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Angela Merkel, die Kleingärtnerin der Macht

Merkel ist wieder da und offenbart - sie ist vielleicht der einzige Mensch, der nicht mal hinterher etwas besser weiß. Es ist das historische Versagen des deutschen Journalismus, diese Frau zur brillanten Politikerin und weitsichtigen Staatenlenkerin hochgeschrieben zu haben.

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Angela Merkel ist zurück – zumindest an der Seitenlinie der deutschen Politik. Aber das reicht schon. Für mich zumindest. Es gab viele Stimmen, die meinten, man würde Merkel im Rückblick noch vermissen – und angesichts von Scholz und seinem Gruselkabinett kam man auch wirklich in Versuchung. Da erinnert man sich, zumindest in meinem Alter, an das eigene Aufwachsen in den Merkel-Jahren geradezu romantisiert.

Doch das Lesen etwa der Buchauszüge aus ihrem Buch „Freiheit“ oder auch des Interviews mit Frau Merkel im Spiegel holt einen dann doch sehr schnell auf den Boden der Tatsachen zurück. Obwohl ich von der Frau nichts erwartete, machte sich auch in mir eine gewisse Fassungslosigkeit breit. Alle Merkel-Verklärungen, die steter Beschall durch die sie liebende Presse vielleicht noch im untersten Unterbewusstsein verankert waren, wurden so zumindest nachhaltig auskuriert.

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Angela Merkel war 16 Jahre lang Bundeskanzlerin und wurde von ihren Fans in den Medien abgefeiert – man nannte sie ehrfürchtig die „Physikerin der Macht“, die ja alles immer vom Ende her denke. Aber die Frau, die im Spiegel spricht, ist in ihrer Schlichtheit und Unbelehrbarkeit nichts dergleichen. Merkel zeigt, dass sie eben das genaue Gegenteil einer Wissenschaftlerin der Macht ist und auch immer war.

Wissenschaft ist vor allem die wissenschaftliche Methode, ein systematischer Prozess, der zu neuen Erkenntnissen führt, die auf Basis von Beobachtungen, Experimenten, Analysen und Kritik entstehen. Ein Wissenschaftler, der eine These aufstellt, macht einen Versuch und stellt dann fest: Hat geklappt oder auch nicht.

Merkel weiß nicht mal hinterher etwas besser

Merkel hingegen ist da anders. Sie hat 16 Jahre lang im Labor Deutschland rumgemurkst und alle ihre „Experimente“, ob Energiewende, Russland-Politik oder Grenzöffnung, sind allumfassend gescheitert. Doch Anerkennen des Scheiterns, gar Selbstkritik, gibt es nicht. Denn Merkel ist nicht die Wissenschaftlerin, sondern intellektuell eher die herrische Kleingärtnerin der Macht. Das war sie schon immer – aber ohne die Aura des Amtes wird erst so richtig deutlich, was für ein Kleingeist diese Frau ist.

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Sie hat früh nach ihrer Kanzlerschaft klargemacht, die Rolle des „Elder Statesman“ nicht spielen zu wollen. Merkel hätte auch gar nicht das Format dazu. Immerhin zeichneten sich Menschen dieser Kategorie, wie Helmut Schmidt oder Henry Kissinger, stets durch eine Art Weitblick aus. Und wenn man Frau Merkel eines nicht vorwerfen kann, dann ist es Weitblick. Sie hat noch nicht mal klaren Rückblick. Im Interview erklärt sie, dass sie in Russland- oder Migrationspolitik alles richtig gemacht habe – Merkel ist vielleicht der einzige Mensch, der nicht mal hinterher etwas besser weiß.

Das passt zu ihrer Kanzlerschaft: Merkels Politik war ziel- und leidenschaftslos. Die Frau, die angeblich „immer alles vom Ende her“ dachte, war in Wahrheit nie Motor für etwas, sondern immer nur getrieben. Inspiriert nicht von Ideen, sondern von Umfragen. Überzeugungen standen und fielen mit Merkel einfach mal spontan. Die Frau ist ja Physikerin, wie ihre Fans nie müde wurden, zu betonen – und Merkel, die Wissenschaftlerin der Macht, befriedigte auch irgendein seltsames, deutsches Bedürfnis nach Politik ohne Politik.

Das mediale Merkel-Zerrbild

Dass um diese graue Frau trotzdem so ein Mythos entstehen konnte, ist ihren besten Freunden in der Presse zu verdanken: Hauptstadtjournalisten hängten sich ja 16 Jahre voll rein, um jeden Laut und jede Regung der Kanzlerin verliebt und wohlmeinend überzuinterpretieren. Was für ein tiefsinniger Witz! Wie klug! Merkels Freundschaften mit ARD-Größe Tina Hassel oder Verlagsmatriarchin Friede Springer zahlten sich in zahlreichen Kuschelinterviews oder medialer Zuarbeit zur Linie der Kanzlerin aus.

Sie verhüllten den Blick auf eine ideen- und antriebslose Politikerin, die zur Grande Dame der Politik hochgeschrieben wurde. Jetzt meldet sich die Merkel aus dem Ruhestand und manche sind ernsthaft überrascht, was für ein geistiges Leichtgewicht das ist. Aber von „das Internet ist für uns alle Neuland“ bis zum legendären „ich kann nicht erkennen, was ich hätte anders machen müssen“ nach der Wahlklatsche 2017 – Merkel war immer so kleingeistig, wie sie jetzt wirkt. Es ist das historische Versagen des deutschen Journalismus, diese Frau zur brillanten Politikerin und weitsichtigen Staatenlenkerin hochgeschrieben zu haben.

Merkels Kleingeistigkeit und die Begeisterung, mit der diese von Journalisten begleitet und überhöht wurde, fasst sich vielleicht in einem Abschnitt des Spiegel-Interviews gut zusammen: Merkel wird gefragt, was sie über die Art und Weise des Koalitions-Zusammenbruchs gedacht habe. Und antwortet nur mit einem Wort: „Männer“. Der Spiegel findet das natürlich wieder so genial, dass er den Gag direkt mal zur Überschrift machte.

„Männer“. Das ist das, was von 16 Jahren Kanzlerschaft der Frau Merkel bleibt – ein umgedrehter Mario-Barth-Kalauer. Aber es passt, denn Merkels Politik war immer wie Barths Comedy. Schlecht, stumpf und ohne Tiefgang – trotzdem bei Menschen ab 50 so unfassbar beliebt, dass es viel zu viele Fortsetzungen der Show gab. 

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