Ein fester Bestandteil des jährlichen Verfassungsschutzberichts ist die Auflistung des jeweiligen „extremistischen Personenpotenzials“ in jedem der politischen Spektren. Was allerdings beim kürzlich vorgestellten Jahresbericht für 2024 ins Auge sticht, ist der Anstieg beim „Rechtsextremismuspotenzial“ – speziell bei der AfD.

Aufgeschlüsselt nach Parteien – im Fall der AfD noch als „Verdachtsfall“ – ist dabei die Anzahl Rechtsextremer laut Verfassungsschutz aufgeführt. Während die Zahl laut der Behörde 2023 bei 11.300 lag und zuvor 2022 bei 10.200, ist jetzt auf einmal die Rede von 20.000 Rechtsextremen in der Partei. Fast eine Verdoppelung binnen eines Jahres.

In keiner anderen aufgeführten Organisation ist auch nur ansatzweise eine solche Veränderung zu sehen. Wie kommen also 9.000 neue Rechtsextreme in die AfD? Der Verfassungsschutz bleibt dazu relativ schmallippig. Im Kapitel zur AfD verweist man auf den Mitgliederzuwachs der Partei. Durch den „Prozess der ideologischen Harmonisierung der AfD“ sei „davon auszugehen, dass mit dem Anstieg der Mitgliederzahl auch das extremistische Personenpotenzial in der AfD entsprechend zugenommen hat“. Gemeint ist wohl: Die AfD ist insgesamt rechter geworden und zieht jetzt auch rechtere Mitglieder an.

Aber heißt das, dass jetzt von den 10.000 neuen Mitgliedern 90 Prozent Rechtsextreme wären und diese daher das „rechtsextremistische Personenpotenzial“ in der AfD nach oben treiben? Worauf beruhen diese Schätzungen überhaupt? Dazu haben wir beim Verfassungsschutz nachgefragt. Die Antwort lässt vieles offen.

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Ob der Mitgliederzuwachs für die neuen, vermeintlichen Rechtsextremen verantwortlich ist, lässt der Dienst offen, weder bestätigen noch dementieren will man das Ganze. Zur Definition von Rechtsextremen selbst bleibt die Behörde ebenfalls vage und verweist nur auf die Website des Amtes, wo die Rede von „Nationalismus und gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit wie Rassismus und Antisemitismus“ ist.

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Spannend ist dabei vor allem die Frage: Gilt zum Beispiel schon jemand deshalb als rechtsextrem, weil er einer vom Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestuften Organisation angehört? Das würde einen Zirkelschluss zulassen – ganz nach dem Motto: Die AfD ist zunehmend rechtsextrem, weil sie zunehmend Rechtsextreme hat – und die neuen Rechtsextremen sind zum Beispiel deshalb rechtsextrem, weil es AfD-Mitglieder aus Landesverbänden sind, die dort schon für rechtsextrem erklärt wurden. Das würde die Definition ad absurdum führen.

Ganz so abwegig scheint es aber nicht zu sein, dass der Verfassungsschutz damit arbeitet. So schreibt uns die Behörde: „Grundsätzlich gilt: Bei einer Einstufung zum Beobachtungsobjekt des Bundesamtes für Verfassungsschutz (Verdachtsfall oder gesichert extremistische Bestrebung) sind die Mitglieder einer Organisation oder eines Personenzusammenschlusses grundsätzlich mitbetroffen.“

Womöglich kommen die tausenden Rechtsextremen also gar nicht durch neue Mitglieder oder tatsächliche echte Radikalisierung einzelner Mitglieder, sondern schlicht daher, dass der Verfassungsschutz ihre Parteigliederungen nun als „rechtsextrem“ hochgestuft hat.

Fakt ist: Am Ende kann man nur darüber spekulieren, wie sich der Verfassungsschutz die etwa 10.000 vermeintlich neuen Rechtsextremen in der AfD herbeirechnet. Denn: Dazu „äußert sich das BfV mit Blick auf das laufende Verfahren und aus Respekt vor dem Gericht in dieser Angelegenheit nicht öffentlich“, heißt es aus der Behörde. Und so bleibt es ein Rätsel, wie sich das „rechtsextremistische Personenpotenzial“ in der AfD von einem Jahr auf das andere quasi verdoppeln kann. Und dazu noch Stoff für Überschriften wie „AfD stellt Großteil der Rechtsextremisten in Deutschland“ liefert.

st

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