches Hetzblatt zu Aiwangers Gunsten gewendet, da tritt Söder mit immer neuen Forderungen auf und stichelt gegen seinen Vize. Er will nicht loslassen bis er sich Aiwangers entledigt hat.

Ein Kommentar •

Am Samstagabend schien es noch so, als habe Aiwanger den Mediensturm überlebt. Mit der Enthüllung der Urheberschaft seines Bruders zu fraglichem Hetz-Pamphlet stand im bürgerlichen Lager fest: Die SZ-Attacke auf ihn ist gescheitert, die Zeitung selbst hat sich einen Medienskandal ins Haus geholt. 

Jetzt, Tage später, legt Söder den Finger in die Wunde: Es blieben „Restzweifel“, meint er. Er spricht davon „vorerst“ an Aiwanger festzuhalten, sagt aber auch „Das ist jetzt kein Freispruch“. Später fällt der Satz „Koalitionen hängen auch nicht an einer Person“.

Erst fordert Söder Gespräch, dann schriftliche Rechtfertigung

Aiwanger soll sich nun schriftlich erklären, einen Fragenkatalog beantworten, seine Unschuld beweisen. Und das obwohl Söders Staatskanzleichef Herrmann am Tag zuvor noch davon sprach, dass es inakzeptabel sei, wenn „sich ein stellvertretender Ministerpräsident nur schriftlich äußert“. Damit ist klar: Söder hat jeden Tag neue Forderungen an Aiwanger, will ihn vor sich hertreiben.

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Es geht dem bayerischen Ministerpräsidenten hier nicht um die Sache, sondern die Person Aiwanger. Im Freistaat gibt es keinen anderen Politiker, der Söder in Sachen Popularität auch nur annähernd so sehr Konkurrenz macht wie Hubert Aiwanger. In persönlichen Umfragen trennen nur wenige Prozentpunkte die beiden voneinander.

Beinahe eigenhändig ist er für die Beliebtheit der Freien Wähler verantwortlich, die sich Chancen auf Platz 2 bei der anstehenden Landtagswahl machen können. Aiwanger loszuwerden, würde nicht nur seinen größten Rivalen in Bayern beseitigen und Söder damit unangefochten zum führenden Politiker des Landes machen, sondern köpft auch die Freien Wähler, die damit ohne ihr Zugpferd dastehen.

Söder will ihn loswerden

Mit dem heutigen Manöver dämmert: Eine Demontage Aiwangers war wohl von Anfang an geplant. Man dachte nur der Skandal schlägt eine andere Richtung ein. Erst die Vorwürfe in der SZ, dann ein Dementi Aiwangers, dann überführt man ihn per Schriftanalyse als Autor, weil das Flugblatt von der gleichen Schreibmaschine stammen muss, wie seine Facharbeit.

Aiwanger wäre als vermeintlicher Lügner und Antisemit überführt gewesen. Dann folgt der Sturm von Rücktrittsforderungen: Aus Politik, Medien, Gesellschaft – und zwar quer durch alle Lager. Söder hätte ja bis zuletzt an ihm festgehalten, aber der politisch-mediale Druck lasse ihm keine andere Wahl als seinen Vize zu entlassen – so hätte seine Rechtfertigung vor den eigenen Wählern wohl ausgesehen.

Mit der Bruder-Wende rechnete niemand

Stattdessen kam es bekanntlich anders: Dass sein Bruder zugab, das Flugblatt verfasst zu haben, war die Wende im Skandal. Allgemein galt er damit als entlastet: Der Zentralrat der Juden, von dem sich manch ein Linker vielleicht eine Rücktrittsforderung gewünscht hatte, ließ sich zu so etwas nicht hinreißen, schrieb stattdessen: „Inwiefern Hubert Aiwanger für die Verbreitung zumindest mitverantwortlich ist, wird in Gänze nicht aufzuklären sein. Die Diskussion darüber ist erkennbar politisch.“ Es sei „vor allem wichtig, dass der Inhalt des Flugblattes scharf verurteilt wird“. Das tat Aiwanger.

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Auch der prominente jüdische Historiker Michael Wolffsohn verteidigte Aiwanger in der Bild: Er wehre sich „dagegen, dass Denunzianten uns Juden für ihre tagespolitischen Zwecke missbrauchen.“ Der Skandal war längst nicht mehr Aiwanger, sondern das Vorgehen der SZ. Nur noch aus linker Ecke hörte man jetzt Vorwürfe, der 52-Jährige sei Antisemit.

Söder setzt zu Aiwangers Sturz an

Wenn da nicht Söder gekommen wäre. Er verzichtet zwar auf eine Entlassung, nur um jetzt zu Sticheleien überzugehen, die Aiwanger nach und nach in die Enge drängen sollen. Es läuft auf das Gleiche hinaus: Der „Hubsi muss weg“-Plan soll auf Teufel komm raus umgesetzt werden – allem, was seit Samstag bekannt wurde zum Trotz. Dazu gehören z.B. auch Sprüche die Söder kürzlich bei einer Wahlkampfveranstaltung von sich ließ, bei denen er seinen Stellvertreter – wie viele sagen, im Hitler-Ton – nachmachte.

Söder mag sich hinter Phrasen wie „Klarheit schaffen“, „Restzweifel ausräumen“ und Co. verstecken – aber jeder weiß, dass Söder allein die Demontage Aiwangers im Sinn hat. Auf ihn, als bürgerlichen Politiker, ist einfach kein Verlass.

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