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Wie Strommärchen entstehen: Die Lobby-PR von Agora und Co. rechnet mit Halbwahrheiten

Der Bundesverband Erneuerbare Energien und Agora Energiewende versprechen sinkende Strompreise durch EE-Ausbau – doch Studien zeigen: Förderkosten, Netzausbau und Systemkosten steigen massiv. Niedrige Börsenpreise täuschen über reale Belastungen hinweg. Selektive Kommunikation ersetzt keine ehrliche Analyse.

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Der Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE) verspricht seit Jahren konstant sinkende Strompreise – vorausgesetzt, der Ausbau der erneuerbaren Energien wird unbeirrt fortgesetzt. In einer aktuellen Pressemitteilung vom 18. Juni 2025 bekräftigt der Verband diese Aussage und stützt sich dabei auf eine neue Studie der Denkfabrik Agora Energiewende, die einen Rückgang der durchschnittlichen Börsenstrompreise in Aussicht stellt.

Die gemeinsam mit Aurora Energy Research erstellte Analyse vergleicht zwei Szenarien für den Strommarkt bis 2030. Das erste Szenario geht von einem starken Anstieg der Stromnachfrage durch Wärmepumpen, E-Mobilität und Industrie aus, das zweite von einer moderaten Entwicklung. Laut Agora sinkt der durchschnittliche Börsenstrompreis bei planmäßigem Ausbau von Wind- und Solarenergie im Jahr 2030 auf rund 65 Euro/MWh – und liegt damit rund 20 Euro unter dem Preisniveau eines Szenarios, das bei einem um 45 Prozent gekürzten Ausbaupfad mit 85 Euro/MWh veranschlagt wird. Daraus leitet die Studie eine jährliche Entlastung für Haushalte und Unternehmen von 12 bis 14 Milliarden Euro ab. 

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Börsenpreise ≠ Stromrechnung

Diese Argumentation wirkt auf den ersten Blick plausibel – denn isoliert betrachtet sinkt der Börsenstrompreis regelmäßig in Zeiten hoher Einspeisung erneuerbarer Energien durch ein strukturelles Überangebot von Strom, das darauf zurückzuführen ist, dass seine Erzeuger unabhängig vom Börsenpreis über feste Vergütungsmechanismen entlohnt werden. Der Effekt führt auch dazu, dass immer häufiger negative Strompreise auftreten. Diese sind kein Zeichen eines funktionierenden Wettbewerbs, sondern vielmehr ein deutliches Symptom für einen gestörten Marktmechanismus: Dadurch entstehen Fehlanreize, die zu ökonomisch ineffizienter Erzeugung und letztlich zu realen Wohlstandsverlusten führen. 

Daher ist ein niedrigerer durchschnittlicher Börsenstrompreis für sich genommen kein Garant für sinkende volkswirtschaftliche Stromkosten. Vielmehr führen stark schwankende Einspeisungen aus Erneuerbaren dazu, dass es in Zeiten von Überproduktion – etwa an sonnigen oder windreichen Tagen – zwar zu Preisrückgängen an der Börse kommt, gleichzeitig aber die garantierten Einspeisevergütungen die wachsende Differenz zum Marktpreis ausgleichen müssen. Diese Differenzkosten tragen letztlich die Steuerzahler.

Selbst Agora räumt in der Analyse ein, dass die jährlichen Förderkosten künftig um sieben bis acht Milliarden Euro steigen dürften. Damit weiten sich die Subventionen für Erneuerbare weiter aus – sie lagen im Jahr 2024 bereits bei 18,5 Milliarden Euro oder rund 7,2 Cent pro kWh erzeugtem Strom durch Erzeuger erneuerbarer Energien.  Die Pressemitteilung von Agora benennt sowohl die erwartete Börsenstrompreissenkung als auch die steigenden Förderkosten. Die Presseerklärung des BEE hingegen erwähnt die Höhe der zusätzlichen zu erwartenden Subventionen mit keinem Wort – dort belässt man es bei der Bezifferung der möglichen Entlastungseffekte über den Börsenstrompreis. Eine solche selektive Darstellung trägt kaum zu einer sachgerechten öffentlichen Debatte bei.

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Was man nicht betrachtet, muss man auch nicht erklären

Besonders schwer wiegt die gezielte Ausblendung der Netzkosten. Die Agora-Pressemitteilung führt dazu aus, der Netzausbau sei „aufgrund der langen Planungs- und Realisierungsfristen bereits weitgehend festgelegt“ und habe „damit keine Auswirkungen auf die Strompreise“. Damit wird ein zentraler Kostenblock schlicht aus der Rechnung gestrichen.

Dabei ist fachlich unstrittig: Mit jedem weiteren Prozentpunkt fluktuierender Einspeisung steigen die Systemkosten spürbar – für Netzausbau, Redispatch, Abregelung und Reservekapazitäten. Die Realität zeigt das längst: So steigen beispielsweise die Kosten für das Abregeln überschüssigen Stroms kontinuierlich – und sie tun es deshalb, weil an immer mehr Tagen vor allem zur Mittagszeit große Mengen Solarstrom mangels Netzkapazität nicht eingespeist werden können. So wurden in Bayern im Jahr 2023 rund 382 GWh Solarstrom abgeregelt. Diese Menge stieg im Jahr 2024 auf 981 GWh – das entspricht etwa einem Achtel des jährlichen Stromverbrauchs des Saarlandes. Das ist kein Betriebsunfall, sondern Ausdruck einer strukturellen Schieflage im Zusammenspiel von Erzeugung und Netzkapazität. 

All diese Kosten – ob für neue Leitungen oder für Netzstabilisierung durch Eingriffe – landen auf der Rechnung der Stromverbraucher. Wer diese Kosten in der Bewertung ausklammert, betreibt keine neutrale Analyse, sondern politische Kommunikation mit kalkulierter Auslassung.

Widerspruch durch externe Analysen

Zwei aktuelle Studien stellen die zentrale Aussage infrage, dass ein beschleunigter Ausbau erneuerbarer Energien automatisch zu sinkenden Stromkosten führt – und zeigen im Gegenteil, dass genau dieser Kurs mit erheblichen Mehrkosten verbunden sein dürfte.

Die McKinsey-Analyse „Zukunftspfad Stromnachfrage“ (Januar 2025) prognostiziert im sogenannten „Trendpfad“ – also bei Fortschreibung der aktuellen Ausbauplanung – einen durchschnittlichen, auf heute preisindizierten Haushaltsstrompreis von rund 50 ct/kWh im Jahr 2035. Hauptursache sind laut Studie die stark steigenden Kosten für Netzinfrastruktur und flankierende Systemleistungen, die in der Agora-Analyse nicht berücksichtigt werden. Zugleich zeigt McKinsey, dass ein maßvollerer EE-Ausbau, der sich stärker am realen Strombedarf orientiert, erhebliche Entlastungspotenziale birgt: Investitionen in Netze und Erzeugung könnten um bis zu 300 Milliarden Euro reduziert und der Strompreis auf 36–38 ct/kWh begrenzt werden. Damit widerspricht die Analyse direkt der von Agora vertretenen Annahme, der Netzausbau sei ein weitgehend festgelegter, unbeeinflussbarer Kostenblock.

Zu vergleichbaren Ergebnissen kommt die BCG-Studie „Energiewende auf Kurs bringen“ im Auftrag des BDI (März 2025). Auch sie identifiziert einen Kostenanstieg des Stromsystems um rund 70 Prozent seit 2010 und warnt vor einer weiteren Eskalation ohne Kurskorrektur. Die Studie benennt 20 konkrete Hebel zur Kostensenkung, darunter explizit ein maßvollerer Ausbau der Erneuerbaren, um unnötige Netzinvestitionen zu vermeiden. Das Einsparpotenzial beziffert BCG ebenfalls auf über 300 Milliarden Euro bis 2035.

Und auch beim Strompreis kommt BCG zu ähnlichen Werten wie McKinsey: Im Szenario einer effizienteren Umsetzung der Energiewende könne der durchschnittliche Strompreis preisindiziert auf rund 40 ct/kWh begrenzt werden – deutlich unter dem Niveau von 49 ct/kWh, wie er unter den aktuellen politischen Ausbauambitionen zu erwarten ist.

Beide Studien machen eines unmissverständlich deutlich: Nicht der maximale Ausbau erneuerbarer Energien führt zwangsläufig zu sinkenden Strompreisen, sondern eine Politik, die Systemkosten, Nachfrageentwicklung und Versorgungssicherheit gleichermaßen im Blick behält. Wer diese Zusammenhänge in der öffentlichen Kommunikation ausspart, trägt nicht zur Aufklärung bei – sondern verfestigt ein Narrativ, das bei näherer Betrachtung ökonomisch nicht tragfähig ist.

Fazit: Ein glaubwürdiger energiepolitischer Diskurs braucht Transparenz, Vollständigkeit und intellektuelle Redlichkeit. Wenn jedoch zentrale Kostenfaktoren systematisch ausgeblendet, belastende Zahlen selektiv weggelassen und schöngerechnete Szenarien als wissenschaftliche Analyse präsentiert werden, leidet nicht nur die Debattenkultur – es leidet auch das Vertrauen in die politische Entscheidungsfindung. Politik, Medien und Öffentlichkeit sind deshalb gut beraten, die Aussagen von Interessenvertretungen wie dem BEE sowie von Denkfabriken mit klar erkennbarer energiepolitischer Agenda kritisch einzuordnen – und sich nicht vorschnell auf das jeweils verheißungsvollste Szenario einzulassen.


Dr. Christoph Canne ist Dipl.-Chemiker, Dipl.-Kaufmann, Vorstand und Pressesprecher der Bundesinitiative VERNUNFTKRAFT e.V. www.vernunftkraft.de

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27 Kommentare

  • Irritierend ist: Dass Strompreise von 30 bis 40 Cent/kWh als große Entlastung gesehen werden. Sicher: Gegenüber 50 Cent/kWh sind sie das sicher. Insgesamt ist das aber eine Bankrotterklärung. Eine intelligente, unideologische Energiepolitik würde Strompreise zwischen 10 und 12 Cent/kWh ermöglichen – und noch deutlich weniger für die Industrie. Das wollen die Damen und Herren, die Elite spielen, aber nicht.

  • Wie Strommärchen entstehen und Wie Pandemiemärchen entstehen…
    Sind die Märchenerzähler nicht nicht gleichen?

  • Wann werden diese Lügner angeklagt?

    40
  • Die Agora Intelligenzwende erzeugt bei ihren Auftraggebern nur Freude und bei den Steuerzahlern blanke Wut.

  • Wie teuer eine Kugel Eis mal so werden kann…….DANKE, Herr Trittin und allen anderen grünen Superhelden, welche ja immer gesagt haben, Sonne und Wind schicken keine Rechnung.
    Wenn einen die Realität umzingelt.

  • Was ist mit den Kosten für den Rückbau und die Entsorgung der Windräder und Solaranladen (alles Sondermüll!)?
    Wie war das doch gleich mit diesen ach so tollen Baustoffen wie Spahnplatten mit Formaldehyd oder Asbest?!?
    Der Fachkräftemangel scheint bei den Politikern und NGO’s besonder hoch und ausgeprägt zu sein. Oder ist es einfach nur Geldgeilheit?

    27
  • Wann legt man denen endlich das Handwerk?

    22
  • Gleichzeitig werden AKWs „arm“ gerechnet, indem willkürlich hohe Kapitalkosten und stark verkürzte Laufzeiten angenommen werden. Dann wird noch behauptet, keiner würde diese Kraftwerke versichern, obwohl die Privatwirtschaft bereit für solche Projekte und deren Versicherung wäre. Alles nur Show.

  • Agora? Noch Fragen? Baron von Münchhausen läßt grüßen.

    8
  • Völlig ausgeblendet werden auch die Folgen der Zerstörung von gesunden, funktionierenden Ökosystemen. Vorwiegend Wälder. Die abgeholzt werden, deren Boden versiegelt werden und das Ökosystem nachhaltig zerstört. Tiere verlieren ihre Schützräume, kühlende Bäume die CO2 aufnehmen und der Natur und dem Klima.mehr helfen als jeder erneuerbare Strom, wird es nicht mehr geben. Und ob nach diesem Zirkus je wieder diese Wälder zurück holen kann, halte ich für mm ehr als fraglich. Die EE sind der Tod einer gesunden Natur. Hier wird Naturzerstörung für Ideologie betrieben unter dem Vorwand damit die Natur zu retten.

  • Ein negativer Strompreis an der Börse muss mitnichten zu Wohlstandsverlusten führen. Der negative Börsenpreis bedeutet, dass der Stromproduzent Geld zahlen muss, um seinen Strom los zu werden. Ein Stromkonsument, z.B. ein Rechenzentrum kann sich somit für den Stromverbrauch bezahlen lassen und gleichzeitig ein werthaltiges Produkt verkaufen, z.B. KI rechnen lassen und damit Werbung schalten. Wo ist der Wohlstandsverlust? Genau: nirgends.

    -7
  • Wir werden nur noch von allen Seiten vera….t und wer etwas dagegen sagt, bekommt es mit „UNSERER DEMOKRATIE“ zu tun.
    Gefällt allerdings noch vielen Leuten, denn sonst würden die Umfragewerte für die Altparteien anders aussehen!

    16
  • Agora ist das nicht diese Clan Bude ??? Ich könnt 🤮 🤮 🤮

  • Ein Ei in Habecks Nest namens Graichen stinkt immer noch…

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