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Medienbericht

„Ich kann diese Fressen einfach nicht mehr sehen“ – Lindners Plan zum Ampel-Ende

Laut einem Medienbericht soll die FDP für ein mögliche Ampel-Aus seit Ende September mehrere Szenarien vorbereitet haben. Es ging offenbar um Pläne für das Weiterregieren, aber auch für den konkreten Bruch. Christian Lindner soll betont haben: So geht es mit der FDP nicht weiter.

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Nachdem Ampel-Aus zeigte sich Christian Lindner enttäuscht – könnte dieses Szenario ebenso wie Olaf Scholz aber von langer Hand geplant haben.

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Hat die FDP das Ampel-Aus lange vorbereitet? Ein Bericht der Zeit sowie der Süddeutschen Zeitung legt nahe, dass die Partei entsprechende Überlegungen angestellt hat. Demnach sollen die Liberalen konkrete Pläne für das Weiterregieren, aber auch für einen Koalitionsbruch in mehreren Treffen seit Ende September akribisch vorbereitet haben. Das will die Zeit aus ausgewerteten Dokumenten der Treffen und aus Aussagen von einigen mit den Vorgängen vertrauten Personen entnommen haben.

Sollten diese Darstellungen stimmen, würden sie bestätigen, dass Lindner trotz aller Zugeständnisse, die er für die Ampel machte, klar erkannt haben muss: Die Regierung muss sich ändern. Lindner wollte klarmachen, dass eine Wirtschaftswende im positiven Sinne mit den Partnerparteien nicht möglich sei.

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An den vertraulichen Gesprächen soll nur die Parteispitze, bestehend aus hochrangigen Funktionären und Vorsitzenden sowie den vier Ministern Marco Buschmann, Christian Lindner, Bettina Stark-Watzinger und Volker Wissing, beteiligt gewesen sein. Auf Anfrage der Zeit ließen die betroffenen FDP-Politiker Anfragen unbeantwortet oder lehnten Aussagen ab. Drei Szenarien für den Verbleib der FDP sollen auf den Treffen diskutiert worden sein.

Neben der – während dieser Zeit nach außen vermittelten – Option, weiter an der Regierung teilzuhaben, stand auch die Vertrauensfrage durch Olaf Scholz im Raum und vor allem die provozierte Entlassung der FDP-Minister – mit Finanzminister Lindner trat ebenjener Fall, der in dem Bericht als Projekt „D-Day“ dargestellt wird, am 6. November ein. Zuvor hatte der Minister ein Papier zur Wirtschaftswende veröffentlicht, in dem er Maßnahmen zur Verbesserung der deutschen Wirtschaft forderte und dafür auf Eingeständnisse der Ampel-Partner drängte.

Die Inhalte des Papiers sind zwar aus politischer Sicht nicht undenkbar – würden aber eben Zugeständnisse der Ampelparteien erfordern. Möglicherweise eine bewusste Provokation von Lindner, der immer wieder betonte, das Papier sei unabgesprochen an die Presse weitergegeben worden (Apollo News berichtete hier und hier).

Genau dieses Vorgehen könnte Lindner bewusst gewählt haben, um aufzuzeigen, dass eine echte Wirtschaftswende mit der Ampel unmöglich sei. Tatsächlich plante die FDP laut Zeit die Erstellung eines wirtschaftlichen Papiers sowie eines Schreibens über das schlechte Abschneiden grüner Politik. Letzteres sollte zwar als internes Dokument gehandelt, später aber an die Presse durchgestochen werden. Doch dazu kam es aufgrund der Entlassung von Lindner gar nicht erst, so der Bericht. Das Wirtschaftspapier folgte aber genau diesem Ablauf.

Zweifel an den Vorhaben des FDP-Bundesvorsitzenden soll Verkehrsminister Volker Wissing, der nach dem Ampel-Aus seinen Austritt aus der Partei erklärte, um als Justizminister in der Regierung zu bleiben, geäußert haben. In einer Sitzung habe Lindner aber jedwede Zweifel mit einem Ausbruch zerschlagen. Er sehe sich nicht in der Lage, die FDP mit schlechten Umfragewerten als Teil der Ampel-Koalition in den Wahlkampf zu führen.

Lindner soll sogar eskaliert sein, die Zukunftslosigkeit der FDP in der Ampel moniert und erklärt haben, diese „Fressen einfach nicht mehr sehen“ zu können – so schreibt es zumindest die Zeit. Gemeint sind die Minister und Politiker von SPD und Grünen. Nach außen kommunizierte Lindner trotz aller Spannungen immer ein friedliches Bild.

Nachdem sich der Bundeskanzler am 3. November noch persönlich mit Lindner unter vier Augen getroffen hatte, soll sich die FDP dann zunächst auf den Fall eingestellt haben, Scholz würde die Minister nicht entlassen wollen und ein Rücktritt der vier FDP-Politiker müsse eingeleitet werden. Der Finanzminister soll dem Bundeskanzler klargemacht haben: Ab hier geht es nur mit einer neuen Wirtschaftspolitik oder geordneten Neuwahlen weiter.

Doch Scholz, der sich vor der brisanten Koalitionsausschusssitzung ebenfalls auf jedes Szenario vorbereitet haben soll, legte am 6. November selbst ein Papier vor und forderte Lindner zur Aufhebung der Schuldenbremse auf. Ein Schritt, den der Finanzminister endgültig nicht mitgehen wollte, worauf Scholz die Entlassung von Lindner ankündigte. Die Option „D-Day“ war doch geglückt – absichtlich?

Auch Scholz selbst rückte in den Fokus: Nicht nur wurde der Bundeskanzler noch am Abend nach der Entlassungsankündigung von der SPD-Fraktion mit Applaus und lachenden Gesichtern empfangen, er soll ebenfalls mit dem Ampel-Aus gerechnet haben – obwohl er nach Lindners Entlassung beteuerte, die Entscheidung spontan getroffen zu haben. Das Gegenteil ist einer Aussage des neuen Finanzministers, Jörg Kukies, zu entnehmen.

Der bis dato als Staatssekretär im Kanzleramt beschäftigte SPD-Politiker sagte am Dienstag auf dem SZ-Wirtschaftsgipfel, er habe „konkret einen Tag“ vor seiner Ernennung am 7. November – dem Tag nach der Koalitionsausschuss – von seiner neuen Tätigkeit als Finanzminister erfahren. Stotternd fügte Kukies daraufhin an, er habe „vor dem Mittwoch, dem Koalitionsausschuss“ zum „ersten Mal abstrakt“ mit Scholz über diese „Möglichkeit“ gesprochen (Apollo News berichtete).

Bereits nach dem Koalitionsende lautgewordene Schuldzuweisungen wurden dadurch noch einmal bestärkt. SPD und FDP werfen sich weiterhin gegenseitig vor, Schuld am Zerbrechen der Ampel und somit dem Ende einer regierungsfähigen Mehrheit im Bundestag zu haben. Einzig die Grünen halten sich bis dato bedeckt. Zwar nannte Vizekanzler Robert Habeck die Entlassung des Finanzministers „folgerichtig“, kritisierte aber den chaotischen Koalitionsbruch und das politische Scharmützel um das Stellen der Vertrauensfrage.

Grüne und SPD erlitten laut Umfragen durch das Ampel-Aus bisher keinen großen Schaden. Die SPD kommt weiterhin auf 15 bis 17 Prozent, die Grünen rangieren zwischen zehn und zwölf Prozent. Für die FDP könnte der Regierungsaustritt noch positive Folgen haben: Lag die Partei in den vergangenen Wochen noch bei vier Prozent, konnte sie in Umfragen nach dem Ampel-Aus gleich dreimal auf fünf Prozent kommen. Der erneute Einzug in den Bundestag steht damit auf der Kippe.

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