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Compact-Verbot: Für Faeser geht es jetzt um alles

Das Verbot des Compact-Magazins ist ein in der Bundesrepublik beinahe einmaliger Vorgang. Faeser setzt damit alles auf eine Karte, denn sollte das Verbot vor Gericht nicht standhalten, müsste die Innenministerin eigentlich zurücktreten.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser hat am 16. August in einem beispiellosen Vorgang das Compact-Magazin verboten

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Mit dem Verbot des Compact-Magazins hat Faeser womöglich einen schwerwiegenden Präzedenzfall geschaffen. Wenn sie mit dem Verbot des Mediums trotz vager Begründungen durchkommt, dann gibt es kein Halten mehr. Denklogische Gründe, welche die Innenministerin hindern würden gegen andere Medien vorzugehen, gibt es kaum.

Deutschland dürfte nun erst mal ein Verhandlungsmarathon bevorstehen. Compact wird in einem ersten Schritt vermutlich von ihrem Recht auf effektiven Rechtsschutz Gebrauch machen und die vorläufige Aufhebung bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache verlangen. „Wirksamer Rechtsschutz bedeutet auch Rechtsschutz innerhalb angemessener Zeit“, so das Bundesverfassungsgericht. Damit soll verhindert werden, dass aufgrund der Dauer des Verfahrens unzumutbare Nachteile entstehen.

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Reicht Compact einen entsprechenden Antrag ein, wäre mit einem Urteil innerhalb von wenigen Wochen zu rechnen. Hierbei hätte Compact wohl gute Aussichten auf Erfolg. Schon die Tatsache, dass zumindest umstritten ist, ob aus formaler Hinsicht das Vereinsgesetz überhaupt angewendet werden durfte und dem Compact-Magazin bei Aufrechterhaltung des Verbots während des Verfahrens wohl massive (wirtschaftliche) Nachteile drohen, dürfte hierfür ausreichen.

Zum eigentlichen Showdown wird es wohl erst im Hauptsacheverfahren kommen. Die Erfahrung zeigt, dass Verbotsverfahren auf Basis des Vereinsgesetzes aus Sicht des Staates außerordentlich effektiv sind. In Deutschland wurden seit 1951 über 100 solcher Verbote ausgesprochen. Nur in einem einzigen Fall musste das Verbot nachträglich wieder aufgehoben werden. Doch auch die von Faeser interpretierte Anwendung des Vereinsgesetzes ist ein einmaliger Vorgang.

In Deutschland gab es bisher zwei weitere Verbote von Medien. Zum einen wurde 2017 die linksextremistische Seite indymedia.org und zum anderen das rechtsextreme Altermedia verboten. Beide Webseiten sind jedoch tatsächlich vereinsmäßig organisiert gewesen. So steht hinter indymedia.org etwa der brasilianische Verein Associacao Brasileira Democratizacao da Comunicacao. Zudem haben beide Medien offen zu Straftaten aufgerufen. Die begriffliche Definition des Vereinsbegriffs ist tatsächlich weit gefasst und grundsätzlich nicht an eine Rechtsform gebunden. Von Juristen wird dieses Vorgehen von Faeser dennoch als rechtswidrig beschrieben.

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Der Staatsrechtler Volker Boehme-Neßler wirft Faeser einen unzulässigen „Trick“ angewendet zu haben. Das Verbot vom Compact-Magazin sei „juristisch völlig inakzeptabel“. FDP-Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki geht noch einen Schritt weiter. „Das Vereinsrecht ermöglicht das Verbot von Vereinigungen und nicht von Medien“, so Kubicki. „Sollte das Verbot, was ich befürchte, gerichtlich aufgehoben werden, ist ein Rücktritt der Innenministerin unvermeidlich“.

Bei einem Scheitern müsste Faeser eigentlich zurücktreten

Tatsächlich hat Faeser alles auf eine Karte gesetzt. Nancy Faeser demonstrierte am Dienstag eindrucksvoll, dass ihr Gerede vom „Kampf gegen Rechts“ keine Worthülsen sind. Dabei ist sie bereit mit den schärfsten und brachialsten staatlichen Eingriffen vorzugehen. In den kommenden Verhandlungen geht es nun buchstäblich um ihr politisches Überleben. Faeser wird juristisch aus allen Rohren feuern und alles in ihrer Macht Stehende in Bewegung setzen, um das Verbot des Compact-Magazins aufrechtzuerhalten.

Überhaupt ist die Bundesrepublik in ihrer Geschichte erst einmal gegen ein größeres Presseorgan vorgegangen. Der Spiegel veröffentlichte 1962 einen kritischen Artikel über die Verteidigungsfähigkeit der Bundesrepublik Deutschland. Daraufhin leiteten die Behörden ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts auf Landesverrat gegen die Verantwortlichen des Magazins auf Betreiben des damaligen CSU-Verteidigungsminister Franz-Josef Strauß ein.

Herausgeber Rudolf Augstein saß daraufhin dreieinhalb Monate in Untersuchungshaft. Doch die sogenannte „Spiegel-Affäre“ endete für die Bundesregierung in einem Desaster. Vom Bundesgerichtshof wurden die Klagen gegen den Spiegel und seine Vertreter nicht einmal zugelassen. Um die Koalition und Kanzler Adenauer zu retten, trat Strauß schließlich zurück. Im Vorfeld hatten bereits sämtliche Minister der FDP ihren Rücktritt erklärt. Ob die FDP heute noch so viel Rückgrat zeigen würde wie damals, bleibt offen.

Überhaupt sind Rücktritte heutzutage so gar nicht mehr in Mode. Dabei scheint Faeser sogar für eine Ampel-Ministerin besonders fest an ihrem Stuhl zu kleben. Bereits nach ihrer gescheiterten Kandidatur für das Ministerpräsidentenamt in Hessen war Faeser lauten Rücktrittsforderungen ausgesetzt – ignorierte diese aber.

Bei einem Scheitern des Verbots des Compact-Magazins müsste Faeser eigentlich endgültig ihren Rückzug aus der Spitzenpolitik erklären. Andernfalls würde es bedeuten, dass Bundesminister ohne Konsequenzen das Grundgesetz mit den Füßen treten können. Und dann stehen Deutschland wirklich düstere Zeiten bevor.

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