Werbung

Kein Scherz

Kurz vor Amtsende erfindet Biden einen neuen Verfassungsartikel

Der US-Präsident ändert per Tweet die Verfassung? Genau das versuchte Noch-Präsident Biden am Freitag. Er erfand einen neuen Verfassungszusatz, der angeblich schon seit fünf Jahren in Kraft ist. Dabei sind sich die zuständigen Stellen einig: Es hat sich nichts an der Verfassung geändert.

Werbung

Die US-Verfassung hat einen neuen Verfassungsartikel – und das übrigens schon seit fünf Jahren. Das behauptete Noch-US-Präsident Biden am vergangenen Freitag plötzlich gegenüber einer erstaunten Nation. Kurz darauf kassierte er auf X eine Community Note, die die Erklärung des Präsidenten als Falschbehauptung brandmarkte. In Deutschland laß man über den Vorgang, der so gar nicht in das Bild von Biden als vermeintlichen Verteidiger des Rechtsstaats und der Demokratie passt, dabei kaum etwas.

Bidens, als „Statement des Präsidenten“ durch das Weiße Haus veröffentlichte, Erklärung erfindet den entsprechenden Verfassungsartikel schlichtweg. Es geht um den Equal Rights Amendment (ERA) – einen Vorschlag für einen Zusatz zur US-Verfassung aus den 70ern, der nie gültig ratifiziert wurde. Ihn erklärte Biden jetzt plötzlich zum geltenden Recht. Dabei gab keinen neuen Rechtsakt, nur Bidens persönlichen Wunsch drei Tage vor Amtsende, dass dieser in Kraft tritt.

...
...

So erklärte Biden: „Am 27. Januar 2020 ratifizierte das Commonwealth of Virginia als 38. Bundesstaat den Equal Rights Amendment. […] Ich bekräftige, was ich glaube und was drei Viertel der Bundesstaaten ratifiziert haben: Der 28. Zusatzartikel ist Gesetz des Landes.“

Der US-Präsident spielt bei der Änderung der Verfassung rechtlich keinerlei Rolle. In den USA läuft eine Verfassungsänderung so ab, dass der Kongress einen neuen Verfassungszusatz mit Zwei-Drittel-Mehrheiten in beiden Kammern den Bundesstaaten vorschlägt. Er tritt in Kraft, sobald drei Viertel der Staaten diesen ratifiziert haben.

Bereits seit Jahrhunderten ist es dabei üblich, dass der Kongress für jene Ratifizierung eine explizite Frist vorgibt, die normalerweise sieben Jahre beträgt. Wird der vorgeschlagene Verfassungszusatz in dieser Zeit nicht von der nötigen Zahl an Bundesstaaten ratifiziert, verfällt er.

Lesen Sie auch:

Im Fall des ERA, der per Verfassung eine Unterscheidung zwischen den Geschlechtern verbieten würde, und von Konservativen, die etwa eine Wehrpflicht für Frauen fürchteten, abgelehnt wurde, kam es zu letzterem Fall: Der Kongress schlug den Verfassungszusatz vor, aber dieser erhielt innerhalb der folgenden sieben Jahre nicht die nötige Zahl an Ratifizierungen.

Kurz vor Ablauf der Frist verlängerte der Kongress – diesmal aber nur mit einfacher Mehrheit und damit verfassungsrechtlich fragwürdig – die Frist um drei weitere Jahre. Auch in dieser Zeit gab es aber keine Ratifizierung durch drei Viertel der Bundesstaaten. Im Gegenteil: Mehrere Staaten zogen ihre Ratifizierung wieder zurück. Damit war der ERA endgültig gescheitert, so waren sich Juristen bisher eigentlich einig.

Seit Ablauf der verlängerten Frist und damit dem endgültigen Ende des vorgeschlagenen Verfassungsartikels ratifizierten dann vermeintlich drei weitere Bundesstaaten nachträglich den Artikel. Aber selbst wenn man die vom Kongress beschlossene Frist völlig ignoriert (wie es Biden nun tut): Damit gäbe es eigentlich weiterhin keine Drei-Viertel-Mehrheit, denn viel mehr Bundesstaaten haben ihre Ratifizierung wieder zurückgezogen. Man käme nur auf eine Drei-Viertel-Mehrheit, wenn man beide Fristen plus die Zurücknahme der Ratifizierung in sechs Bundesstaaten ignoriert.

Das alles tat Biden nun, um aus dem Weißen Haus eine Verfassungsänderung zu erklären. Zuständig ist er dafür wie gesagt nicht. Per Gesetz ist es Aufgabe der Archivistin der Vereinigten Staaten, eine Verfassungsänderung in den Verfassungstext aufzunehmen. Die Archivistin Colleen J. Shogan, selbst von Biden ernannt, erklärte dabei zuletzt deutlich, dass der ERA nicht in Kraft ist und berief sich dabei auch explizit auf Rechtseinschätzungen von Bidens eigenem Justizministerium:

„Im Jahr 2020 und erneut im Jahr 2022 bestätigte das Office of Legal Counsel des US-Justizministeriums, dass die vom Kongress für das ERA festgelegte Ratifizierungsfrist gültig und durchsetzbar ist.“ Eine „Verlängerung oder Aufhebung der Frist“ erfordere „neue Maßnahmen des Kongresses oder der Gerichte“. Aber „Gerichtsentscheidungen sowohl auf Bezirks- als auch auf Kreisebene haben bestätigt, dass die vom Kongress für das ERA festgelegten Ratifizierungsfristen gültig sind“.

Daher sei es „nicht legal“, den ERA als Teil der US-Verfassung zu publizieren. „Die Rolle der Archivistin der Vereinigten Staaten besteht darin, das geltende Recht zu befolgen und die Integrität der Regierungsinstitutionen unseres Landes zu gewährleisten. Persönliche Meinungen oder Überzeugungen sind nicht relevant; als Leiter des Nationalarchivs unterstützen wir etablierte Rechtsverfahren und -entscheidungen.“

All das ist auch Biden bewusst. Sein Statement hat keinen direkten rechtlichen Effekt und ist daher als persönliche Meinung des Präsidenten geframt. Aber die Signalwirkung ist klar: Linke Aktivisten werden jetzt behaupten, weil der Präsident etwas zum Teil der Verfassung erklärt habe, ist es dies auch – allem geltenden Recht zum Trotz.

Genau dieses Vorgehen aber ist etwas, das viele von ihnen viel eher dem ehemaligen und künftigen Präsidenten Trump vorwerfen würden. Der kann von sich bisher aber getrost sagen: Egal was für Kontroversen er hatte, er versuchte nie, die US-Verfassung per Tweet zu ändern – wie nun im Falle Bidens.

Sie haben brisante Insider-Informationen oder Leaks? Hier können Sie uns anonyme Hinweise schicken.

Werbung