Das große Beben: Wie sich die Wirtschaft von der CDU abwendet
Immer mehr Wirtschaftsverbände und Unternehmen durchbrechen die Brandmauer und akzeptieren AfD-Vertreter als Gesprächspartner. Damit wenden sie sich bitter enttäuscht von ihrem bisher bevorzugten Partner ab: der Merz-CDU.
Eigentlich sollte mit einer CDU-Regierung alles besser werden: Als Anfang des Jahres über hundert große Unternehmerverbände – von Gesamtmetall über den Groß- und Außenhandelsverband und den Mittelstandsverband BVMW bis zu Dehoga und dem Verband der Familienunternehmer – zu Protesten im Rahmen eines „Warntages“ unter anderem am Brandenburger Tor aufriefen, richtete sich ihr Unmut noch gegen die rot-grünen Ampel-Reste der damaligen Bundesregierung (Apollo News berichtete).
Ihre Hoffnung: Ein Regierungswechsel, der auch zu einer wirtschaftspolitischen Trendwende weg von Bürokratisierung und zurück zur Marktwirtschaft führt. Doch nun wiederholen sich die Debatten, die schon den Beginn der letzten Merkel-Regierung 2018 prägten. Das Kabinett von Friedrich Merz kehrt den viel beklagten „Marsch in den Sozialismus“ nicht um; im Gegenteil, es sind kaum Unterschiede zur Politik aus der vorherigen Legislaturperiode erkennbar, wie auch Olaf Scholz jüngst in der Zeit begrüßte (mehr dazu hier).
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Inzwischen plant jedes vierte Familienunternehmen, im laufenden Quartal Stellen zu streichen. 77 Prozent der von Forsa befragten Unternehmer sind unzufrieden mit der Bundesregierung. Bei den Firmen mit mindestens 50, aber weniger als 250 Beschäftigten äußerten sich sogar 83 Prozent negativ. Dass die Ablehnung der meisten über kosmetische Korrekturen oder ein Pochen auf die eigene Lesart des Koalitionsvertrags hinausgeht, zeigte Arbeitgeberpräsident Dulger am Dienstag, der sich mit klaren Worten ganz grundsätzlich gegen das Rentenpaket der CDU-geführten Bundesregierung stellte.
Das Ende des „Kontaktverbots“ der Familienunternehmer zur AfD erweist sich vor diesem Hintergrund in erster Linie als Notwehr. Seitdem im Frühjahr mit der faktischen Aufhebung der Schuldenbremse durch den abgewählten Bundestag ein zentraler Programmpunkt der CDU abgeräumt wurde, sind viele Unternehmervertreter endgültig verzweifelt.
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Im Kontext dieser massiven Ausweitung der Staatstätigkeit habe man im Verband der Familienunternehmer beschlossen, „mit einzelnen AfD-Fachpolitikern ins Gespräch zu kommen.“ Eine Regierungsbeteiligung der AfD lehne ihr Verband aber ab, ihre Positionen akzeptiere man nicht, so die Verbandspräsidentin Marie-Christine Ostermann in einer Pressemitteilung über eine Partei, die inzwischen gesamtgesellschaftlich mindestens so breit verankert ist wie die tonangebenden Grünen (mehr dazu hier).
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Auch der Verband der Unternehmerinnen (dort war zuletzt Markus Frohnmaier zu Gast), der Zentralverband des Deutschen Handwerks („Abgrenzung statt Ausgrenzung“) und der Bundesverband Mittelständische Wirtschaft mit Geschäftsführer Christoph Ahlhaus, dem früheren Ersten Bürgermeister von Hamburg, stehen dazu, bei Abgeordneten nicht nach Fraktionszugehörigkeit zu diskriminieren und sich um eine neue Positionierung zu bemühen.
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Gleich zwei Verbände aus besonders gebeutelten Branchen wollen sich mit der AfD austauschen: Der „Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerks“ – in dieser Branche stirbt derzeit Traditionsbetrieb um Traditionsbetrieb – und die „Familienbetriebe Land und Forst“. Letztere haben ihre Aufgabe als Interessenverband besonders gut verinnerlicht: Man sei den Mitgliedern verpflichtet, und „entsprechend unparteiisch“ im politischen Kampf, ließ man gegenüber Bild verlauten (Apollo News berichtete).
Nur im Austausch „mit allen demokratisch gewählten Parteien“ könne der Verband seine „Aufgaben erfüllen und die Anliegen der Mitglieder wirksam vertreten“. So wird der AfD erstmals von Wirtschaftsvertretern eine Wirksamkeit im politischen Betrieb zugeschrieben.
Selbst die, die sich nicht zur AfD hinwenden, wenden sich (wieder) von einer CDU ab, die gerade erst von den Merkel-Jahren programmatisch erholt schien. Martin Herrenknecht, Gründer und Vorstandsvorsitzender der gleichnamigen Firma für Tunnelvortriebsmaschinen, nannte die Scholz-Regierung vor einem Jahr im Focus „die schlechteste Regierung, die die Bundesrepublik je hatte“ und die Politik in Deutschland auf einer Veranstaltung von The Pioneer „ein Fiasko“. Das CDU-Mitglied war schon zu Merkel auf Distanz gegangen: Seine Partei habe „keinen Wirtschaftsflügel mehr“, sagte er der Welt 2016.
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„Ich vermisse heute Leute wie Roland Koch oder Friedrich Merz“, erklärte er damals noch. Doch damit scheint es jetzt vorbei. „Die Koalition wirkt ideenlos und instabil“, sagte er dem Handelsblatt. Die „Brandmauer“ möchte er allerdings erhalten. Und öffentlich möchte auch kein Chef eines großen Unternehmens weitergehend zitiert werden. Doch hinter vorgehaltener Hand werden viele immer deutlicher. Die Option Minderheitsregierung scheint ihnen gangbar, dann könnte wenigstens die SPD aus der Regierung entlassen werden.
Doch eigentlich geht es inzwischen um mehr: Nicht nur die SPD, auch die CDU erscheint als Hemmschuh von Reformen und willfähriger Vollstrecker des „Marschs in den Sozialismus“. Schon im September hatte der Landesvorsitzende der Familienunternehmer in Baden-Württemberg gegenüber dem Staatsanzeiger beklagt, die CDU trage die von den Grünen angestoßene Überregulierung mit – konkret benannte er die Klimaziele, neue Vorschriften und einseitige Subventionen. Kurz: „planwirtschaftlich anmutende Verpflichtungen, was genau zu produzieren ist“.
Die CDU schießt nun ebenso scharf zurück gegen ihre früheren Verbündeten. Dennis Radtke, Bundesvorsitzender der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft, kritisierte gegenüber dem Focus: „Wer als Unternehmerverband die Nähe zur AfD sucht, legt die Axt an die Wurzel unseres Wirtschaftsmodells.“
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Auch die Mittelstands- und Wirtschaftsunion meint, die AfD könne „kein Partner für den Mittelstand“ sein. Ihr Programm und ihre Haltung schadeten dem Standort Deutschland massiv, erklärte die Bundesvorsitzende der Parteivereinigung, Gitta Connemann, gegenüber dem Handelsblatt. Es seien die Konzernspitzen in der Pflicht, ihrer „Verantwortung für die Beschäftigten“ nachzukommen, meinte der CDU-Oberbürgermeister von Waiblingen in Richtung Bosch. Auf die Idee, Fehler in der Politik seiner Partei und der von ihr getragenen Regierungen in Bund und Land zu suchen, kam er nicht.
Der für die Bund-Länder-Zusammenarbeit zuständige Staatsminister im Bundeskanzleramt, Michael Meister, warf „der Wirtschaft“ auf X vor, „ihre Haltung verloren“ zu haben. Damit dürfte er auch die Meinung von Friedrich Merz auf den Punkt gebracht haben. Nichts als Unverständnis ernten die verzweifelten Unternehmer auf höchster Regierungsebene. Und CSU-Generalsekretär Martin Huber legte bei Bild noch nach: „Wer als Vertreter der Wirtschaft die AfD als Partner sieht, spielt mit dem Feuer und legt die Axt an das Fundament unserer sozialen Marktwirtschaft.“
Wie eng der Block der Brandmauer-Befürworter immer noch steht, zeigt auch die Reaktion der Deutschen Bank: Die größte Bank der Bundesrepublik hat den Familienunternehmer-Verband kurzerhand vor die Tür gesetzt. Mit Brandmauer-Brechern wollen sich die Betreiber von Veranstaltungsorten wie dem „PalaisPopulaire“, der den Berliner Volkspalast der DDR symbolisch wiederauferstehen lassen soll, nicht gemein machen.
Rossmann und andere sind jetzt in Reaktion auf die Kurskorrektur gegenüber der AfD aus dem Familienunternehmer-Verband ausgetreten; weitere Unternehmen erwägen diesen Schritt. Man muss sich vor Augen führen: Niemand hat gefordert, Inhalte der AfD umzusetzen, geschweige denn, die Partei in eine Regierungskoalition einzubinden. Im Gegenteil. Dennoch sind die Reaktionen erschlagend.
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Im Einklang mit der Bundesregierung scheint diesen Unternehmen das Verständnis für die gesamtwirtschaftliche Lage zu fehlen, dafür, wie schlecht es um die deutsche Wirtschaft in ihrer Breite wirklich bestellt ist. Verbandschefin Ostermann wehrte sich in einer Nachricht an Mitglieder der Familienunternehmer: Wer den Ansatz, mit der AfD zu debattieren, diffamiere, stärke letztlich nur die Extremisten.
Wenn die Brandmauer der Wirtschaft tatsächlich fallen sollte, hätte das auch handfeste Konsequenzen für die Finanzen der Parteien. Große Unternehmen und Verbände spenden nämlich regelmäßig hohe Summen an die politischen Parteien, besonders in Wahljahren. Viele bedachten dabei in der Vergangenheit alle relevanten politischen Kräfte in ähnlichem Umfang – ausgenommen die AfD.
Wer für die 2013 gegründete Partei spendete, galt in den letzten Jahren immer wieder als Paria. Manche versuchten über verschlungene, zumindest aus Sicht der Bundestagsverwaltung illegale Wege, Geld an die Partei weiterzugeben. Würden die Budgets der Verbände, Großunternehmen und Firmeneigentümer für die AfD geöffnet, könnte sie neue Spielräume erlangen. Gleichsam müssten die anderen Parteien mit Kürzungen der Zuwendungen, die oft mit einem Erhalt der demokratischen Parteienordnung als solcher begründet werden, rechnen.
Sollte es in absehbarer Zeit zu einer Neuwahl des Bundestages kommen – die im politischen Berlin eigentlich niemand will, nicht einmal die AfD – so könnte hier der entscheidende Mosaikstein für einen erfolgreichen Wahlkampf der einen oder anderen Seite liegen. Ob die AfD aber die Erwartungen ihrer wirtschaftsliberalen Befürworter besser erfüllen würde als die Union, bleibt angesichts der Stärke der sozialpolitisch linken Teile der Alternative offen – bis die Partei erstmals an einer Regierung beteiligt sein wird.
Die Union jedenfalls wird sich nun entscheiden müssen: Fährt sie einen Appeasement-Kurs gegenüber den abtrünnigen Unternehmerverbänden? Oder verbannt sie diese selbst hinter die Brandmauer? Denn wer sich der AfD auch nur einigermaßen neutral nähert, muss ja bekanntlich selbst mit ihr unter einer Decke stecken.
Doch im offenen Konflikt mit ihrem wirtschaftsliberalen Vorfeld wird es schwer für die Union, ernsthaft bei Wahlen zu überzeugen. Ein so gutes Abschneiden, dass weder Sozialdemokraten noch Grüne als Koalitionspartner gebraucht werden, scheint die CDU – anders als die CSU in Bayern – ohnehin abgeschrieben zu haben. Für die Ostverbände geht es zunehmend um die Frage, ob sie ein, zwei oder drei linke Partner für eine Mehrheits- oder wenigstens Minderheitsregierung mit CDU-Beteiligung brauchen.
Daher müsste von dort, wo auch der Unmut in der (geringer organisierten) Unternehmerschaft am größten ist, auch der Impuls für einen neuen Dialog mit Wirtschaft und Opposition ausgehen. Derzeit sieht es aber nicht so aus, als seien die Union und die Politik im Allgemeinen bereit, diesen Schritt zu gehen.
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Solange der lange Pinocchio rumturnt, solange geht der Untergang weiter.
Man muss schon fast zu der Überzeugung kommen, Herr Merz will gar nicht liefern. Das Aufrechterhalten der Brandmauer scheint nur ein willkommener Vorwand zu sein. Im Angesicht der vielen Lügenmärchen reiht sich seine Brandmauer nahtlos ein. Gut, dass es auch langsam der Wirtschaft auffällt.
Nein, er wollte nie etwas ändern. Er hat einen tollen Wahlkampf hingelegt mit Ankündigungen und Vorhaben, die er nie umsetzen wollte. Alle erinnern sich immer an die Sprüche „Links ist vorbei!“. Als er meinte „Die Agenda wird weiter fortgeführt“, hat offenbar niemand zugehört.
Will er auch nicht! Dieser Fatzke ist nur sich selbst der Nächste. Der war schon immer so!
Die CDU/CSU versteht nur was von krummen Maskengeschäften und Amigo-Gipfeln. Sie verschenkt zudem gerne Geld ins Ausland.
Top-Manager hätten wissen müssen, dass Merz ein Knickebein ist, dafür sind sie Top-Manager. Merz selbst hat nie einen Hehl daraus gemacht. Statt dessen wollten sie über Parteispenden und „Lobbyisten-Tinder“ Einfluss gewinnen. Was für erbärmliche Realitätsverweigerer.
Merz-CDU? Das ist die Merkel-CDU, wie sie leibt und lebt.
Die Brandmauer blockiert essenzielle Reformen, die nachweislich mit Linken nicht zu machen sind. Wie man sieht, stärkt sie die AfD. Sie ist also gescheitert.
Das, was momentan mit der Regierung abläuft kann keine Unfähigkeit sein. So dermaßen blöd ist keiner. Das ist, warum auch immer, pure Absicht. Lügenbaron, von wem kommen die Befehle???
Nun, das zeigt doch nur, daß es in dieser Republik auch noch Menschen mit Vernunft und Verstand gibt. Bei aller sicher nicht immer unberechtigten Kritik an der AfD: Was sich hier über Jahre an Rhetorik und Umgangsformen im Zusammenhang mit der AfD aufgebaut hat, ist an Idiotie kaum noch zu unterbieten.
Merz hat es vor der Wahl ja deutlich gesagt. Hat man ihm eingeredet, daß die Reaktionen auf „die“ Abstimmung die allgemeine Stimmung spiegelten, oder warum sonst hat er diese 540-Grad-Wende vollzogen? Zumindest zeigen inzwischen ja auch Umfragen, daß die Mehrheit keine Berührungsängste mehr mit der AfD hat.
Zu spät: Deutschland wird untergehen. Kapitänwechsel sofort!
Nach der FDP verliert nun auch die Union langsam, zu spät, aber hoffentlich um so sicherer ihre wichtigsten Wähler: die Leistungsträger der Gesellschaft.
Das Problem ist, dass die Wirtschaft, vor allem die mittelständische, mit einer solchen Antiwirtschaftspolitik zum einen nicht gerechnet hat (nach dem Motto: Das können die doch nicht machen!) und zum anderen viele Unternehmer selbst daran geglaubt haben, was die Regierung erzählt, und dass wir dafür allerhand Opfer bringen müssen.
Zudem glaubte man wohl in den Chefetagen, die Regierung werde sie mit Fördergeldern und Subventionen füttern, wenn man brav alles duldet.
Das ist naiv, denn jeder Unternehmer sollte wissen, dass diese Gelder aus Töpfen finanziert werden, die er selbst vorher füllen muss.
Nun also fällt endlich der Groschen, dass die AfD doch nicht der Beelzebub in blauen Gewändern ist, sondern die einzige Partei, die die Sargnägel wieder aus dem Holz ziehen kann.