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Den Täter im Visier – warum reagierte der Secret Service so spät?

Wie kam es zu dem spektakulären Secret-Service-Versagen? Das Attentat auf Donald Trump führte zu wilden Spekulationen und zahlreichen Fragen. Die Sicherheitsbehörden reagierten erst Minuten, nachdem Zuschauer eine verdächtigte Person meldeten – doch dann war es zu spät.

Donald Trump auf der Wahlkampfrede in Pennsylvania kurz nachdem ein Streifschuss den Kopf des ehemaligen Präsidenten verfehlt hatte.

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Haben die Sicherheitskräfte den Schützen des Attentats auf Donald Trump schon vor den abgefeuerten Schüssen minutenlang im Visier gehabt? Immer mehr Videos des Angriffs werfen Fragen rund um die Wahlkampfveranstaltung am Samstagabend (Ortszeit) in Pennsylvania auf. Aus verschiedenen Perspektiven ist zu sehen, wie Besucher der Trump-Rede den 20-jährigen Schützen auf einem Dach entdecken und die Polizei auf den bewaffneten Gefährder aufmerksam machen.

Ein Video zeigt einige Personen, die außerhalb des Veranstaltungsgeländes der Rede beiwohnen und den späteren Angreifer über mindestens eine halbe Minute lang auf einem Dach eines anbei stehenden Hauses beobachten. Dabei rufen sie auch „Officer, er ist hier“. Einem Bericht der Associated Press zufolge sei ein lokaler Polizeibeamter daraufhin auf das Dach gestiegen, um den Verdächtigen zu stellen. Dieser habe dem Polizisten aber seine Waffe entgegengehalten, woraufhin der Beamte das Dach wieder verlassen musste. Wenige Sekunden später richtete der Angreifer seine Waffe aus 140 Metern Entfernung auf Trump. Ein Zuschauer wurde durch die Schüsse tödlich getroffen (Apollo News berichtete). Schon Minuten zuvor hatten Besucher die Polizei gewarnt.

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In der Regel arbeitet der für Wahlkampfveranstaltungen und präsidialen Schutz verantwortliche Secret Service (USSS) bei derartigen Kundgebungen mit den örtlichen Sicherheitsbehörden zusammen – so auch in diesem Fall. Während die USSS-Agenten für die Sicherung des Veranstaltungsgeländes verantwortlich waren, sollten die Polizeibehörden das Gelände rund um die Butler Farm Show Inc. sichern, wie Anthony Guglielmi, Sprecher des USSS, der New York Times bestätigte (Apollo News berichtete).

Diese Aufgabenverteilung wäre die Erklärung dafür, warum nicht der Secret Service auf die Warnungen einzelner Zuschauer reagierte, sondern ein Polizeibeamter das Dach besteigen musste – alleine. Eher unüblich für eine solche Gefahrenlage. Außerdem sollten alle beteiligten Autoritäten bei einem solchen Einsatz per Funk miteinander verbunden sein – alles andere, wäre schlicht absurd. Erfolgte also ein warnender Funkspruch? Wurde dieser gehört und bestätigt? Und wenn ja: warum reagierte niemand?

Scharfschützen haben verdächtiges Objekt schon länger im Visier

Die Bilder anderer Videos legen nahe, dass mehrere Personen aufgeregt rund um die Halle liefen, auf deren Dach sich der Schütze befand, während sich ein Polizeibeamter der Stelle näherte. Die Sicherheitskräfte rund um die Bühne schienen derweil noch nicht in Alarmbereitschaft zu sein – zwei Scharfschützen auf dem Dach einer Scheune hinter Trumps Bühne blickten hingegen aktiv in die Richtung des Angreifers.

Laut Guglielmi waren vier Scharfschützenteams im Einsatz: zwei von der Polizei und zwei weitere von dem Counter Assault Team des USSS. Einer dieser Schützen war wenige Sekunden vor den Schüssen in schussbereiter Position auf dem Dach hinter Trumps Bühne zu sehen.

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Zudem wurde das Gebäude, auf dem sich der Angreifer befand, am Tag zuvor als anfälliges Objekt mit höchster Priorität eingestuft, teilte ein hochrangiger USSS-Beamter NBC mit. Demnach hätten die Scharfschützen das Feuer auch ohne eine Freigabe auf verdächtige Personen eröffnen dürfen. Eine weitere Quelle habe zudem bestätigt, dass die Scharfschützen nicht dem vorgegebenen Protokoll gefolgt seien. Mit anderen Worten: Ein präventiver Schuss wäre von den Sicherheitsbehörden erwünscht gewesen.

Ein mögliches Szenario: Die Scharfschützen wussten aufgrund der Besuchermeldungen, wo sich der Angreifer befand, aufgrund der abfallenden Neigung des Dachs hatten die Beamten von ihrer Position aber keine Sicht auf den 20-Jährigen. Diese Theorie wird von den ersten Erkenntnissen des ermittelnden FBI untermauert, wonach der Angreifer aus einer erhöhten Position agierte.

Das Veranstaltungsgelände in Butler, Pennsylvania. Quelle: Google Maps.

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„Es war deutlich zu sehen, dass er ein Gewehr bei sich hatte“

Ein BBC-Interview mit einem der Zuschauer zeigt, dass mehrere Personen die Position des Schützen an die Polizei gemeldet haben. „Es war deutlich zu sehen, dass er ein Gewehr bei sich hatte“, erklärte der befragte Trump-Anhänger. Er habe zwei, drei Minuten lang auf die Position des Schützen gezeigt, erklärt er. Zudem habe der „Secret Service vom Dach der Scheune in unsere Richtung geschaut“ – passiert sei aber nichts.

Diese Aussagen sind deckungsgleich mit Aufnahmen der Scheune hinter Trumps Bühne, auf welcher das betreffende Scharfschützenteam platziert war. Die beiden Beamten blickten schon mehrere Minuten vor den Schüssen mit Ferngläsern in die Richtung des Angreifers, ehe sie ihre Schussposition einnahmen und mehrere Sekunden lang auf das Dach, auf dem der 20-Jährige verweilte, zielten.

Auch nach den ersten Schüssen könnte es eine Weile gedauert haben, bis der Angreifer eliminiert werden konnte. Ein Video, unterlegt mit einer Audiospur der Geschehnisse, lässt vermuten, dass es nach den mutmaßlich sieben oder acht Schüssen auf Trump rund zehn Sekunden dauerte, ehe die USSS-Beamten antworteten.

Diese Informationen sind derzeit unbestätigt und lassen sich lediglich anhand der synchronisierten Audiospur nachvollziehen, wonach der letzte Schuss eine andere Klangfarbe aufweist als die zuvor hörbaren Einschläge. Andere Videos der Scharfschützen lassen aufgrund deren Bewegung hingegen vermuten, die Spezialkräfte haben unmittelbar nach den ersten Schüssen abgedrückt und das Feuer auf den Angreifer eröffnet. Welche Version der Wahrheit entspricht, lässt sich derzeit nicht sagen.

https://twitter.com/RehabRefiRepeat/status/1812766252659577187

Dennoch müssen sich die Sicherheitsbehörden fragen: Wie konnte der Angreifer minutenlang unbemerkt auf dem Dach verweilen und überhaupt, mit einem Sturmgewehr des Typs AR-15 ausgestattet, in die Nähe des Veranstaltungsgeländes gelangen? Die AR-15 ist ein für Zivilisten entworfener halbautomatischer Nachbau des bei Soldaten beliebten M16-Gewehrs. Daher recht präzise und durchschlagskräftig. Der 20-jährige Täter soll die Waffe von seinem Vater gekauft haben, der diese wiederum vor sechs Monaten erworben hatte, berichtet die Associated Press.

In der Schule soll der Angreifer aber noch vom Schützenteam aufgrund seiner nicht ausreichenden Fähigkeiten abgelehnt worden sein (Apollo News berichtete). Trotzdem soll Thomas Matthew Crooks aus 140 Metern Entfernung haarscharf an Trumps Kopf vorbeigeschossen haben. Das legt nahe, dass die Berichte über Crooks Fähigkeiten nicht stimmen oder dass er in der Zwischenzeit aktiv und viel den Umgang mit Schusswaffen geübt hat. Oder: Er hatte ein passendes Visier, denn damit wäre ein solcher Schuss auch für Anfänger theoretisch kein Problem. Bislang gibt es allerdings keine Berichte über eine vom FBI sichergestellte Zielvorrichtung.

Dass sich bei derartig vielen Fragezeichen waghalsige Theorien in der Bevölkerung breitmachen, ist kein großes Wunder – auch wenn sie mit Thesen, wie der einer „False Flag“-Aktion, teilweise wirklich absurd sind. Es gilt abzuwarten, bis sich weitere Details klären. Erwiesen ist derzeit nur: Das Auftreten der Sicherheitsbehörden in Pennsylvania ist mehr als irritierend. Irgendetwas ist hier gewaltig schiefgegangen – und das hat Menschenleben gekostet.

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