Es ist der Stoff, aus dem Spionagethriller gemacht sind: Eine Gruppe von „Iran-Experten“, die auf Anweisungen aus Teheran hörte, beeinflusste im Westen die Politik gegenüber dem Mullah-Regime, die im hochumstrittenen Atom-Deal von 2015 mündete. Das zeigen neue Enthüllungen des US-Nachrichtenportals Semafor und Iran International.
All das begann im Frühjahr 2014 im iranischen Außenministerium: Man war auf der Suche nach Persönlichkeiten im Westen, die bei den anstehenden Atom-Verhandlungen in ihren Ländern die pro-iranische Sichtweise verbreiten würden. „Diese Initiative, die wir ‚Iran Experten Initiative (IEI)‘ nennen, besteht aus einer Kerngruppe von sechs bis zehn angesehenen Iranern der zweiten Generation, die Verbindungen zu führenden internationalen Denkfabriken und akademischen Institutionen, hauptsächlich in Europa und den USA, aufgebaut haben“, erklärte der iranische Diplomat Saeed Khatibzadeh das Vorhaben.
Man würde also speziell iranischstämmige Europäer und Amerikaner nutzen, die sich im Westen als Iran-Experten einen Namen gemacht hatten, um dann die Propaganda des Regimes direkt westlichen Entscheidungsträgern als vermeintlich akademisch-wissenschaftlichen Kenntnisstand zu verkaufen.
Iran-„Experten“ mit Loyalität für Teheran
Das Vorhaben war ein Erfolg: Man fand schnell entsprechende „Iran-Experten“, die westliche Diplomaten mit Regime-Propaganda füttern würden – auch in Deutschland. Wie Semafor berichtet, war es hierzulande der Politberater Adnan Tabatabai, der sich Teheran anbot. Er steht schon seit einigen Jahren wegen seiner Regime-Nähe in der Kritik – dass er allerdings direkt auf Anweisungen auf Teheran hörte, zeigen erst jetzt entsprechende E-Mails.
Eine der Mails geht etwa direkt an Irans damaligen Außenminister Javad Zarif. In ihr nimmt laut Semafor Politberater Tabatabai Bezug auf ein Treffen der Iran-Experten-Initiative mit Zarif im Palais Coburg, dem Wiener Hotel, wo auch die Atom-Verhandlungen stattfanden. „Es war mir eine große Freude, Sie in Wien zu treffen, und ich schätze es sehr, dass Sie sich so viel Zeit genommen haben, in unserer Arbeitsgruppe zu sein und Gedanken und Ideen mit uns auszutauschen“, heißt es in der E-Mail von Tabatabai an Zarif.
Bekannt war bisher – und sorgte eben zuletzt für Kontroversen – dass Tabatabai einen engen Draht zum Auswärtigen Amt hat. Die Behörde förderte etwa sein „Center for Applied Research in Partnership with the Orient“ mehrfach mit Geldern für Projekte. Er galt in der Vergangenheit unter anderem als Baerbock-Berater. Ob er die Behörde in jener kritischen Zeit, als Deutschland den Iran-Deal mitverhandelte, ebenfalls beriet, wollte das Auswärtige Amt auf Apollo News-Anfrage nicht sagen. Tabatabai selbst schreibt in seinem Lebenslauf, er habe seit 2009 Bundesministerien beraten.
Iran ist unser Land, daher haben auch wir das Bedürfnis und die Verantwortung, unseren Beitrag zu leisten.
Adnan Tabatabai in einer Mail an Irans Außenminister
In jener E-Mail an Irans Außenminister macht er jedenfalls klar, wem seine Loyalität gilt. Dort heißt es laut Semafor: „Wie Sie sicherlich bemerkt haben, sind wir alle sehr bereit, unsere Kapazitäten und Ressourcen dafür einzusetzen, gemeinsam an der Verbesserung der Außenbeziehungen Irans zu arbeiten. Iran ist unser Land, daher haben auch wir das Bedürfnis und die Verantwortung, unseren Beitrag zu leisten. Wenn ich ‚wir‘ sage, meine ich genau die Gruppe, die Sie getroffen haben.“
In derselben E-Mail an Außenminister Zarif folgt das Angebot, dass die Einflussagenten der IEI-Gruppe Ghostwriting für Regime-freundliche Artikel betreiben könnten. „Unser Vorschlag könnte sein, dass wir als Gruppe an einem Aufsatz (2000 Wörter) über die laufenden Gespräche arbeiten“, heißt es in der E-Mail. „Es könnte zum Beispiel unter dem Namen eines ehemaligen Beamten über den CSR oder IPIS veröffentlicht werden – natürlich, nachdem Sie und Ihr Team den Artikel überarbeitet haben.“ In einer späteren E-Mail war dann die Rede davon, dass die Artikel „unter den Namen verschiedener Iraner und Nicht-Iraner im Ausland sowie ehemaliger Beamter veröffentlicht“ werden sollen.
Gegenüber Semafor behauptet Tabatabai, die Berichterstattung über ihn beruhe auf „Unwahrheiten und sachlich falschen Annahmen“ und stellte die Authentizität der E-Mails in Frage. Semafor und Iran International ließen die E-Mails untersuchen: Nichts darin, einschließlich der Metadaten, deute auf eine Fälschung hin. Tabatabai hatte seinen Kritiker in der Vergangenheit wiederholt vorgeworfen, ihn allein aufgrund seines „familiären Hintergrunds unter Generalverdacht“ zu stellen. Sein Vater, Sadegh Tabatabai, gehörte zum Umfeld von Ayatollah Khomeini und war als Diplomat des Regimes in Deutschland, wo er wegen Waffenhandels und Drogenschmuggels mehrfach verhaftet wurde.
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In den USA ist der Skandal um die IEI-Einflussagenten Teherans inzwischen explosiv eingeschlagen. Dort scheinen Teherans treue Anhänger die US-Seite für Verhandlungen mit dem Iran geradezu infiltriert zu haben. Gleich drei Mitarbeiter von Bidens Sondergesandten für den Iran, Robert Malley, gehörten zur IEI-Gruppe. Malley selbst ist bereits im Visier von US-Sicherheitsbehörden und seit Juni in seiner Position beurlaubt, da ihm die Sicherheitsfreigabe entzogen wurde. Die Hintergründe davon werden aktuell geheim gehalten. Er arbeitete bereits unter der Obama-Regierung an Verhandlungen mit dem Iran.
Malley jedenfalls holte kurz nach seiner Ernennung als Sondergesandter Ariane Tabatabai an Bord (nicht verwandt mit Adnan Tabatabai). Sie steht jetzt im Zentrum des Skandals in den USA, denn nach 15 Monaten unter Malley bekam sie einen neuen Regierungsjob: Aktuell ist sie Stabschefin des US-Vizeverteidigungsministers für Spezialeinsätze („Special Operations“), also eines der heikelsten Bereiche des US-Militärs.
Drei Wochen nach dem gemeinsamen Treffen in Wien schickte etwa Ariane Tabatabai eine E-Mail an Mostafa Zahrani, den Chef von Irans Regierungs-Thinktank IPIS, der die IEI-Gruppe koordinierte. Sie hatte die Veröffentlichung eines pro-Iran-Artikels im „Bulletin of the Atomic Scientists“ durchsetzen können und sendete den Link. In der E-Mail erklärte sie ihren Spin: „Unser Ziel war es zu zeigen, dass das, was im Westen gesagt wird – dass der Iran nicht mehr als 1500 Zentrifugen braucht – falsch ist und dass vom Iran nicht erwartet werden sollte, dass er die Zahl seiner Zentrifugen reduziert.“ Die E-Mail landete noch am selben Tag auf dem Tisch des iranischen Außenministers: Zahrani leitete sie direkt an Javad Zarif weiter.
Auch sonst stimmte Ariane Tabatabai sich in ihrer Arbeit direkt mit dem iranischen Regime ab. Als sie Einladungen in Israel und Saudi-Arabien erhielt, fragte sie bei Zahrani nach: „Ich möchte Sie um Ihre Meinung bitten und sehen, ob Sie der Meinung sind, dass ich die Einladung annehmen und gehen sollte.“ Am gleichen Tag antwortete Zahrani: „Alles in allem scheint Saudi-Arabien ein guter Fall zu sein, aber den zweiten Fall [Israel] sollte man besser vermeiden.“ Einige Stunden später schrieb Tabatabai treu: „Vielen Dank für Ihren Rat. Ich werde Maßnahmen in Bezug auf Saudi-Arabien ergreifen und Sie über die Fortschritte auf dem Laufenden halten.“
Die Propaganda-Maschine läuft an
Als sich die Verhandlungsstaaten am 2. April 2015 mit dem Iran auf ein vorläufiges Rahmenabkommen für den Atom-Deal einigten, eskalierte die IEI-Gruppe ihre Einflussnahme im Westen. Wenige Tage später schickte nämlich Khatibzadeh, der Ideengeber für die Gruppe, an Zahrani eine E-Mail mit einer Liste von Artikeln und Interviews, die IEI-Einflussagenten „in der Woche nach“ dem Abkommen von Lausanne veröffentlicht hatten. Angehängt waren zehn Word-Dokumente, jeweils mit dem Namen der IEI-Mitglieder: Ali Vaez, Ariane Tabatabai, Adnan Tabatabai, Dina Esfandiary, Ellie Geranmayeh und Rouzbeh Parsi.
„Ich habe hier für Ihre Überprüfung nur einige der bedeutendsten Werke beigefügt, die einige unserer Freunde in der Woche nach Abschluss des Rahmenabkommens von Lausanne veröffentlicht haben. Wir standen in ständigem Kontakt und arbeiteten rund um die Uhr intensiv. Einige Freunde waren so einfallsreich wie ein alleiniges Medienunternehmen“, so Khatibzadeh zu Zahrani in einer E-Mail, die am selben Tag an Außenminister Zarif weitergeleitet wurde. „Dazu kommen Hunderte von Tweets, Posts … im Internet, die für sich genommen definitiv einzigartig und richtungsweisend waren.“
Als Iraner habe ich aufgrund meiner nationalen und patriotischen Pflicht nicht gezögert, Ihnen in irgendeiner Weise zu helfen.
Ali Vaez an Irans Außenminister Zarif
„Es ist zu beachten, dass diese Werke nicht nur auf Englisch, sondern auch in mehreren anderen internationalen Sprachen veröffentlicht wurden“, prahlte Khatibzadeh. Wie schon der deutsche Iran-Politberater Tabatabai in einer Mail an Zarif, schrieb auch einer der Malley-Vertrauten, Ali Vaez, von seiner Loyalität zu Teheran: „Als Iraner habe ich aufgrund meiner nationalen und patriotischen Pflicht nicht gezögert, Ihnen in irgendeiner Weise zu helfen. Vom Vorschlag an Ihre Exzellenz, eine öffentliche Kampagne gegen den Gedanken eines [nuklearen] Ausbruchs vorzuschlagen, bis hin zur Unterstützung Ihres Teams bei der Erstellung von Berichten über die praktischen Bedürfnisse des Iran.“
„Iranische Einflussnahme bis an die Spitze der Regierung“
Die Aufdeckung des IEI-Netzwerks sorgt in den USA jetzt auch für ein politisches Beben. Der republikanische US-Senator Ted Cruz meint: „Die Amerikaner haben zu Recht gefragt, warum die Biden-Regierung so freundlich zum iranischen Regime ist und warum Beamte der Biden-Regierung so zielstrebig den iranischen Nuklearfortschritt und den Terrorismus ermöglicht haben. Diese Berichte und E-Mails deuten auf eine umfangreiche iranische Einflussnahme hin, die bis an die Spitze der Regierung reicht.“
Sein Parteikollege, Senator Tom Cotton, äußert sich ähnlich: „Hochrangige Beamte sowohl der Biden- als auch der Obama-Regierung waren wahrscheinlich an einer vom Iran unterstützten PR-Kampagne beteiligt.“ Im Repräsentantenhaus, wo die Republikaner eine Mehrheit haben, beginnen schon erste Ermittlungen in der Sache. Man will Antworten vom Pentagon, gerade zu Ariane Tabatabais Position im Verteidigungsministerium. Viele fordern auch für sie einen Entzug der Sicherheitsfreigabe, was ihr faktisches Job-Aus beim Militär wäre.
Klar dürfte zumindest sein: Bei Verhandlungen mit dem Iran saßen auf westlicher Seite Diplomaten, die sich von „Iran-Experten“ beraten ließen, die direkt ihre Anweisungen aus Teheran erhielten. Und das nicht nur auf der US-Seite, sondern allem Anschein nach auch in Deutschland.
Donnerwetter!
Was für eine Story! Nur leider eben Realität. Skandalös, kriminell geradezu.
Wieder einmal eine super Arbeit von Apollo!
Die Briten und die Amis arbeiten schon seit über 100 Jahren mit Einflussagenten. Die Österreicher haben hunderttausende Serben mit Autoabgasen vergast und die Deutschen haben in Frankreich Kinder am Spieß gebraten – das waren die von Zeitungen verbreiteten Pressemeldungen der westlichen psychologischen Kriegführung im Ersten Weltkrieg.
Unter all den genannten Namen vermisse ich den unseres Bundespräsers.
„Iran Appeasement Politik“ wollt ihr mich verrollen oder was? Der Iran, so dystopisch das Mullah Regime vielleicht sein mag, bedroht nicht Deutschlands Grenzen oder ökonomische Interessen. Stattdessen soll sich Deutschland jetzt zum Schmuggel-Helfer machen wenn Sanktionen gefordert werden von denen eben jene Profitieren die diese professionell Sanktionen umgehen. Und israelische Waffen haben den Karabach Korridor freigebombt über den jetzt iranisches Gas an die Türkei gehen wird. Wollen wirklich mal über Einflussnahme reden?
Die Top-Diplomatie des Westens lässt sich also von den Mullahs beraten, die fleißig an der Bombe basteln. Da ist so unglaublich und doch leider wahr. Für mich ist das Landesverrat.
Ja der Iran hat in den letzten 100 Jahren 3 Weltkriege angezettelt und 5 seiner Nachbarländer überfallen. Leute, Leute…
Den einzigen Krieg, an dem Iran in den letzten Jahren beteiligt war, war ein von den USA iniziierter Krieg mit dem Irak.
Und der Iran hat auch noch das Atomabkommen unterzeichnet, welches ihn von der Atombombe abhalten soll. Und dann hat der Westen den Vertrag gebrochen und wieder ist der Iran Schuld, wenn er sich nicht an den Vertrag halten will. Der Vertrag ist weg!
Erst informieren, dann nachdenken, dann schreiben.