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Schatten-Netzwerk: Das gefährliche Spiel des Verfassungsschutzes mit Fake-Accounts auf Social-Media

Zunehmend wird die Größe des Netzwerks des Verfassungsschutzes im Internet bekannt. Es ist gut möglich, dass die Anzahl der durch den Inlandsgeheimdienst genutzten Fake-Accounts weit in die Tausenden reicht. Doch das birgt Gefahren.

Zweischneidiges Schwert: Das Amt des bisherigen Verfassungsschutzpräsidenten Haldenwang setzt massenhaft Fake-Accounts ein

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Bislang wurden in der Geschichte der Bundesrepublik nur zwei politische Parteien durch das Bundesverfassungsgericht verboten. Die Hürden für ein solches Verbot sind hoch. Dass es bisher nicht zu einem solchen dritten Parteiverbot gekommen ist, trägt auch der Verfassungsschutz eine erhebliche Mitverantwortung. Im Jahr 2003 entschieden die Richter in Karlsruhe gegen ein Verbot der NPD. Die Führungsebene der Partei war zu stark mit V-Leuten des Verfassungsschutzes durchsetzt, die die Partei unter Umständen mitgelenkt haben.

Nach dem Karlsruher Urteil erlebte die totgeglaubte Partei eine Renaissance. 2004 gelang den Rechtsextremen in Sachsen erstmals seit über dreißig Jahren der Einzug in ein deutsches Landesparlament. Auch in Mecklenburg-Vorpommern überwand die Partei die Fünf-Prozent-Hürde, ebenso gelangen ihr Erfolge im Saarland und Thüringen.

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Über 20 Jahre nach dem Karlsruher Urteil nutzt der Verfassungsschutz kaum noch V-Leute für seine Arbeit. In manchen Ämtern, wie etwa Thüringen, hat man dem nahezu vollends abgesagt. Das liegt auch daran, dass sich der politische Diskurs maßgeblich ins Internet verlagert hat. Dort setzen sowohl das Bundesamt für Verfassungsschutz als auch die Landesämter mittlerweile unzählige Fake-Accounts ein, um die Aktivitäten von Extremisten ausspähen zu können. Nach und nach wird dabei öffentlich, wie umfangreich das Netzwerk eigentlich ist.

Am Mittwoch wurde bekannt, dass das Sächsische Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) in den sozialen Medien Fake-Accounts im dreistelligen Bereich nutzt (Apollo News berichtete). Auch in Berlin nutzt der dortige Verfassungsschutz mehrere hundert Accounts, wie Nius am Donnerstag berichtete. In Thüringen, wo der Verfassungsschutzpräsident Stephan Kramer, nach den Enthüllungen der Kramer-Affäre (Apollo News berichtete exklusiv), unter Druck steht, wurde bereits im November durch ein Gericht die Offenlegung der Nutzung von Fake-Accounts angeordnet.

Angesichts des offensichtlich breiten Netzwerks an verschiedenen Accounts, die die verschiedenen Ämter für Verfassungsschutz im Internet für ihre Zwecke einsetzen, stellen sich mehrere Fragen. Wofür genau werden die Accounts benutzt? Was sind ihre Befugnisse? Manipulieren sie die öffentliche Wahrnehmung extremistischer Gruppen?

Über das Vorgehen der Fake-Accounts ist öffentlich wenig bekannt. In einer Antwort auf eine entsprechende kleine Anfrage des AfD-Landtagsabgeordneten Ferdinand Mang hielt sich beispielsweise die Bayerische Landesregierung bedeckt. Das Landesamt für Verfassungsschutz erteile „grundsätzlich keine öffentlichen Auskünfte über Details zum Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel“. Als Begründung heißt es: „Aus dem Bekanntwerden derartiger Details könnten Rückschlüsse auf Vorgehensweise, Fähigkeiten und Methoden des BayLfV gezogen werden (…)“.

Aus einer kleinen Anfrage des Berliner AfD-Abgeordneten Ronald Gläser gehen aber immerhin die Plattformen hervor, auf denen das dortige Landesamt solche Fake-Accounts einsetzt. Freilich sind dort große Plattformen wie etwa X (insgesamt 36 Fake-Accounts), Instagram (37) oder Facebook (59) vertreten. Auch auf kleineren Plattformen, etwa Mastodon oder Gab, hat der Berliner Verfassungsschutz eine Inkognito-Präsenz.

Ausgerechnet der Thüringer Verfassungsschutzchef Stephan Kramer liefert einen weiteren Inhaltspunkt für die Arbeit des Verfassungsschutzes im Netz. Immer wieder betont der aussagefreudige Amtschef in Interviews die Arbeit seines Amtes im digitalen Leben. Beispielsweise setzt das Amt mittlerweile auch Mitarbeiter in Online-Videospielen ein. Auch hier nennt Kramer zwar keine Details, offensichtlich müssen die Amtsmitarbeiter jedoch so wohl in nicht-öffentliche Gruppen und Chats kommen, um Extremisten ausspähen zu können.

So läuft es vermutlich auch auf anderen Plattformen. Die Verfassungsschützer haben dabei sogar in bestimmten Fällen das Recht, Straftaten zu begehen. So etwa kann ein Mitarbeiter mit einem Fake-Account volksverhetzende Beiträge in den sozialen Medien erstellen, ohne dafür belangt werden zu können.

Schnell kann der Verfassungsschutz damit auch selbst zum maßgeblichen Treiber für extremistische Inhalte werden. Diese Gefahr besteht dabei insbesondere angesichts der schieren Größe des Netzwerks. Allein der Verfassungsschutz Berlin unterhält 236 solcher Fake-Accounts und das als relativ kleines Amt, mit insgesamt nur rund 250 Mitarbeitern.

Man kann daher wohl davon ausgehen, dass in Bundesländern mit größeren Ämtern, etwa Bayern und Baden-Württemberg, die teilweise mehr als doppelt so viele Bedienstete haben wie der Berliner Verfassungsschutz, auch jeweils mehrere hundert Fake-Accounts führen. Demgemäß könnte die Zahl solcher Fake-Accounts in den sozialen Medien sehr wohl mehrere Tausend betragen.

Der Verfassungsschutz hat damit eine mächtige Maschinerie aufgebaut, die wohl den früheren Einfluss von V-Männern auf die Öffentlichkeit weit übersteigt. Dabei liegen die genauen Ziele des Apparats immer noch größtenteils im Dunkeln. Dem deutschen Inlandgeheimdienst und seinen Landesämtern muss dabei aber auch klar sein, wie gefährlich der so breit gestreute Einsatz von Fake-Accounts sein kann.

Die Arbeit des Verfassungsschutzes steht aufgrund dessen weitreichenden Befugnissen und ganz insbesondere im Licht aktueller Skandale besonders auf dem Prüfstand. Diskreditiert sich der Verfassungsschutz selbst, könnte das auch Folgen für das Ansehen des Rechtsstaats haben.

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