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Bebelplatz

Ein blutüberströmtes Kinderbett mitten in Berlin

Der Bebelplatz in Berlin wird für einige Wochen zum „Platz der Hamas-Geiseln“. In Nachbauten von Tunneln und zerstörten Wohnzimmern, zwischen Blut und Kinderspielzeug, bekommt man einen Eindruck von dem, was die Hamas Israel angetan hat. Man kann den Menschen ins Gesicht sehen, deren Leben am 7. Oktober zerstört wurde.

Für jede Geisel gibt es am Bebelplatz einen weißen Stuhl - hier kann man den Menschen, die von der Hamas entführt wurden, ins Gesicht sehen.

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Es ist dunkel, eng und klein. Abgedeckte Lampen geben kaum Licht im Tunnel, auf dessen Fußboden kaum sichtbar alte Decken liegen. Ein Gefühl der Beklemmung stellt sich ein, wenn man daran denkt, dass die Geiseln der Hamas seit vielen Monaten in solchen Tunneln leben müssen. Unterirdisch, ohne Tageslicht oder frische Luft, fürchten sie jeden Menschen, der vorbeikommt. Denn der Lebenssinn ihrer Geiselnehmer ist die vollständige Vernichtung der Juden.

Das hat die Hamas in Artikel 7 ihrer Gründungscharta aus dem Jahr 1988 so festgehalten. Die Hamas bezieht sich explizit auf einen Ausspruch des Propheten Mohammed, der besagt, dass das Weltgericht erst kommen werde, wenn alle Juden getötet wurden. Dass diese Charta für die Hamas immer noch Gültigkeit hat, zeigte nicht zuletzt das brutale Massaker an israelischen Juden am 07. Oktober 2023.

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Der Tunnel, durch den ich gehe, ist nur eine dreizehn Meter lange Nachbildung, die überirdisch liegt. Und dennoch stellt sich umgehend dieses bedrückende Gefühl ein. Am Eingang fällt noch Licht auf den Fußboden und erlaubt den Blick auf eine kleine Kindermatratze, die mit Kunstblut bedeckt ist. Eine Erinnerung daran, dass unter den über 1.000 Israelis, die am 7. Oktober ermordet wurden, auch Kinder waren – genau wie unter den etwa 250 Geiseln, die die Hamas nach Gaza verschleppt hat.

Eines von ihnen ist Kfir Bibas. Der kleine Rotschopf war nur neun Monate alt, als er mit seinem vierjährigen Bruder Ariel und seiner Mutter Shiri Bibas von der Hamas entführt wurde. Die Terroristen behaupten, dass der kleine Kfir, sein Bruder Ariel und seine Mutter Shiri tot sind, doch dafür gibt es bislang keine Beweise. Die IDF geht von „psychologischem Terror“ aus. Das Einzige, was man sicher weiß, ist, dass die Hamas den Vater Yarden, der von seiner Familie getrennt gefangen gehalten wird, für Propaganda-Videos missbraucht.

Ariel Bibas hat inzwischen seinen fünften Geburtstag in Gaza verbracht. Kfir wurde am 18. Januar irgendwo zwischen Tunneln und Schutt ein Jahr alt (Apollo News berichtete). Laut AP News sollen sie die einzigen Kinder-Geiseln sein, die noch im Gazastreifen sind – ihr Schicksal ist unklar. Kfir und Ariel besitzen wie ihre Mutter auch die deutsche Staatsangehörigkeit. Die Aufforderung „Bringt sie jetzt nach Hause!“ ist daher auch eine Aufforderung an den deutschen Staat, allen voran an Außenministerin Baerbock.

Zentrales Anliegen des „Platzes der Hamas-Geiseln” ist es, an die 101 noch in Geiselhaft befindlichen Menschen zu erinnern. Für jeden einzelnen von ihnen stehen leere weiße Plastikstühle auf dem Asphalt – versehen mit einem Plakat mit Foto, Name, Alter und Staatsangehörigkeit der Geisel. Darüber steht „entführt“. Auf einigen Plakaten prangt zusätzlich der Schriftzug „ermordet“.

Inzwischen sind nach Angaben der israelischen Armee nämlich mindestens 34 Menschen, die sich noch in Geiselhaft befinden, tot. Auch sie haben hier einen Platz – sind nicht länger anonym. Man kann ihnen ins Gesicht sehen. Viele sind jünger als ich. Sie strahlen auf ihren Porträts in die Kamera – nichtsahnend, was die Hamas ihnen und ihren Familien antun wird. Auf manchen Stühlen liegen Rosen. Jeder einzelne ist mit einer gelben Schleife geschmückt.

Die gesamte Installation steht unter dem Motto „Die Zeit läuft davon – Bring them home NOW”. Eine Erinnerung daran, dass Menschenleben auf dem Spiel stehen, und zugleich ein Ort des Trost und der Begegnung. Eine Freundin erzählte mir von mehreren Begegnungen, die sie hier mit israelischen Juden hatte. Einer von ihnen hat über dreißig Freunde und Verwandte am 07. Oktober verloren. Sie sind bewegt von diesem Ort – bewegt davon, dass auch Nicht-Juden beim Platz mithelfen und der Geiseln gedenken.

Insgesamt helfen über 100 Freiwillige, den Platz zu gestalten und am Laufen zu halten: junge, alte, Juden, Nicht-Juden. Sie alle eint der Wille, zu tun, was ihnen möglich ist, damit die Geiseln wieder nach Hause kommen können. „Die Motivation von vielen Helfern ist, dass die Geiseln zurückkommen. Dass wir nicht noch mehr Eltern im Internet oder hier haben, die uns sagen, dass sie selbst nicht genug getan haben, dass wir alle nicht genug getan haben“, so sagt es eine Mitarbeiterin. Die Gesellschaft solle ihre Aufmerksamkeit auf die Geiseln richten und nicht vergessen, „dass sie weiterhin in Gaza gefangen sind“.

Die große Sanduhr erinnert daran, dass die Zeit der Geiseln abläuft und jeden Tag umso dringlicher die Forderung erhoben wird: „Bringt sie jetzt nach Hause!“

Im Zentrum der Installation steht die Nachbildung eines zerstörten Wohnzimmers in einem Kibbuz: ein blutbeflecktes Sofa, ein blutbeflecktes Kinderbett, umgeworfene Möbel, stehengebliebene Uhren, Schutt und Dreck auf dem Boden. Ein Sinnbild für das grausame Vorgehen der Hamas-Terroristen, die ihre Taten feierten. Sie grölten und jubelten, als sie den toten, halbnackten Körper der deutschen Staatsangehörigen Shani Louk auf einem Jeep in Gaza zur Schau stellten. Sie verbrannten Menschen bei lebendigem Leib, spielten mit den toten Körpern ihrer Opfer.

In einem 43-minütigen Video, welches das israelische Militär ausgewählten Journalisten zeigte, gibt es viele solcher grausamen Szenen. Das Video besteht aus Zusammenschnitten von Bodycam-Aufnahmen der Terroristen, Handyvideos der Opfer und Aufnahmen der Überwachungskameras. Mit Erlaubnis der Angehörigen wurden dabei auch die Körper von 138 ermordeten Menschen gezeigt – Bilder, die für die meisten Menschen wohl zu grausam wären, um sie zu ertragen.

Am Bebelplatz soll nur ein Eindruck dessen vermittelt werden – doch schon dieser künstliche Nachbau löst Betroffenheit, Trauer, Wut und Ekel aus. „Das war echt grausam, das aufzubauen“, sagt mir auch eine Mitarbeiterin über die Nachbildung des Wohnzimmers. Aber es sei „wunderschön, wie Leute es sich im Laufe der letzten Wochen angeeignet haben, mit den Blumen, mit den Kerzen. Es zeigt, dass wir nicht alleine sind“.

Der „Platz der Hamas-Geiseln“ wurde an dem Ort errichtet, an dem im Mai 1933 die von Studenten durchgeführte nationalsozialistische Bücherverbrennung stattfand. Das entsprechende Denkmal ist nur wenige Meter entfernt. Doch nicht nur die räumliche Nähe verbindet Vergangenheit und Gegenwart. Unweit des Wohnzimmer-Nachbaus und der Plastikstühle mit den Gesichtern der Entführten werden Bücher der Israelin Carmel Gat ausgestellt.

Carmel wurde von der Hamas entführt und im August dieses Jahres in Geiselhaft erschossen (Apollo News berichtete) – genau wie Hersh Goldberg-Polin (23), Eden Yerushalmi (24), Ori Danino (25), Alex Lubnov (32) und Almog Sarusi (25). Carmels Bruder Alon barg ihre Bücher aus den Trümmern des am 07. Oktober zerstörten Wohnhauses und stellt sie am „Platz der Hamas-Geiseln“ aus. „Das bewegt mich jedes Mal besonders, diese Parallele“, sagt mir die Mitarbeiterin, mit der ich gesprochen habe.

Im Mai dieses Jahres wurde der Bebelplatz zum ersten Mal für drei Wochen zum „Platz der Hamas-Geiseln”. Organisiert wird das Projekt von Melody Sucharewicz und der Yarden-Stiftung. Namensgeberin der Stiftung ist Yarden Romann, sie ist die Ehefrau von Alon Gat – und damit die Schwägerin von Carmel Gat. Auch Yarden wurde am 7. Oktober von der Hamas entführt, anders als Carmel kam sie nach fast zwei Monaten aber bei einem Geiselaustausch frei. Yarden ist deutsche Staatsbürgerin – ihre Urgroßeltern wurden von den Nazis ermordet.

Am Ende meines Rundgangs komme ich zu einem kleinen Tisch, auf dem Gegenstände wie Teelichter, Schlüsselanhänger oder Armbänder zur Mitnahme liegen. Ich entscheide mich für ein blaues Armband mit der Aufschrift „Das Volk Israel lebt“ in Deutsch und Hebräisch. Denn wie eine Sprecherin des Vereins „Christen an der Seite Israels“ bei der Demonstration am 06. Oktober sagte: „Das Volk Israel lebt und wird leben, allen Vernichtungsfantasien zum Trotz. Am Yisrael chai!“

Der Berliner „Platz der Hamas-Geiseln” kann bis zum 01. November jeden Tag von 10 bis 18 Uhr besucht werden. Seinen Ursprung hat das Projekt im „Hostage Square“, dem Geisel-Platz, in Tel Aviv.

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