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Eidesstattliche Versicherung falsch? Die MeToo-Kampagne gegen Lindemann kollabiert

Perfide Irreführung und selbsterhöhendes Sittenwächtertum zeichnete die Berichterstattung des Spiegels gegen Till Lindemann aus. Die Wahrheit trat hinter die eigene Pseudomoral zurück. Wer statt Journalismus Moralismus betreibt, muss scheitern.

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„Manche Frauen haben eidesstattliche Versicherungen unterzeichnet, das heißt, vor Gericht würden sie sich strafbar machen, wenn sie lügen.“ Es ist der vielleicht zentrale Satz in der Spiegel-Berichterstattung gegen Till Lindemann und über seinen angeblichen Missbrauchs-Skandal. Und er legt perfekt die Perfidität da, mit der Journalisten auf Biegen und Brechen eine Story konstruierten, die von moralischer Empörung statt vom Faktischen angetrieben war.

Das Perfide an diesem Satz: Er führt den Leser in die Irre. „Vor Gericht würden sie sich strafbar machen“ – aber diese Aussagen fielen nicht vor Gericht. Der Wert einer eidesstattlichen Versicherung gegenüber einem Medium tendiert gegen null. Aber das Bild der juristisch wasserdichten Garantie für den Wahrheitsgehalt der Story wurde erzeugt. Ein Paradebeispiel für die Perfidität, mit der Spiegel die anrüchige Lindemann-Story zusammenwebte.

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Vor fast einem Jahr wurden die Ermittlungen gegen Lindemann eingestellt – es gab keine Beweise für das, was man ihm vorwarf. Meine Kollegin Larissa Fußer schrieb damals: „Mit immer neuen, halb belegten, halb spekulierten Anschuldigungen griff die Presse Lindemann an, wollte ihn regelrecht abschießen. Ohne eine echte Überprüfung abzuwarten, wurde er gesellschaftlich vernichtet und die Beweispflicht kurzerhand auf den Kopf gestellt.“ Und: „Mehr als Klatsch-Presse, die billige Sexgeschichten verkaufen will, war am Ende nichts dran an der Rammstein-Affäre.“

Genauso war es: es war eine Berichterstattung, die nicht vom Faktischen bestimmt war. Den Spiegel trieben offenbar moralischer Eifer und feministische Empörung, völlig losgelöst von der Wirklichkeit und den gesunden Maßstäben in einem Rechtsstaat. Die Unschuldsvermutung war ein lästiges Hindernis. Und die vielleicht wichtigste Frage im Journalismus – Stimmt das? – wollte in der Redaktion wohl keiner mehr mit dem nötigen Nachdruck stellen. Die Geschichte war zu schön, um unwahr zu sein.

Es passte einfach zu sehr in ein Muster, dass im Spiegel zu gerne bedient wird: die Erzählung des bösen, mächtigen Mannes, der arme, hilf- und wehrlose Frauen missbraucht und entmündigt. Es ist nicht das erste Mal gewesen, dass das Magazin aus Hamburg so eine Geschichte erzählt, und es wird auch nicht das letzte Mal bleiben. Motto: Sie muss nicht zwingend richtig sein, sie muss sich nur richtig anfühlen. Wen scheren schon harte Fakten, wenn man auch auf dem Klavier des Empfundenen spielen kann. Rechtlich hat sich Lindemann nichts zu schulden kommen lassen – aber das herbeigefühlte Bild des ekligen Sex-Monsters zählte für die Redaktion offenbar stets mehr als das, was beweisbar war.

„All das erinnert an den Fall Harvey Weinstein“, behauptete der Spiegel, um genau dieses Bild auch in den Köpfen seiner Leser zu produzieren. Und schrieb selbstzufrieden: „Die Rockmusik hat jetzt also ihren #MeToo-Skandal.“ Am Ende des Artikels heißt es: „Es gibt bislang nur Indizien, dass die Geschichten stimmen könnten, es gibt immer mehr Aussagen. Das war bei Harvey Weinstein am Anfang allerdings auch so.“

Darunter folgen inzwischen viele Absätze mit Gegendarstellungen, Richtigstellungen und Anmerkungen der Redaktion.

Moral schlägt kein Recht, ein Indianer-Ehrenwort ist kein Beweis

Der zentrale Artikel des Spiegels zum konstruierten Rammstein-Skandal liest sich vor allem wie eine moralische Verurteilung. Lindemann habe „rund um Konzerte Frauen belästigt“. Sein Team habe für ihn ein „perfides Casting­system für Groupies unterhalten“, über das man ihm Frauen „wie Ware zum Sex zugeführt“ habe. Alles entweder im Konjunktiv oder rein wertend. Man spürt die moralische Erhöhung, aus der die Redakteure diesen Text schrieben. Das einzige, was zumindest faktisch daherkommt, sind die Erzählungen von Frauen. Mehrere „Opfer“ von Lindemanns Sex-Eskapaden kommen in dem Artikel zu Wort, unter anderem eine „Zoe“ und eine „Sophie W.“ – auf ihre eidesstattlichen Versicherungen stützt sich die Spiegel-Redaktion auch in ihrer juristischen Abwehrschlacht gegen Lindemann und seine Anwälte.

Groß benannte Der Spiegel diese eidesstattlichen Versicherungen in seinem Artikel als Beweis für den Wahrheitsgehalt seiner Story. Wie gesagt: „Manche Frauen haben eidesstattliche Versicherungen unterzeichnet, das heißt, vor Gericht würden sie sich strafbar machen, wenn sie lügen.“ Nur waren sie nicht vor Gericht – und eine eidesstattliche Versicherung gegenüber einem Medium hat den juristischen Gegenwert eines Indianer-Ehrenwortes oder des Kleiner-Finger-Schwurs. Soll heißen: Er tendiert gegen null. Was der durchschnittliche Leser nicht unbedingt weiß.

Vor Gericht reichte das Magazin dann kurzerhand einfach falsche Erklärungen ein – aus Versehen, wie es heißt. Erst vor rund einer Woche räumte das Magazin gegenüber dem Gericht in Hamburg ein, falsche Erklärungen abgegeben zu haben. Man habe offenbar verschiedene Fassungen vorliegen gehabt. Warum auch immer. Der Umgang des Spiegels mit der Wahrheit scheint vor Gericht genauso fahrlässig zu sein wie vor den eigenen Lesern. Nur, dass im Gerichtssaal nicht die moralische Empörung von Redakteuren, sondern nur das Faktische und Beweisbare zählt – dann wird es halt sehr dünn.

Vor Gericht fällt der Spiegel-Journalismus im Stile moralischen Inquisition weitgehend in sich zusammen. Die pseudo-feministische Empörung über „Machtungleichgewicht“ und ähnliche Floskeln ist eben juristisch wertlos. Lindemann hat sich rechtlich nichts zuschulden kommen lassen – nur das zählt. Aber der Spiegel wollte ihn trotzdem verurteilen und schwang sich zu Ankläger und Richter im eigenen, puritanischen Moralgericht auf. Journalistisch war daran nichts mehr.

Im Fokus der tatsächlichen Justiz steht derweil nicht mehr Lindemann, sondern der Spiegel mit seinen Behauptungen. Erst kürzlich zeigte der Rammstein-Sänger das Magazin aufgrund des – im besten Falle schlampigen – Umgangs mit den eidesstattlichen Versicherungen wegen Urkundenfälschung und Prozessbetruges an. Die juristische Bewertung dieser Vorwürfe steht noch aus.

Journalistisch kann man die gesamte Spiegel-Berichterstattung und ihr Auseinanderfallen allerdings klar bewerten: Es ist der Bankrott einer Presse, die Moralismus statt Journalismus betreibt und am Ende als schreibendes Sittlichkeits-Gericht auftritt. Es geht nicht um „Sagen, was ist“ – sondern darum, einen Menschen durch das hinterlistige Konstruieren von Bildern öffentlich zu verurteilen, ohne jemals vor Gericht gezogen zu sein. Das ist kein Journalismus. Schon deswegen sind dem Spiegel weitere Klatschen vor Gericht zu wünschen.

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