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„Verbitterter alter Mann“ – Strack-Zimmermann stellte 105 Anzeigen gleichzeitig

Strack-Zimmermann zeigt Kritiker systematisch an. Was für Lappalien so mit ihrer Unterschrift den Weg zur Staatsanwaltschaft fanden, zeigt eine Liste, die Apollo News vorliegt.

Zeigt in einem automatisiertem Verfahren an: FDP-Politikerin Strack-Zimmermann

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Die FDP-Politikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann ist dafür bekannt, teils derbe auszuteilen – und gleichzeitig nicht gut im Einstecken zu sein. Wie öffentlich bekannt ist, lässt die Europaabgeordnete das Netz automatisiert nach Beleidigungen durchforsten, um dann rechtlich gegen diese vorzugehen.

Apollo News liegt eine Liste von Anzeigen der Politikerin vor. Diese dokumentiert 105 Fälle, in denen Strack-Zimmermann über die Rechtsanwaltskanzlei Brockmeier-Faulhaber-Rudolph Strafantrag stellte. Der dort tätige Alexander Brockmeier ist Partner-Anwalt der FDP-nahen Abmahn-Agentur „So Done“ (Apollo News berichtete). Die Agentur verfolgt Äußerungsdelikte wie Beleidigung gegen ihre Kunden im Netz automatisiert mit einer KI. Die Liste zeigt, wie geringfügige Äußerungen schon zu einer Anzeige durch Strack-Zimmermann führen können.

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Dabei sind zunächst eindeutige Beleidigungen und Beschimpfungen wie „Waffenhure“ oder „US-Hure“ diverse Betitlungen als Nazi oder „Frau Hitler“ – oft aber auch nur kleine Spitzen und Meinungsäußerungen gegen die FDP-Frau. Ein User, der Strack-Zimmermann polemisch als „Domina“ des FDP-Kollegen und Verteidigungspolitikers Markus Faber bezeichnete, wird genauso angezeigt wie ein Nutzer, der sie abfällig „Panzertrulla“ nannte. Auch die Erklärungen, die Politikerin sei „ein verbitterter alter Mann“ werden angezeigt. Außerdem angezeigt wurde der Ausspruch, sie sei ein „böse[r] alte[r] Mann“, der „sein Mundwerk der Schande“ halten solle. Ein User, der ein Foto der Politikerin und anderer Personen mit dem Satz „Team Brechmittel“ kommentierte, ebenso.

In einem Fall zeigt Strack-Zimmermann offenbar die Verwendung eines Schweine-Emojis an. Selbst die Bezeichnung als „Trans-Mann“ wird von Strack-Zimmermann angezeigt: Die Frage unter Bezug auf ein Foto der Politikerin, wer denn „dieser Trans-Mann in der Mitte“ sei, lässt sie ebenfalls strafrechtlich verfolgen. Auch die Verfolgung einer Userin, die darin erklärt: „Ich würde Sie nie als Rüstungshure oder Lobbyistin bezeichnen! Ich schwöre!“ beantragte Strack-Zimmermann mit ihrer Unterschrift. Ein User, der polemisch formulierte, der „Rüstungslobbyistin“ werde mit Blick auf die Lieferung von Waffensystemen „endlich mal wieder feucht im Höschen“, stand wegen dieser Sache gar vor Gericht.

Anzeigen gibt es auch, wenn eine konkrete Beleidigung nicht ersichtlich ist. „Wo wären wir ohne diese F*******?“, fragt eine Nutzerin – auch das wird von Strack-Zimmermann persönlich angezeigt. Genauso verhält es sich mit einem Post, der Strack-Zimmermann zu einem Teil der „drei ………. Weiber Deutschlands“ erklärt. Oder einem User, der die „F****“ Strack-Zimmermann „an die Front“ geschickt sehen möchte. Was gemeint sein könnte, liegt nahe – aber reicht das Naheliegen vor Gericht?

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Strack-Zimmermann erklärt in dem Dokument selbst, sie habe von den Beschimpfungen vor Unterzeichnung des Strafantrages „keine Kenntnis“ gehabt.

Laut Recherchen dieser Redaktion erstattete Strack-Zimmermann insgesamt mindestens 1970 Anzeigen wegen Äußerungsdelikten im Netz. Gerne auch, wie im vorliegenden Fall, nach dem Prinzip sogenannter „Sammelanzeigen“: So waren es zu einem Zeitpunkt deutlich über 300 Anzeigen auf einmal (lesen Sie hier mehr). Problematisch: Bei den KI-unterstützten Massenanzeigen wird auch legitime Kritik zum Ziel.

Kritik, gerade Machtkritik, darf aber auch polemisch und giftig sein. Das erfuhr Strack-Zimmermann auch selbst vor Gericht. Ein Beispiel: Ein Bürger, der Strack-Zimmermann in einer „Aufzählung von Rüstungslobbyisten und Arschkriechern, die dem USA-Imperium am liebsten ganz und in voller Güte den Arsch lecken und hinein kriechen wollen“ mitzählte, wurde von ihr angezeigt und vor Gericht gezerrt.

Das Amtsgericht Düsseldorf stellte fest, dass „keine Formalbeleidigung“ vorliege. Es handle sich „bei den zur Last gelegten Äußerungen nicht um eine Schmähung, weil sie Sachbezug haben.“ Weiter stellt das Amtsgericht fest: „Im Rahmen der Auslegung ist (…) der Sachbezug zu berücksichtigen, der der Äußerung vorliegend deren Intensität nimmt. Offenkundig will der Angeschuldigte eine Haltung der angesprochenen Personen kritisieren, sodass bei grundrechtsfreundlicher Auslegung nicht von einer Formalbeleidigung auszugehen ist.“

Solche Fälle werden dennoch zuhauf angezeigt – auch die vorliegenden Akten dokumentieren vergleichbare Fälle. Neben dem Posting, das Strack-Zimmermann unterstellt, wegen Waffen „feucht im Höschen“ zu werden, wird zum Beispiel auch ein Nutzer angezeigt, der schreibt: „Sie sind für mich die miserabelste, beschämendste und korrupteste Politikerin aller Zeiten! In der NS-Zeit wären Sie ganz oben mit dabei gewesen! Deutschland braucht Sie nicht!“

Polemisch, hart, vielleicht unsittlich im Ausdruck – und doch immer noch eine Kritik in der Sache, eine Kritik an Strack-Zimmermann als Politikerin. Dass etwa auch ein Nutzer angezeigt wird, der meint: „Strack-Zimmermann zerstört Deutschland, Europa, Ukraine…“ und dann über „korrupte Lobbyisten“ schreibt, wirkt da fragwürdig. Strack-Zimmermanns Anzeigenwut trifft immer wieder auch eindeutig zulässige Kritik.

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