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Editorial

Der neue autoritäre Staat

Die Affäre Stephan Kramer ist vor allem ein Versagen der Aufsicht: Regierung, Parlament und öffentlich-rechtliche Medien. Sie zeigt, welche Abgründe im Schatten möglich werden. Und warum ein liberaler Staat sich nur im Licht der Öffentlichkeit erhalten lässt.

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Für uns war es eine besondere Woche. Lange wurde versucht, unsere Recherche zur Affäre Stephan Kramer zu verschweigen – gelungen ist es nicht. Spätestens am Freitag schlug sie mit Berichten in Welt, FAZ, Zeit und selbst bei Tagesschau.de voll durch. Im Thüringer Landtag kommt ein Untersuchungsausschuss. 

Die Recherche zeigt den neuen autoritären Staat in den Abgründen seiner Bürokratie. Dieses neue Selbstverständnis wurde für uns – in Form von Einschüchterung – in unzähligen Gesprächen mit Insidern regelrecht spürbar. Die Affäre Kramer ist allerdings vor allem ein Versagen der demokratischen Aufsichtsinstitutionen. Die Recherche zeigt: Die Politik hielt immer wieder schützend die Hand über Kramer. Sie tut es bis heute: Auch jetzt schießt Thüringens Innenminister Maier lieber gegen Apollo News, statt sich um Aufklärung zu kümmern – er nennt unsere Recherche eine „Verschwörungsgeschichte“. Bodo Ramelow nennt sie „Schmutzkampagne“ und teilt gleich eine Grafik, die uns als „Dubioses Medium“ darstellt. Der zuständige Staatssekretär Götze spricht im Landtag und versucht unsere Recherche kleinzureden, gesteht aber dankenswerterweise einen Kernpunkt ein, wenn auch unabsichtlich.

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Doch nicht nur die Regierung war ausgeschaltet, auch das Parlament. Aufgrund der Brandmauer und einer Pattsituation war die Parlamentarische Kontrollkommission faktisch über Jahre handlungsunfähig, die essentiell wichtige Kontrolle der Nachrichtenbehörde fand nicht angemessen statt. Und unsere Recherche zeigt schließlich, wie es Kramer zumindest auf regionaler Ebene auch gelang, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk einzubinden und es zu verhindern, dass Whistleblower auspacken – der MDR hat schwere Schuld auf sich geladen. 

Kurzum: Kramer schuf sich ein System, mit dem er einen Inlandsgeheimdienst frei von jeder ernsthaften Kontrolle nach eigenem politischen Gutdünken führen und einsetzen konnte. Das ist der eigentliche Skandal. Der Verfassungsschutz ist ohnehin schon eine im Westen einmalige, schwierige Einrichtung – wenn wir aber schon nachrichtendienstliche Mittel auch gegen politische Oppositionsparteien einsetzen, dann braucht es extrem starke rechtsstaatliche Kontrolle und Grenzen.

Dass es diese nicht gibt, ist das Einfallstor für einen neuen, einen autoritären, rücksichtslosen, unfairen Staat. Das einzige, was dagegen hilft, ist: Das Licht der Öffentlichkeit. Im Verborgenen entsteht die anti-liberale Architektur. 

Für unser kleines Team war das ein enormer Kraftakt – der nur dank Ihnen möglich war. Sie, unsere Leser, haben uns getragen und die Aufmerksamkeit geschenkt, die nötig war, um etwas in Gang zu setzen. Dafür am Ende dieser Woche: vielen Dank!

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