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Die CDU und die Woche der Wahrheit 

Schafft Friedrich Merz die Zeitenwende in der CDU? Lange war er träge und wirkte unfähig, den Kurs zu wechseln. Jetzt dreht er voll auf. Aber trotz des richtigen Kurses: Der wahre Prüfstein kommt erst nach der Wahl.

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„Wie soll das funktionieren? Sie können die Grenzen nicht schließen!“ Angela Merkel verdreht die Augen. Dass ARD-Talkerin Anne Will überhaupt die Frage nach dem Aufnahmestopp stellt, scheint die Kanzlerin zu irritieren. „Es gibt den Aufnahmestopp nicht“, erklärt sie. 

Es ist der siebte Oktober 2015 – vor einem Monat hat Merkel Tür und Tor für über eine Million Migranten geöffnet. Sie strömen ohne Papiere, völlig ungeprüft in die Bundesrepublik. Die CDU-Kanzlerin nennt das „ein freundliches Gesicht zeigen“. In der Bild heißt es: „Wir helfen! Refugees Welcome!“. Moraldeutsche stehen an Bahnhöfen in München, Stuttgart und anderswo und applaudieren, als die Migranten mit dem Zug einfahren. Sie haben Blumen und Teddybären für die Neuankömmlinge dabei.

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„Ein freundliches Gesicht“ – in diesen Tagen hat Deutschland seine Grenze de facto aufgegeben, jeder darf kommen. Und öffentlich wird das für gut befunden. Schnell dreht der Wind: Die Silvesternacht auf der Kölner Domplatte verändert alles. Merkel aber bleibt stur. Bei der Wahl 2017 stürzt sie von rund 41 auf rund 33 Prozent ab. „Ich sehe nicht, was ich hätte anders machen können“, erklärt die stoische Merkel einen Tag danach gegenüber der Presse.

Merkel war immer kritik- und lernunfähig – und mit ihr die CDU. Auf Merkel folgte Kramp-Karrenbauer, auf Kramp-Karrenbauer folgte Laschet. Beide vermochten es nicht, ihre Partei aus dem toxischen Merkel-Fahrwasser zu lösen. Am Ende stand Laschet dann nach der Wahl 2021 mit mauen 24 Prozent da. Die CDU lag in Trümmern, kopflos, führungslos. Im Bundestag versuchte man sich in diesen Tagen daran, mit kläglichen Anträgen die neue Ampel noch links zu überholen, etwa in Fragen des Klimaschutzes. Diese Partei war am Ende. Und die Mitglieder riefen nach einem Mann, der sie wieder aufrichten sollte – Friedrich Merz.

Lange „Merzkel“ – jetzt Erneuerer?

Doch er vermochte es lange nicht. Merz hing fest in der veralteten Binnenlogik der CDU, versuchte, das linke Merkel-Lager strukturell und inhaltlich mit einzubeziehen – und die berühmten Trägheitskräfte der Union gewannen am Ende doch. Jahrelang blieb Merz hinter dem zurück, was nicht nur die Parteibasis von ihm erwartete, Kritiker schimpften ihn „Merzkel“. Sätze wie: „Wir sind nicht die deutschen Konservativen“ hallten für viele als Botschaft nach: Er kann es nicht. Merz begriff nicht, wie der Wind sich drehte.

Einen anderen Merz erlebte man im Sommer, nach dem Messer-Anschlag von Solingen. „Es reicht“, rief ein empörter CDU-Chef in jede Kamera, vor der er stand. Und er stand zu dieser Zeit viel vor den Kameras, während Olaf Scholz sich versteckte. Merz als „Volkstribun“? Jedenfalls sagte er, was das Volk dachte. Darauf besann man sich bei der Union immer mehr – nicht von den Linken geliebt werden zu wollen, sondern bei den Menschen zu sein.

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Wenn Spiegel-Frontfrau Melanie Amann der CDU jetzt vorwirft, „hart am Wind des Populismus“ zu segeln, meint sie damit in Wahrheit nur den Orkan der öffentlichen Meinung, der durch das politische Berlin pfeift. Es ist lange überfällig, dass die Union dementsprechend die Segel setzt. Kapitän Merz scheint jetzt jedenfalls einzuschlagen und das Ruder herumzureißen. Wäre er länger so zahnlos weitergesegelt, wäre er auch auf Grund gelaufen.

Auch seine Mannschaft hat er im Griff: Selbst Linksausleger Hendrik Wüst entdeckt den Konservativen in sich und argumentiert stringent für eine harte Migrationspolitik. Bei Caren Miosga gibt er, der früher ganz gezielt mit Kopftüchern und Regenbogenflaggen Wahlkampf machte und Merkels Flüchtlingspolitik lobte, sich plötzlich auf Merz-Linie. Spricht über Rückführungszentren, Abschiebegewahrsam und Begrenzung von Migration. In der Bundesvorstandssitzung am Montag wurde Merz‘ Kurs Berichten zufolge einstimmig abgesegnet. Falls es Abweichler gibt, trauen sie sich nicht aus der Deckung. Die CDU war historisch immer eine Partei, die ihre Reihen gut schließen konnte.

Vor allem ist Merz mit seiner Union so ziemlich die einzige politische Kraft der viel beschworenen „Mitte“, der tatsächlich das Heft des Handelns in die Hand nimmt. SPD und Grüne ergehen sich derweil darin, jede sinnvolle Lösung zu blockieren und mit moralisch erhobenem Zeigefinger zu erklären, was alles nicht gehe. Sie haben überhaupt keinen Problemlösungsanspruch – der politische Führer dieses Landes, derjenige, der in Debatten Rahmen und Ton setzt, ist eindeutig Friedrich Merz.

Das rot-grüne Brandmauer- und Nazi-Geschrei verhallt derweil weitgehend wirkungslos. Und selbst der linke Blätterwald verliert zunehmend die sicher geglaubte Kontrolle über das Narrativ – da helfen auch krankhafte „Sieg Heil, CDU“-Posts und ähnlich infame Nazi-Anwürfe nicht, die etwa ein Redakteur der Süddeutschen Zeitung dieser Tage manisch ins Netz schreibt.

Neues Selbstbewusstsein gegen Links – das muss er durchhalten

Nach der Bundesvorstandssitzung stehen Merz und Linnemann selbstbewusst vor der Presse. Man werde seine Anträge ein- und auch durchbringen. Zwar am liebsten mit den sogenannten Parteien der Mitte, aber: „Das, was in der Sache richtig ist, wird nicht falsch dadurch, dass die falschen zustimmen.“ Er wolle die AfD-Stimmen nicht – aber er sei bereit, sie in Kauf zu nehmen. Während die Union sich am Wochenende mit seltsamen, sachfremden Anti-AfD-Absätzen noch von der Brandmauer treiben ließ, steht am Montag ein Merz vor der Presse, der mit sich und der Sache im Reinen zu sein scheint. Das ist ein großer Schritt – aber es kann nur der erste sein.

Die CDU hat in sich einen Kurswechsel zumindest eingeleitet; lange genug hat es gedauert. Jetzt aber ist die Woche der Wahrheit, die erste zumindest. Am Mittwoch und am Freitag kommt es darauf an, sich nicht doch noch vom linken Geschrei kirre machen zu lassen. Doch das ist erst der Anfang. Nach dieser Woche werden 208 Wochen der Wahrheit, vier Jahre folgen, in denen die CDU liefern muss.

Dieses Jahr jährt sich Merkels Grenzöffnung: Die Absage an Kontrolle und Souveränität, die dieses Land gespalten und ihm unfassbar geschadet hat. Ihr „freundliches Gesicht“ für Flüchtlinge wurde zur Fratze für die Deutschen, die für Merkel gar kein Begriff mehr waren. Es war der Beginn eines Jahrzehnts der unkontrollierten Masseneinwanderung. Vom Breitscheidplatz-Attentäter Anis Amri bis zu den diversen Messermördern, Terroristen und anderen brutalen Straftätern kamen Menschen ins Land, die nie hätten hier sein dürften und hunderte, tausende Leben in diesem Land zerstörten. Unter Merkel versündigte sich die CDU am Land – die Parteien schloss ihre Reihen hinter Merkel, aufrechte Mitglieder und Politiker, die ihrem Kurs widersprachen, gab es nur wenige.

Für den Sündenfall von 2015 beginnt Merz jetzt, Buße zu tun. Aber anders als im Beichtstuhl zählt hier nur die Tat, nicht das fromme Bekenntnis. Jede Form von überschwänglichem Optimismus oder Vertrauensvorschuss ist und bleibt so lange unangebracht, bis die Union vorgelegt hat. Und eine späte Sitzungswoche mit vernünftigen Anträgen reicht da noch nicht aus.

Der wahre Prüfstein kommt erst nach der Wahl: Dann sind es vier Jahre, 208 Wochen der Wahrheit, in denen die CDU liefern muss. Der Kurs ist vielversprechend, er muss nur gehalten werden. Ob das klappt? Bisher gewannen immer noch die innerparteilichen Trägheitskräfte die Überhand, und eine Regierung mit linken Parteien droht, die Union wieder in linken Fahrwassern einzuhegen. Klar ist aber: Wird der eingeschlagene Kurs jetzt nicht kompromisslos weiter gegangen und intensiv beschleunigt, scheitert er. Mit schlimmen Folgen für die Union und noch schlimmeren für Deutschland.

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