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Im Nebensatz stellt Habeck die Systemfrage – und kündigt den größten Infrastrukturumbau der jüngeren Geschichte an

Abseits aller medialen Aufmerksamkeit hat Robert Habeck während der Sommerpause innerhalb der Ampelkoalition mit Beratungen über ein neues Strategiepapier begonnen. Es soll Unternehmen dazu zwingen, ihre Produktion zu drosseln, sollten Engpässe bei erneuerbaren Energien drohen. In einem Brief warnen Wirtschaftsvertreter vor einer Katastrophe.

In einem Strategiepapier will die Ampelregierung wortwörtlich den Strommarkt auf den Kopf stellen. Industriekonzerne sollen ihre Produktion kappen, sollte sogenannter grüner Strom knapp werden – und dann mit Rabatten beim Netzentgelt entschädigt werden. Robert Habeck zeigt in seinem Papier das "Strommarktdesign der Zukunft" – unterstützt von Christian Lindner und Olaf Scholz.

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Mit der sogenannten „Wachstumsinitiative“ der Ampelregierung dürfte wohl der größte Umbau des Stromnetzes in Deutschland seit bestehen der Bundesrepublik bevorstehen. Dabei ist er freiheitsbedrohlich, tiefgreifend planwirtschaftlich – und wird oft medial verschwiegen. Die Pläne der Bundesregierung sind in einem Papier von Wirtschaftsminister Robert Habeck festgehalten, welches den Namen „Strommarktdesign der Zukunft“ trägt.

„Die Netzentgeltstruktur für Großverbraucher begünstigt aktuell den gleichmäßigen Verbrauch von Strom“, heißt es in dem Papier aus dem Wirtschaftsministerium, über welches während der politischen Sommerpause bereits beraten wurde. Großverbraucher – meist Industriekonzerne – erhalten seit Mitte der 2000er Jahre im Schnitt 80-prozentige Rabatte auf das Netzentgelt, wenn kontinuierlich große Mengen an Strom verbraucht wurden.

Klaus Müller war früher Grünen-Politiker und ist jetzt Präsident der Bundesnetzagentur, bei welcher laut BMWK-Papier die „Zuständigkeit für die Einführung und Ausgestaltung von Netzentgelten“ liegt.

Mit dieser Planungssicherheit und niedrigen Strompreise konnte sich Deutschland jahrzehntelang als Exportweltmeister auf den internationalen Gütermärkten behaupten. Mit dem neuen „Strommarktdesign der Zukunft“ will die Ampelregierung nun tief in das Verbraucherverhalten eingreifen, man will eine „Flexibilisierung der Nachfrage“. Die altbekannten Rabatte für Großabnehmer sollen abgeschafft werden.

Stattdessen soll es Preisnachlässe geben, wenn Unternehmen ihre Nachfrage „flexibilisieren“: Die Industrie soll ihren Verbrauch erhöhen, sollte es einen Überschuss an sogenanntem grünen Strom geben – also aus Wind- und Solarenergie. Drohen Engpässe und Dunkelflauten, soll die Produktion heruntergefahren und Verbrauch reduziert werden. „Flexible Lasten wie zum Beispiel Wärmepumpen, bestimmte Teile industrieller Prozesse […] können ihren Strombedarf im gewissen Maß verschieben und an die fluktuierende Erzeugung aus Wind und PV anpassen“, so das Papier aus dem Bundeswirtschaftsministerium.

Weiterhin erfordere der „Einsatz dynamischer Stromtarife“ ein „umfassendes Monitoring“. Zu starke und aggregierte Nachfrageschocks, beispielsweise an sonnigen Sommertagen, würden dazu führen, dass die Preise starker Volatilität ausgesetzt wären. Genauso könnten die Preise bei Dunkelflauten explodieren. Die Bundesregierung will mit dynamischen Stromtarifen faktisch Preispolitik betreiben und dafür das Verbraucherverhalten genauestens beobachten. Durch eine „explizite Regelung“ im Energiewirtschaftsgesetz „muss das Sammeln von Erfahrungswerten schon heute beginnen“.

Wirtschaftsvertreter warnen vor „verheerendem Habeck-Plan“

Laut einem Bericht der Welt warnen mehrere Wirtschaftsvertreter in einem Brief an Robert Habeck vor einem „verheerendem Signal für den Wirtschaftsstandort Deutschland“. Das Eingreifen in das Verbraucherverhalten von Stromkunden und das Anpassen „der Produktion an eine volatile Stromerzeugung ist dort technisch entweder gar nicht möglich.“ Deutsche Unternehmen würden im europäischen Wettbewerb „hoffnungslos unterlegen“ sein.

Eine Nichtauslastung deutscher Industriebetriebe würde durch hohe Stückkosten sehr teuer werden – teilweise ist ein derartiges Herunterfahren der Produktion gar nicht möglich, da „für eine Vielzahl von Unternehmen eine Flexibilisierung aus technischen Gründen ausscheidet, da sie kontinuierliche Produktionsprozesse haben“, sagen Astrid Hamker, Präsidentin des Wirtschaftsrates der CDU und ihr Generalsekretär Wolfgang Steiger in ihrem Brief.

Doch dabei soll es nicht bleiben: Klaus Müller setzt in einem Papier seiner Bundesnetzagentur vom Anfang des vergangenen Jahres voraus, dass die Industrie zu einem „freiwilligen Lastverzicht“ von 13,6 Gigawatt bereit sein muss, um bis 2031 Versorgungssicherheit gewährleisten zu können. Das entspricht etwa der Leistung von bis zu 15 Kohlekraftwerken.

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Umso irritierter sind wir, dass Sie die Konsultationen zu diesen wichtigen Fragen in die Sommerpause gelegt haben.

Brief des Wirtschaftsrates der CDU an Robert Habeck und Klaus Müller

Die stetig sichere Versorgung mit Strom sei für Unternehmen „längst eine Existenzfrage“, ebenso wie der Netzentgelt-Rabatt, so die Wirtschaftsvertreter in ihrem Brief. Man sei irritiert, dass die Beratungen zu diesen wichtigen Fragen in die Sommerpause gelegt wurden. Bis zum 18. September sollen die Beratungen abgeschlossen sein – Beratungen über den größten Infrastrukturumbau der jüngsten Geschichte. Das sogenannte neue „Strommarktdesign“ ist Teil der Wachstumsinitiative der Bundesregierung, es wird also sowohl von Olaf Scholz, als auch von Christian Lindner unterstützt.

Doch nicht nur ist das neue Strommarktkonzept von Robert Habeck praktisch fast unmöglich, ohne folgenreiche wirtschaftliche Konsequenzen nach sich zu ziehen. Es könnte zudem Lieferketten sprengen und ganze Wirtschaftszweige kaputtgehen lassen, sollten einige Teile der Produktion ihren Betrieb einstellen müssen aufgrund von Versorgungsunsicherheit. „Chemie-Anlagen sind in der Regel sehr kapitalintensiv und brauchen eine Auslastung von mindestens 80 Prozent, wenn sie wirtschaftlich sein sollen“, so ein Geschäftsführer eines Chemieparks für die Welt.

Sollten das sogenannte „Bandlast-Privileg“ – also die kontinuierlich hohe Stromabnahme durch Industriekonzerne und andere Großabnehmer – gestrichen werden, drohe „eine Verfünffachung der Netzentgelte“, so Christof Günther, Geschäftsführer des Chemieparks Infraleuna. „Eine Produktion in Deutschland wäre für viele dann nicht mehr möglich.“

Robert Habecks Konzept der sogenannten grünen Transformation beinhaltet nicht nur, dass die deutsche Industrie in den kommenden Jahren auf Strom verzichten muss, welcher von knapp 15 Kohlekraftwerken produziert werden kann – sondern auch das Entschädigen dieses Herunterfahrens der Produktion durch Steuergelder.

Nach Habecks Plan sollen mittels neudefinierter Rabatte beim Netzentgelt Unternehmen für ihre Nichtproduktion buchstäblich ruhiggestellt werden. Ein derartiges Konzept der Subventionierung für das Herunterfahren der Produktion hat Habeck bereits an anderen Stellen vollzogen: So sollte beispielsweise mit der Einführung einer Quote für grüne Rohstoffe die Industrie klimaneutraler werden. Nachfrage von der Marktseite gibt es wenig – stattdessen soll der Staat die Aufträge vergeben (Apollo News berichtete).

Oder auch die Kraftwerksstrategie, dessen Bericht seit über zwei Jahren überfällig ist (Apollo News berichtete), soll Anreize für den Bau von Reservekraftwerken schaffen. Sie sollen einspringen, wenn der Strombedarf nicht durch die sogenannten grünen Energien gedeckt werden kann. Dabei soll ein sogenannter „Kapazitätsmechanismus“ greifen – und die Vorhaltung von Kraftwerkskapazitäten belohnen. Übersetzt bedeutet dies: Der Staat bezahlt den Erzeugern das Drosseln der Produktion. Diese grüne Transformation wird immer mehr zur planwirtschaftlichen Transformation.

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