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Dieser neue Haushalt grenzt an organisierten Finanzbetrug

Am Mittag präsentiert Finanzminister Lindner den wohl unseriösesten Bundeshaushalt, den es je gegeben hat - zehn Prozent der Ausgaben sind noch ungedeckt. Experten und Bundesrechnungshof schlagen die Hände über dem Kopf zusammen.

Trotz allem mit breiter Brust im Bundestag - Christian Lindner

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Der Haushaltsentwurf, den Christian Lindner am Mittag dem Bundestag vorstellt, ist löchrig – tatsächlich hat er rekordverdächtig große Löcher. Eigentlich hatte Lindner seriöse Haushaltsführung ohne Schulden versprochen, liefert nun aber das Gegenteil eines seriösen Entwurfs ab. Lindner trickst und täuscht das Parlament. Zehn Prozent des Bundeshaushaltes sind de facto ungedeckt: Das hat mit sauberer Haushaltsführung und den Grundsätzen der Haushaltspolitik, auch den gesetzlichen, nichts mehr zu tun.

Über 50 Milliarden Schulden nimmt der Bund im kommenden Jahr neu auf: Dazu kommen noch mehrere Milliarden an offenen Summen, die de facto nicht gedeckt sind und mit einer Mischung aus Achtlosigkeit und stoischem Optimismus nach dem Prinzip „wird schon schiefgehen“ trotzdem in den Haushalt eingetragen wurden. Gerade für einen FDP-Finanzminister kein Ruhmesblatt.

Im Bundestag beginnt Lindner mit Attacken auf die Union. Er ergeht sich in Schimpftiraden über die Haushaltspolitik der letzten Jahre, über seine Erlebnisse als Mitglied des schwarz-gelben Koalitionsausschusses 2009-2013. Anwürfe, die oft an sich berechtigt sind – aber doch irrelevant. Denn nicht die Union macht den aktuellen Haushalt, sondern Lindner. Und der hätte genug vor seiner eigenen Haustür zu kehren. Angriff ist nicht immer die beste Verteidigung.

Mit den gleichen Tricks, mit denen man schon den letzten Haushalt irgendwie halbwegs standfest konstruiert hat, soll es auch jetzt wieder gehen: Die Regierung hat in ihrem Entwurf eine sogenannte Globale Minderausgabe (GMA) von zwölf Milliarden Euro stehen. Eine Globale Minderausgabe ist eine unspezifische Sparzusage: Diese Summe muss also irgendwo aus dem Etat heraus zusammengekratzt und eingespart werden, wobei völlig offen ist, wie genau das passieren soll. Im Grunde verschiebt man so seriöse Haushaltspolitik ins Irgendwann.

Lindner attestiert sich selbst verfassungsrechtliche Bedenklichkeit

Die globale Minderausgabe (GMA) ist an sich schon nicht unumstritten, aber soweit noch gängige Praxis. Lindner jedoch treibt es mit Rekordsummen auf die Spitze und manövriert den Haushalt so klar in Richtung Verfassungswidrigkeit. Er selbst hatte noch im Juli gegenüber dem Handelsblatt erklärt, eine Globale Minderausgabe von bis zu neun Milliarden Euro (wie im Nachtragshaushalt eingeplant) entspräche der Staatspraxis. „Alles darüber hinaus wirft verfassungsrechtliche Fragen auf und würde das Risiko erhöhen, den laufenden Haushalt 2025 mit Sperren bewirtschaften zu müssen.“

Jetzt plant Lindner einen Haushalt mit zwölf Milliarden Euro globale Minderausgaben  – in diesen Dimensionen ein Tabubruch, der haushalts- und verfassungsmäßige Grundsätze ignoriert. „Die Dimension globaler Ansätze im Entwurf des Haushalts 2025 ist mit dem parlamentarischen Budgetrecht nicht vereinbar“, beklagt der Bundesrechnungshof in einem Bericht an den Bundestag. Das Budgetrecht ist „Königsrecht“ des Parlaments – es besagt, dass der Bundestag Überblick und Kontrolle über den Bundeshaushalt haben muss. Das sei durch Lindners Haushaltsführung nicht mehr gegeben. Der Bundesrechnungshof ist unpolitisch und unabhängig – was er sagt, hat berechtigterweise besonderes Gewicht.

Zu der globalen Mindereinnahme kommt aber noch ein weiterer Trick: die sogenannte globale Mehreinnahme. Die Bundesregierung rechnet offiziell damit, dass der Bund mehr Geld einnimmt – ohne genau festzulegen, woher das Geld kommt. Diese prognostizierte Mehreinnahme, auf der man baut, beträgt 14,3 Milliarden Euro. Gut sechs Milliarden Euro will die Regierung durch ihr (noch gar nicht beschlossenes) Wachstumspaket zusätzlich einnehmen. Außerdem rechnet sie mit zusätzlichem Geld von der EU. Das ist endgültig eine absurde Art von Haushaltsführung, die selbst mit Voodoo nichts mehr zu tun hat. Optimismus ist gut, aber blinder Optimismus ist es nicht – und er ist erst recht kein Prinzip für die Haushaltsführung.

„Erhebliche rechtliche Risiken“

Beim Umgang mit der Schuldenregel nehme die Ampel weiterhin „zum Teil erhebliche rechtliche Risiken in Kauf“, bemängelt der Bundesrechnungshof. Die Haushaltspläne der Regierung seien „mit erheblichen Mängeln und Risiken“ behaftet, heißt es in dem Bericht laut Spiegel. Eine Konsolidierung des „aus den Fugen geratenen Bundeshaushalts“ habe schon im Nachtragshaushalt nicht stattgefunden, schreiben die Rechnungsprüfer, es fehle nach wie vor an „nachvollziehbaren, umfassenden Ausgabenkriterien“ und an einer „nüchternen Überprüfung der Wirksamkeit von Maßnahmen“. Ein vernichtendes Fazit vom Rechnungshof, der in den letzten Jahren immer lauter und deutlicher die Haushaltspolitik der Ampel kritisierte. Schon 2023 kreidete das unabhängige Prüfungsgremium an, dass die Ampel „das parlamentarische Budgetrecht und die Wirksamkeit der Schuldenregel“ untergrabe (Apollo News berichtete).

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Mit Bilanztricks, etwa über Kapitalspritzen an Staatsunternehmen wie die Deutsche Bahn (Apollo News berichtete), will man außerdem mehr Schulden aufnehmen – an der Schuldenbremse vorbei. Die Haushaltseinigung sieht vor, dass der Bund der Bahn und der Autobahn GmbH Geld nicht schenkt, sondern leiht: Dann ist die Überweisung pro forma keine Schuldenaufnahme, weil es ja irgendwann, offiziell zumindest, zurückgezahlt werden wird. Gleichzeitig will man die Zuschüsse an die Bahn und die Autobahn GmbH dafür senken, sichert sich so Geld für den Haushalt. Ein billiger Trick, bemängeln Experten.

Auch für die nächsten Jahre zwischen 2025 und 2028 sei eine Konsolidierung „schwerlich zu erkennen“, heißt es in dem Bericht des Bundesrechnungshofes weiter. Die Regierung spreche zwar von einer „Priorisierung der Aufgaben“, allerdings wolle sie das Ausgabenniveau „in den Ausnahmejahren 2021 und 2022“ nicht mehr verlassen. Man sei schon im letzten Haushalt 50 Prozent über dem Ausgabenniveau von 2019.

Längerfristig beklagt der Rechnungshof einen Fehlbetrag in der Finanzplanung in Höhe von rund 74 Milliarden Euro. „Die Bundesregierung plant Ausgaben, von denen sie nicht weiß, wie sie sie finanzieren soll“, heißt es in dem Bericht. Dies sei kein Ausweis „haushalterischer Sorgfalt und Solidität“. Von den Grundsätzen der Klarheit und Wahrheit, elementare Bestimmungen des Haushaltsgrundsätzegesetzes, das die Aufstellung von Bundes- und Landeshaushalten regelt, ist man inzwischen weit entfernt.

Union jagt Lindner mit renommiertem Fachmann

Die Opposition steht schon in den Startlöchern, um Lindner zu jagen: CDU-Haushälter Haase sieht „rechtlich zweifelhafte Vorgänge und Luftbuchungen“, mit denen die Ampel formal die Schuldenbremse einhalten wolle. „Offenbar akzeptiert man erneut sehenden Auges ein rechtlich fragwürdiges Manöver, weil der Bundesregierung und den sie tragenden Koalitionsfraktionen die Kraft und der Einigungswille für einen seriösen und soliden Haushalt fehlen“, sagte er gegenüber dem Handelsblatt.

Rekord-Minderausgaben, gleichzeitig prognostizierte Mehreinnahmen: „Es stellt sich die Frage, woher die Steuermehreinnahmen angesichts eines Miniwachstums kommen sollen“, heißt es in einem Papier der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Es könnten „Luftbuchungen vermutet“ werden.

Der renommierte Heidelberger Jurist Hanno Kube hat für die Union ein Gutachten erstellt: Er sieht „verfassungsrechtlich erhebliche Bedenken“. Wie die Union kritisiert auch er die noch immer offene Lücke von zwölf Milliarden Euro im Etat. Zu den prognostizierten Mehreinnahmen meint er: „Ihr Ansatz beruht auf den sehr fraglichen, aber von der Bundesregierung unterstellten Effekten der geplanten, noch nicht in Kraft gesetzten Wachstumsinitiative.“

Kube kritisiert weiter, die Bundesregierung komme ihrer Pflicht, die Ausgaben zu gestalten und zu priorisieren, nicht nach und verlasse sich darauf, dass sich die Lücken im Vollzug des Haushalts schließen würden. „Schon daraus ergeben sich ganz erhebliche verfassungsrechtliche Zweifel an der aktuellen Haushaltsplanung“, schreibt der Jurist laut Spiegel.

Kube äußert zudem Zweifel an den Prognosen der Bundesregierung, insbesondere in Bezug auf die Entwicklung des Arbeitsmarktes. So plant die Ampelkoalition für 2025 mit Ausgaben für das Bürgergeld in Höhe von 25 Milliarden Euro, während diese im laufenden Jahr 29,7 Milliarden Euro betragen sollen. Diese Planungen seien laut Kube „optimistisch und auf wackeligen Füßen“ aufgebaut. Der Jurist bezeichnet außerdem die Eigenkapitalspritze von 10,4 Milliarden Euro an die Deutsche Bahn sowie ein Darlehen von drei Milliarden Euro an die Bahninfrastruktur-Tochter als „verfassungsrechtlich bedenklich“.

Beide Maßnahmen könnten laut dem Gutachter nur dann als finanzielle Transaktionen gelten, die den Verschuldungsspielraum des Bundes im Rahmen der Schuldenbremse erweitern, wenn sie den Unternehmenswert steigern. Dies sei jedoch angesichts der derzeitigen wirtschaftlichen Situation des Konzerns fraglich.

Die Union scheint gewillt, auch gegen diesen Haushalt wieder zu klagen. Es wäre der richtige Schritt – ein so wackeliger Haushalt, der auf tönernen Füßen steht und auf Sand gebaut ist, muss gerichtlich überprüft werden. Im Bundestag macht Lindner sich über die Union lustig – bald könnte ihm das Lachen vergehen. Viele Zeichen sprechen dafür, dass der Haushalt eben nicht nur löchrig und unseriös, sondern auch verfassungswidrig ist.

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