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Ja, der Tod von Peanut dem Eichhörnchen ist ein politischer Skandal

Ein von der New Yorker Umweltbehörde eingeschläfertes Eichhörnchen versetzt das republikanische Spektrum in Aufruhe und könnte die Wahl beeinflussen. Ist das übertrieben?

Peanut das Eichhörnchen, Screenshot von Instagram peanut_the_squirrel12

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Der Tod eines Eichhörnchens erschüttert eine Nation kurz vor der Wahl. Peanut, das Eichhörnchen, das von den New Yorker Behörden eingeschläfert – oder wie seine Anhänger sagen „ermordet“ – wurde, scheint die Republikaner in ähnlichem Maße zu mobilisieren, wie der Tod von George Floyd einst 2020 die Demokraten. Auf einer Rallye in North Carolina gibt der Vize-Kandidat der Republikaner ein Statement zu Peanuts Tod ab und versichert seinen Anhängern, dass auch Donald Trump wütend über den Tod des Eichhörnchens sei. 

Peanut war ein Grauhörnchen und Instagram-Star mit zwei Millionen Followern auf TikTok. Sein Ziehvater Marc Longo rettete Peanut 2017 als verwaistes Jungtier, nachdem seine Mutter von einem Auto überfahren wurde. Er nahm es auf und zog es mit der Flasche groß. Versuche, das Eichhörnchen wieder freizulassen, scheiterten, da das Tier bereits zu domestiziert war, um in der Wildnis zu überleben. Nachdem Longo mit Frau und Hörnchen 2023 nach New York zog, gründete er dort das „P’Nuts Freedom Farm Animal Sanctuary“, eine Auffangstation für verletzte, vernachlässigte und heimatlose Tiere. 

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Auf anonyme Hinweise hin wurde Peanut gemeinsam mit Fred, einem verletzten Waschbären, von der New Yorker Umweltschutzbehörde bei einer Razzia am 30. Oktober beschlagnahmt. Denn der Besitz von Wildtieren ist im Bundesstaat New York illegal. Wenige Tage später wurde bekannt, dass beide Tiere in der Obhut der Behörden eingeschläfert wurden. Seitdem ist das Internet voll von Beileidsbekundungen, Wut und Eichhörnchen-Memes, insbesondere aus dem konservativen Spektrum, das diesen Fall geschickt an sich gerissen hat. 

Eine Frau aus Texas, die sich auf ihrem Facebook-Account dazu bekannt haben soll, die Hinweisgeberin gewesen zu sein, die die Behörden auf Peanut aufmerksam machte, musste angesichts eines gewaltigen Shitstorms sämtliche Social-Media-Accounts löschen. Neuerdings geht die Behauptung um, Marc Longo sei in der Vergangenheit Darsteller in Schwulenpornos auf OnlyFans gewesen. Doch auch das hält die Republikaner nicht davon ab, sein Eichhörnchen rächen zu wollen. Der Fall polarisiert – und man bekommt fast den Eindruck, dass er Einfluss auf die Wahl haben könnte. 

Es scheint wie ein Rollentausch der politischen Spektren. Die Republikaner verteidigen das Nagetier eines vermeintlichen schwulen Pornodarstellers, während die Demokraten, die sonst jede Laborratte und Legehenne retten wollen, der Tod der beiden Tiere völlig kalt lässt. Doch die Frage, ob eine Behörde einfach in die Wohnungen ihrer Bürger einfallen und ihre Tiere umbringen dürfen sollte, ist keine Frage von Tierliebe. 

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Es ist die Angst vor einem übergriffigen Staat, die die Republikaner antreibt – also absolut „on brand“ für sie. Donald Trump sollte der New Yorker Umweltschutzbehörde eine Dankeskarte schicken, denn Peanut-Gate hätte zu keinem passenderen Zeitpunkt kommen können. Es ist nicht das erste Mal, dass der amerikanische Staat seine Grenzen überschritten hat. Auch wir in Deutschland kennen Fälle von Razzien, die möglicherweise politisch motiviert und unverhältnismäßig waren. Doch diese Fälle empören die Masse nicht, weil sie zu abstrakt sind. Ja, das ist schon krass, aber mir kann so etwas nicht passieren. Ich bin doch gar nicht politisch aktiv, ich halte mich an die Regeln, ich bin nicht gefährlich. 

Doch mit dem Fall von Peanut muss sich jeder Amerikaner fragen: Wenn die Behörde Hausdurchsuchungen wegen eines Eichhörnchens einleiten kann – was hält sie davon ab, als Nächstes meine Wohnung auseinanderzunehmen? Auch wenn das Halten von Peanut illegal war – rechtfertigt jetzt jede Ordnungswidrigkeit eine Razzia? Ist das der Staat, in dem wir leben wollen? Was kommt als Nächstes: Ein abgelaufenes Nummernschild, eine vertauschte Zahl in der Steuererklärung, ein schwarz bezahlter Handwerker und schon steht ein SWAT-Team vor der Tür und nimmt die Wohnung auseinander? 

Es ist schockierend, wie willkürlich und unangemessen diese Maßnahme war. Und dann ausgerechnet in New York. Der Bundesstaat ist bekannt für seine enorme Kriminalitätsrate und Bandenkriege. Dass die Behörden nichts Besseres zu tun haben, als illegale Nagetiere zu verfolgen, ist kaum zu erklären. Insbesondere wenn man bedenkt, wie berüchtigt New York dafür ist, schmutzig und verdreckt zu sein. Die fetten Ratten von New York sind legendär; erst kürzlich ist der New Yorker Bürgermeister auf die Idee gekommen, Mülltonnen einzuführen – aber die Behörden sorgen sich über das Krankheitsrisiko eines regelmäßig gebadeten Eichhörnchens? Die Geschichte ergibt hinten und vorne keinen Sinn. 

Dann auch noch das Einschläfern der Tiere, ohne ihrem Besitzer die Möglichkeit einer Stellungnahme oder zur Verteidigung zu lassen – und alles losgetreten durch einen anonymen Hinweis. Diese Geschichte ist der reinste Horror. Sie zeigt eine offenbar überstürzte und kopflose Aktion eines Staates, der keinen Sinn für Verhältnismäßigkeit oder Prioritäten hat. Also ja: man darf sich über den Tod eines Eichhörnchens aufregen. 

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