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Hamas-Geisel

Von Deutschland im Stich gelassen: Carmel Gat starb in den Fängen der Hamas

Shani Louk wurde am 30. Oktober 2023 für tot erklärt, nachdem ihr nackter, entstellter Körper in den Straßen Gazas zur Schau gestellt wurde. Jetzt wurde eine weitere Deutsche von der Hamas ermordet. Ihr Name ist Carmel Gat - auch sie wurde von Deutschland im Stich gelassen.

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Carmel Gat war für ihre Familie ein „Sonnenlicht, das den Raum erhellt“. Doch seit 329 Tagen war es um ihre Tochter, Schwester und Cousine dunkel – seit dem Tag, als die Hamas in Israel einfiel und Carmels Mutter Kinneret im Kibbutz Be’eri brutal ermordete. Carmel sah ihre Leiche am Straßenrand liegen, als sie von bewaffneten Hamas-Kämpfern entführt und in den Gaza-Streifen verschleppt wurde. Seitdem bangte ihre Familie und ganz Israel um das Leben der 40-jährigen Ergotherapeutin. Nur in Deutschland war es still. Man unternahm nichts zu Carmels Rettung – obwohl sie eine von uns war, eine deutsche Staatsbürgerin.

Wie Shani Louk musste auch Carmel Gat in den dunklen, kalten Tunneln der Hamas sterben – die israelische Armee fand ihren Körper in Rafah, neben dem von fünf anderen Geiseln. Sie wurde erschossen, hingerichtet von ihren Entführern. Doch zumindest konnte sie nun in der Erde ihrer Heimat beigesetzt werden – umringt von den Menschen, die sie geliebt haben. Ihrem Vater, ihrem Bruder, ihrem Cousin und all den anderen, die sich wohl immer fragen werden, was Carmel in den letzten 329 Tagen erleiden musste. Die sich wohl nichts sehnlicher wünschen würden, als sie noch einmal in ihre Arme zu schließen.

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Sie war „ein zurückhaltender, aber kontaktfreudiger Mensch”, sagte Carmels Cousin Gil Dickmann am Tag ihrer Beerdingung er Times of Israel. Weitere Familienangehörige erinnern an sie als „ein Regenbogen, wegen all der Farben in ihr”. Carmel lebte eigentlich in Tel Aviv, wollte dort im Oktober ihr Masterstudium beginnen. Sie reiste gerne, lernte gerne Leute kennen und liebte Musik. Sie war begeistert von Yoga – und das ließ sie sich selbst in Gefangenschaft der Hamas nicht nehmen.

Zwei Frauen, die mit Carmel zusammen gefangen gehalten worden waren, berichteten davon, als sie über einen Geisel-Deal zurück in die Freiheit gelangten – und Carmel in den Händen der brutalen Bewacher zurücklassen mussten. Sie berichteten von psychischer und physischer Gewalt, aber auch davon, dass Carmel stets versuchte, nicht den Mut zu verlieren. Sie baute die anderen Geiseln auf, vor allem Kinder, die mit ihr in Gefangenschaft waren. Sie machte Yoga und Achtsamkeitsübungen mit ihnen. Sie blieb positiv, trotz all der Qualen und des Schmerzes, die ihr zugefügt wurden.

„Wir wissen mit Bestimmtheit, dass Carmel in der ersten Phase ihrer Gefangenschaft sehr harte Erfahrungen gemacht hat“, sagte ihr Bruder Alon der SZ. Er wollte am Morgen des 7. Oktobers gegen sechs Uhr eigentlich mit Carmel joggen gehen – kurzfristig, wegen irgendeiner unbedeutenden Kleinigkeit, verschoben sie ihr Treffen auf 6:30 Uhr. Um 6:29 Uhr tönten dann die Sirenen. Alon und seine kleine Tochter wurden von der Hamas gefangengenommen, konnten jedoch nach kurzer Zeit entkommen. Seiner Frau Yarden gelang das nicht. Sie wurde mit Carmel verschleppt, kam nach 45 Tagen jedoch durch einen Geiselaustausch frei – zurück zu ihrer Familie, aber ohne Carmel.

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Ihre Familie hat in den vergangenen Monaten ohne Pause für Carmels Freilassung gekämpft – vor allem ihr Bruder Alon. Er feierte am 16. Mai ihren 40. Geburtstag mit einer Torte und einer Kerze am Berliner Bebelplatz, der damit zum „Platz der Hamas-Geiseln“ umbenannt wurde. Nie hat er aufgehört zu kämpfen – versucht in Deutschland Aufmerksamkeit zu erregen. Doch mehr als eine Patenschaft von Ricarda Lang kam von der Bundespolitik nicht.

Lang hatte das symbolische Amt im März 2024 übernommen und mahnte: „Jeden weiteren Tag, den Carmel in Geiselhaft verbringt, ist eine Zerreißprobe für ihre Familie und ein Risiko für ihre körperliche Unversehrtheit.” Doch zu Camels Ermordung hat sich Ricarda Lang erst über 24 Stunden nach Bekanntwerden geäußert. Sie sprach ein paar leere Worte des Bedauerns – ähnlich Bundeskanzler Olaf Scholz. Er sei voll „Wut“ und „Trauer“ schreibt der deutsche Kanzler – ohne Carmels Namen in den Mund zu nehmen. Er redet von einer Geisel mit „Deutschland-Bezug“.

Carmel wurde von Deutschland im Stich gelassen. Sie starb mit fünf weiteren jungen Geiseln nach über zehn Monaten in Geiselhaft. Der jüngste von ihnen war der 23-jährige Hersh Goldberg-Polin, dessen Eltern wie Alon in den vergangenen Monaten unerlässlich für die Freilassung ihres Sohnes gekämpft hatten. Hersh wurde, wie vier seiner Mitgefangenen, beim Massaker auf dem Nova-Festival entführt – mit ihm die 24-jährige Eden Yerushalmi, der 25-jährige Ori Danino, der 27-jährige Almog Sarusi und der 32-jähriger Alexander Lobanov, Vater eines Babys und eines zwei-jährigen Kindes.

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