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Zurückweisungen

Dobrindts „Kann“-Vorschrift und Merz‘ Chaosauftritt in Polen – die große Asylwende scheint wieder völlig offen

Polen, die Schweiz und Österreich protestieren gegen Merz' Migrationsplan - ihm fehlt die in den Koalitionsverhandlungen so entscheidende gemeinsame Lösung. Und dann behauptet die polnische Regierung, Merz habe versprochen, dass sich eigentlich nichts am Status Quo ändern werde.

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Es war seltsam still geworden um Merz‘ zentrales Wahlkampfversprechen – am ersten Tag wolle er alle illegalen Migranten zurückweisen, auch bei Asylgesuchen. Er selbst schwieg zu diesem Thema seit Tagen völlig und überließ das Thema seinem Innenminister Alexander Dobrindt. Und der scheint zuerst ernst zu machen, am frühen Mittwochnachmittag sickern Berichte durch, Dobrindt habe tatsächlich angeordnet, an der Grenze auch bei Asylgesuchen zurückzuweisen. Es scheint tatsächlich so, als mache die neue Regierung ernst. Dobrindt will die neuen Maßnahmen gemeinsam mit dem Präsidenten der Bundespolizei, Dieter Romann, verkünden. Doch die angekündigte Pressekonferenz verzögert sich um Stunden.

Dobrindt verkündet die Maßnahme schließlich – seine Weisung beinhaltet allerdings ein entscheidendes Wort. In seiner einseitigen Anweisung schreibt er: „Hiermit nehme ich die mündliche Weisung vom 13. September 2015 gegenüber dem Präsidenten des Bundespolizeipräsidiums zurück. Die Anwendung der Regelung des § 18 Abs. 2 Nr. 1 AsylG führt dazu, dass Schutzsuchenden bei der Einreise aus einem sicheren Mitgliedstaat die Einreise verweigert werden kann.“

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In diesem historischen Absatz, der Rücknahme von Merkels Grenzöffnung, ist ein Wort unterstrichen: kann. Die Einreise kann verweigert werden – sie muss nicht. Dobrindt macht das bei der Pressekonferenz auch klar: Es gehe nicht darum, dass „wir morgen anfangen, alle zurückzuweisen“. Es sei „keine Grenzschließung“. Vielmehr sieht er die Maßnahme als Werkzeug, um sukzessive mehr Zurückweisungen möglich zu machen. Das Instrument ist durchaus scharf – das Tag-1-Versprechen des Friedrich Merz ist es aber nicht mehr.

Friedrich Merz fliegt derweil durch Europa – nach Paris und nach Warschau – und spricht über internationale Politik. In Polen kommt es dann zu einer denkwürdigen Pressekonferenz. Premier Donald Tusk übt bei dem gemeinsamen Auftritt scharfe Kritik an der neuen deutschen Grenzpolitik. Er mahnt Deutschland zu einem „gemeinsamen“ Vorgehen mit seinen Nachbarn. Dann sagt Tusk: „Ich will es nicht leugnen, dass es den Eindruck gibt, dass Deutschland nach Polen jetzt Migrantengruppen schickt – das werden wir nicht akzeptieren.“ Merz meint, alles sei abgestimmt. Er verkündet, Dobrindt angerufen zu haben und um eine gemeinsame Lösung gebeten zu haben.

Jetzt berichtet die Bild, dass im Vorfeld bei einem Telefonat Tusk gegenüber Merz Bedenken geäußert habe. Zusätzliche Zurückweisungen würden Chaos produzieren. Die Bild erfuhr aus polnischen Regierungskreisen, dass Merz gegenüber Tusk Entwarnung gegeben habe. Laut polnischer Seite soll der Kanzler gesagt haben, dass sich am jetzigen Status Quo nichts ändern werde. Was das bedeutet, ist unklar. Heißt das, der Status Quo der Grenzkontrollen bleibt in Wahrheit bestehen – die große Migrationswende wird ganz klein?

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Auch im Nachgang übten Polen und die Schweiz scharfe Kritik an neuen Zurückweisungen. Es war in den Koalitionsverhandlungen der große Knackpunkt der Migrationsfrage: Die SPD machte immer wieder klar, dass es keine Zurückweisungen ohne Einvernehmen mit den europäischen Partnern geben könnte – genau eine solche Absprache ist aber schwierig, da die Nachbarn wenig Interesse haben, die Migranten dann bei sich zu behalten.

Im Koalitionsfrage ließ man die entscheidende Frage mit der Formulierung „in Absprache“ einfach offen. Merz ließ die Frage immer offen. Bei der Pressekonferenz zur Vorstellung des Koalitionsvertrages kam es zur bemerkenswerten Situation, dass er explizit gefragt wurde, was „in Absprache“ denn bedeute – wenn die Nachbarn ablehnen, kommt die Asylwende dann trotzdem? Merz‘ Antwort: „In Absprache“ bedeute „in Absprache“. Jetzt bricht der aufgeschobene Konflikt über die Regierung herein. Was genau das Resultat ist, bleibt unklar – es scheint aber ziemlich offen.

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119 Kommentare

  • Ja aber liebe Polen, Österreicher, Schweizer, ihr könnt doch nicht die Migranten bei euch hineinlassen weil ihr denkt – die ziehen eh weiter nach Deutschland?
    Gute Nachbrschaft sieht anders aus …
    Die Sicherung der EU-Aussengrenzen ist der Hebel der umgelegt werden muss, und daran muss sich Deutschland im eigenen Interesse beteiligen.

    111
  • Ein echtes Zeichen wäre, wenn Merz sofort alle Pull-Faktoren abstellen würde. Keine Option für Illegale, länger als 6 Wochen im Land zu bleiben, Rechnung für alle entstandenen Kosten und direkte Konsequenzen für Herkunfts- aber auch Transitländer!

    110
  • Ein Schelm der dabei nicht einen Plan gesehen hat !! 🙂
    Wir wollten ja aber die Bösen Nachbarn lassen uns nicht !!Kann ich verstehen . Keiner möchte die Leute haben die Merkel und die CDU/CSU gerufen haben ,
    Wenn es ernst gemeint wäre hätten sie ja parallel auch mit den Pull Faktoren anfangen können .
    Das mit den Fliegern die gestoppt wurden glaube ich auch nicht wirklich !! Verschoben oder jetzt Linie . Fällt weniger auf . Dafür sind mir die Grünen zu ruhig !!

    89
  • Da ist Trump eben anderes Kaliber. Tag 1 war Tag 1…ich wette in 4 Wochen wird immer noch debattiert. 2026 ist Zahltag!

  • Sieht alles nach einer sehr kurzen Amtszeit aus.

    66
  • Er kann es nicht. Eine echte Wende gibt es nur mit der AfD.

    91
  • „In Absprache“ bedeutet: wenn die Anderen nicht wollen, müssen WIR sie (weiterhin) nehmen oder mit Merkels Worten: „Jetzt sind sie nun mal da!“ Im Zeugnis vom Friedrich, dem Großen steht dann: „Er war bemüht“!

  • Merz ist dafür da, um im Endeffekt nichts zu ändern, aber gleichzeitig den unzufriedenen Teil der Bevölkerung nicht noch unzufriedener zu machen. Diesen Spagat muss er schaffen. Das ist seine Aufgabe. Und es hängt von der Intelligenz des Landes ab, ob er damit erfolgreich sein wird. Wer denkt, dass Merz die Migrationswende schafft, der glaubt auch noch an den Osterhasen.

    57
  • Wer hat denn da ernsthaft eine „Wende“ erwartet?

    51
  • Wie schon erwartet, es bleibt alles wie es ist. Warten auf Neuwahlen.

    45
  • Wir drehen uns im Kreis !
    Kann man eigentlich von zehn Jahren Dejavus krank werden ?
    Ist diese Wiederholungs-Folter eigentlich Absicht ?

  • Liebe Kommentatoren…..wann begreift ihr daß das ALLES gewollt ist.

    40
  • Merz ist derjenige, der in der ganzen Regierung am wenigsten zu sagen hat. Er hat sozusagen seine (politische) Seele an die Grünen und Linken verkauft um deren Zustimmung bei der Kanzlerwahl zu bekommen, weil seine Koalition ihn schon nicht wählen wollte. Klarer kann man doch nicht zeigen, dass er ein Grüßaugust ist. Nun muss den Vorgaben der Grünen und Linken folgen und natürlich denen von Merkel. Da wird nichts kommen mit Zurückweisung oder Abschiebung.

    35
  • Merz reist nach Frankreich und Polen. Haben die Franzosen und die Polen ihn gewählt oder die Deutschen? Nur mal so gefragt…

  • Wann stiftet Merz mal nicht Verwirrung?

  • Ich erwarte von einem neuen Bundeskanzler das er sich primär zu Hause um sein Land kümmert. Es sagt schon viel, dass er zuerst woanders hin fliegt. Und wieder ist er eingeknickt und wieder ist er umgefallen. Er kann es nicht und er wird es nie können. Wir haben KEINEN Europa Kanzler gewählt und alle Länder, die nun protestieren, winken seit Jahren Migranten zu uns durch
    Tolle Nachbarschaft, aber die wissen genau, mit wem sie es machen können.

    27
  • Diese Farce war der lächerliche Versuch des Unionanteils der neuen Regierung, den verbliebenen Leichtgläubigen in der Wählerschaft vorzutäuschen, dass man das Wahlversprechen „Ende der illegalen Migration“ einlöst. Das wäre auch leicht durch Streichen der pull-Faktoren machbar, nur wird das aus mir völlig schleierhaften Gründen nicht einmal diskutiert. Stattdessen werden zur Finanzierung gigantische Schulden aufgenommen, von der Inkompatibilität der Einreiseden und deren kulturellen Eigenheiten ganz zu schweigen. Der freie Fall des Landes geht weiter.

  • Pullfaktoren sofort beenden, kein Geld mehr, sondern nur Unterbringung und Bezugsscheine – dann endet das schnell.

    22
  • In einer schwarzblauen Koalition wäre vieles einfacher zu lösen und man hätte 50% der Wähler, die sich eine konservative Regierung gewünscht haben, im Rücken.

    16
  • Die angebliche Asylwende: Wie gewohnt, alles nur heiße Luft.
    Stattdessen bahnt sich für Europa eine neue Asylkatastrophe an. Die Atommächte Indien und Pakistan stehen kurz vor dem Waffengang. Das könnte eine Fluchtlawine Richtung Europa auslösen. Aus diesen Staaten, die zusammen eine Bevölkerung von 1,6 Milliarden Menschen ausmachen, würde sich eine Fluchtlawine nicht in einstelliger Millionenhöhe nach Europa, vorwiegend D, bewegen, hier muss mit einer zweistelligen Millionenhöhe bis zu 20-30 Millionen und mehr zu rechnen sein. Wer will eine solche Masse aufhalten, zumal der politische Wille dazu vollkommen fehlt?

  • Wachsweich und gummiartig wie zu oft, Konsequenz und A… in der Hose fühlt sich anders an. War aber von Anfang an klar, dass das wieder ein Windei wird. Solche Phrasen als vorauseilender Umsetzungsansage werde ich künftig ignorieren, weil bewusst falsche Zeichen gesetzt werden

  • Wenn Merz in Sachen Migration nicht bald liefert, einem Zentralversprechen, ist er fällig.

    14
  • Also Mal ganz ehrlich gefragt: Wo hat der Autor die letzten 20 Jahre verbracht? Von welcher „Asylwende“ wird hier halluziniert? Die stand nicht nur nie zur Debatte, sondern Merz wurde gerade deswegen gewählt um die auf alle Fälle zu verhindern.

    15
  • Deutschland war einmal eine arrogante gefährliche Grossmacht, aber es ist glücklicherweise schon lange nicht mehr der Fall. Eher deindustrialisiert, sein Mittelstand teilweise ruiniert. Mit dystopischen Grossstadtvierteln, unattraktiven Innenstädten, maroder Infrastruktur, zu hohen Steuern und zu teuerer Energie. Deshalb ist diese Arroganz vom schlecht gewählten Kanzler gegen kleine gut funktionierende Staaten konsternierend. Mal sehen was passiert mit Russland und die USA, wenn er seine Attitüde nicht demütigend anpasst. Das wird lustig werden.

  • Eigentlich hatte ich ja gedacht, daß die Linksgrünen warten bis die Umfragewerte steigen, ehe sie Dobrindt wieder zurück pfeifen. Aber das waren unsere Nachbarländer schneller 😀

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