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VW-Insider nennt Ausblick auf kommendes Jahr „gruselig“ – Ein Konzern vor der Manövrierunfähigkeit

VW hat auch ein altes Problem: Die Produktion in Deutschland ist wahnsinnig ineffizient, das liegt auch am hohen Einfluss von Personalrat und Staat. Das ging lange gut. Jetzt gerät das Unternehmen allerdings in die Zange - und kann kaum noch reagieren.

VW-Chef Oliver Blume: Der nette Chef hat die Kontrolle verloren

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„Wir stehen fest zum Standort Deutschland, denn Volkswagen hat ganze Generationen geprägt. Wir haben Mitarbeiter, deren Großväter schon bei Volkswagen gearbeitet haben. Ich will, dass auch ihre Enkel hier noch arbeiten können“, sagt Volkswagen-Chef Oliver Blume im Interview mit der Bild. Es soll wohl Vertrauen schaffen. Doch der Feel-Good-Leader, der seine Mitarbeiter duzt, sich weigert, am Kopfende eines Konferenztisches zu sitzen, weiße Sneaker trägt und zu allen betont freundlich ist – ihm  scheint die Kontrolle über diesen unübersichtlichen Konzern schier gigantischen Ausmaßes zu entgleiten.

Vor zwei Jahren trat er an und übernahm das Erbe von Herbert Diess, ein nach Fernsehaufmerksamkeit gierender Querkopf, der alles im Konzern auf Elektroautos und „Transformation“ auslegte und am Ende daran scheiterte, sich überall unbeliebt gemacht zu haben. Substanziell hinterließ er einen Scherbenhaufen – das war allerdings nicht das, was ihn zu Fall brachte. Diess stolperte darüber, dass er in internen E-Mails die Meinung vertrat, der Standort Wolfsburg käme auch mit einem Bruchteil der jetzigen Mitarbeiter aus. Eine ungeheuerliche Aussage, die damals einen Sturm sondergleichen auslöste – nur könnte sich jetzt zeigen, dass Diess ausgerechnet mit dieser Aussage in gewisser, tragischer Weise recht gehabt haben könnte. Weil viel zu lange geschlafen wurde.

Oliver Blume startete mit großen Ansprüchen, wollte mit einem 10-Punkte-Plan den Konzern umkrempeln und darüber hinaus auch noch für gute Stimmung sorgen. In Wahrheit hat er sich aber vor allen harten Fragen gedrückt – bis heute. Die Elektroauto-Strategie liegt in Trümmern, die Abhängigkeit vom chinesischen Markt ist immer noch gravierend. Dazu kommt ein Problem, das Volkswagen schon lange begleitet: exorbitante Produktionskosten.

Ein Traum, der jetzt platzt

Der Gewinn pro Mitarbeiter ist bei der Konkurrenz von Toyota mehr als doppelt so hoch, der Konzern arbeitet zu Produktionskosten, die nicht mehr wettbewerbsfähig sind. Eine Ursache: Betriebsrat plus das Land Niedersachsen haben im VW-Aufsichtsrat eine Mehrheit und blockieren demzufolge seit Jahrzehnten jede auch nur minimale Kürzung und Effizienzsteigerung. Der Konzern ist gelähmt und hat daher im weltweiten Vergleich extreme Ineffizienzen. Das Problem ist seit Jahren bekannt, doch bis auf jene E-Mail von Herbert Diess ist kein ernsthafter Versuch bekannt, an diesem Problem etwas zu ändern. Das ging gut, solange das Geschäft brummte und die Rahmenbedingungen in Deutschland stimmten.

Doch mit steigenden Energiekosten, Regulierungen und dem allgemeinen Verfall des Standortes sowie dem Nachfrage-Desaster wird diese Bombe unter dem Konzern scharf. Man könnte auch sagen: Auf dem Rücken einer extrem erfolgreichen Industrie leistete sich dieses Land einen unerhörten Luxus: Arbeitsplatzgarantie, ein Job so sicher wie eine Verbeamtung, großartige Löhne, keine Gefahr auf Kürzungen, selbst wenn es nötig gewesen wäre. Es war der vielleicht beste Arbeitsplatz der Welt. Doch dieser Traum platzt jetzt, denn man kann dieses Niveau nicht mehr halten.

Ein Teilnehmer eines VW-Krisentreffens sagte der Wirtschaftswoche: „Der Ausblick auf das nächste Jahr ist gruselig“. Ab 2025/2026 sollen neue Modelle eine Wende bringen, deren Fertigstellung sich seit längerem verzögert. Aber ob das klappt, bleibt fraglich. Die Nachfrage nach Elektroautos ist so niedrig, dass damit kaum eine nennenswerte Wende vollbracht werden könnte. Mit dem Fokus auf das Elektroauto hat man sich sehr exponiert – weitaus stärker als die zumindest vorsichtigeren nationalen Konkurrenten von BMW und Mercedes-Benz.

Der Konzern ist jetzt in einer Lage, die man als beginnende Manövrierunfähigkeit bezeichnen könnte: Der Elektro-Fokus ist so überhöht worden, dass man sich kaum abwenden kann, überteuerte Kosten scheinen kaum kontrollierbar und über eine Besserung in den Märkten im Ausland und insbesondere in China kann man nur beten. Soweit wäre dann alles gut: Der Dampfer schwimmt und fährt weiter. Nur wenn ein Riff kommt, kann man nicht mehr reagieren. Dieser Moment könnte jetzt allerdings recht schnell eintreten.

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