„Wir haben das Richter-Paket geschnürt, um einen Richter mit einer klar bürgerlichen Weltanschauung nach Karlsruhe zu entsenden“, erklärt die CSU im Bundestag – und erklimmt damit den Gipfel der politischen Dreistigkeit. Das Richter-Paket, das hier ernsthaft unverfroren als konservativer Erfolg verkauft werden soll, ist alles andere als das. Und diese Erklärung wird den Sturm der Empörung, der sich in der Union bahnbricht, nicht abblasen.

Mal wieder hat die Unions-Führung die Situation völlig falsch eingeschätzt und erlebt jetzt ihren Ataman-Moment. Nur, dass es jetzt nicht um eine vergleichsweise bedeutungslose Bundesbeauftragte, sondern um Posten am höchsten Gericht dieser Republik geht. Unionsmitglieder fühlen sich von der eigenen Führung, gelinde gesagt, nicht für voll genommen. An der Basis brennt es – und das völlig zu Recht. Die Kommunikation der Unionsspitze spuckt den eigenen Anhängern ins Gesicht. Sie zieht sie durch den Kakao und erwartet, dass die Partei auch noch davon trinkt.

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Nun hat die Union auch an der Basis in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten ja ungefähr jeden Kakao getrunken, durch den man sie gezogen hat. Dass es irgendwann zu viel sein könnte, zeigen aktuell die Reaktionen auf die Nominierung von Frauke Brosius-Gersdorf. Bundestagsabgeordnete berichten von einer Flut an Mails und Zuschriften, in der Bürger eindringlich appellieren, die umstrittene Juristin nicht zu wählen.

Die Führung ist davon derweil völlig entkoppelt: In internen Chats beklagt CSU-Landesgruppenchef Alexander Hoffmann eine Kampagne gegen die Richterin, die aus „bestimmten Ecken“ hochgetrieben werde. Dass die Kritik vor allem von der Unions-Basis kommt, nimmt der Politiker gar nicht wahr. Er brüstet sich mit 2000 Bürgern, die er angeblich getroffen habe und die kein Problem mit Brosius-Gersdorfs Ernennung hätten.

Hoffmann hat sich an die Spitze jener gestellt, die nicht nur die eigenen Mitglieder, sondern das ganze Land hinter die Fichte führen wollen. Die öffentliche Erklärung, die er über die CSU-Landesgruppe verbreiten ließ, ist ein Offenbarungseid. Nicht nur die dreiste Umkehrung des „Richter-Pakets“ in sein Gegenteil – auch die Behauptung, man müsse das jetzt so machen, weil sonst der Bundesrat zuständig werde und dann nie wieder auch nur ein Konservativer nach Karlsruhe kommen könnte, ist einfach in jeder Facette falsch.

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Unter anderem deswegen, weil die Union auch im Bundesrat die nötige Stimmzahl hat, um das von Hoffmann gezeichnete Szenario zu verhindern. Eine Zwei-Drittel-Mehrheit ist in der Länderkammer ohne CDU und CSU unmöglich – an ihnen vorbei wird kein Richter ernannt. Die Fraktionsführung, deren Teil Hoffmann ist, behauptete intern zudem, der Bundestag könnte dann an Richterwahlen gar nicht mehr beteiligt werden. Auch das ist falsch. Aber Hoffmann geht es nicht um die Wahrheit – es geht ihm um Schadensbegrenzung und um die Ruhigstellung seiner Kritiker. Bitte nicht den Berliner Betrieb stören!

Man kann es nur so hart sagen: Die Unions-Führung ist dieser Tage dabei, ihre eigenen Mitglieder in radikaler Dreistigkeit zu belügen. Und man weiß gar nicht so genau, warum. Hoffmann ist mit seinen unwahren Worten ein Parade-Produkt eines entkoppelten Polit-Betriebes, dem eigentlich alles egal ist – die Wähler, die Parteimitglieder, die angeblich eigenen Überzeugungen sowieso. Es geht nur noch darum, dass der konturlose Maschinenraum der Macht läuft und möglichst nicht gestört wird von blöden Wählern, Parteimitgliedern oder Medien, die doch tatsächlich wagen, dessen Arbeit kritisch zu begleiten.

Selbst interne Kritik wird mit der Routine des genervten Berufspolitikers abgebügelt. „Naja, Freunde, wir müssen ja schon auch irgendwie darstellen, warum wir das hier so machen“, schrieb Hoffmann auf teils vernichtende Kritik seiner eigenen Parteifreunde in einer internen Whatsappgruppe, in der sich die treuesten Anhänger dessen versammeln, was einmal Friedrich Merz‘ „Politikwechsel“ war.

Eine Wortwahl, die entlarvt. „Irgendwie“ müsse man sich halt rechtfertigen für das, was man tut. Notfalls auch mit Falschaussagen. Inhalte erfolgreich überwunden – und Wahrheit auch. Freilich müsste die Union gar nichts, schon gar nicht eine Brosius-Gersdorf wählen. Die Führung will es aber und meint, es bekäme schon keiner mit. Medien, die entsprechend ihres Auftrages dafür sorgen wollen, dass es doch jemand mitkriegt, sind dann im Zweifel unlautere Kampagnenmacher. Ein Verständnis von Politik, das mit Demokratie nur noch am Rande zu tun hat.

Warum macht die Union das alles? Sie könnte Brosius-Gersdorf am Freitag bei der Wahl nicht nur durchfallen lassen – sie müsste es. Die Grünen haben immerhin damit eröffnet, einen Unions-Kandidaten nicht zu wählen. Der angebliche Konsens der „Mitte“, einander die Kandidaten zu unterstützen, existiert nicht mehr. Warum ihm noch folgen? Es gibt keinen Grund, radikale Ideologen ans Verfassungsgericht zu schicken. Schon gar nicht für die CDU/CSU.

Die Führung der Fraktion will das aber offenbar unbedingt. Dafür belügt man selbst die eigenen Mitglieder mit dem Mut der Verzweiflung und schlägt wild um sich, wenn einem die Debatte entgleitet, die man eigentlich gar nicht geführt sehen wollte. Alles geprägt von der Arroganz, dass man es doch besser wisse als „die da draußen“ und dass Medien und einfache Parteimitglieder deshalb bitte den Mund halten mögen.

Dass man mit radikalen Richtern wie Brosius-Gersdorf nicht nur die eigene Politik, sondern auch das Ansehen und das Vertrauen ins Verfassungsgericht sabotiert, ist den Verantwortlichen insgesamt offenbar gar nicht klar. Sie wissen nicht, was sie tun. Vergeben sollte man ihnen dafür trotzdem nicht. Schon gar nicht sollten das die Abgeordneten tun, die für diesen Riesenfehler am Ende auch an der Wahlurne abgestraft werden könnten.

Allerdings: Wenn die Union Brosius-Gersdorf am Freitag mitträgt, haben die Abgeordneten sich selbst durch den Kakao gezogen. Die eigene Stimme kann man insbesondere bei einer geheimen Wahl immer verweigern. Und damit auch der Fraktionsführung einen Denkzettel erteilen, die offenbar glaubt, die eigene Partei mit Falschaussagen in die Irre führen und ruhigstellen zu können. Die Wahl wird zeigen, ob sie damit recht behalten wird.

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