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Sahras roter Oktober: Welche Chancen hat die Wagenknecht-Partei?

In diesem Oktober soll sich die Wagenknecht-Partei konstituieren. Doch Wagenknechts Popularität allein wird ihr nicht helfen - sie hat ihr Scheitern schon oft bewiesen. Und für die Partei geht es sofort um alles oder nichts.

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Es gibt einiges, was für den politischen Erfolg Sahra Wagenknechts spricht. Viele schreiben ihr eine seltene Echtheit zu, die kann man sich nicht mit Steuergeldern für Fotografen oder Visagisten erkaufen. Wenn sie zum Zwecke einer Groß-Demo nach Berlin ruft, kommen Zehntausende. Mithilfe ihrer äußerst beliebten Bücher und Vorträge wurde sie zur wohl bestbezahlten Kommunistin der Republik: 2022 verzeichnete sie fast 800.000 Euro an Nebeneinkünften. Die Zahlen zeigen: Wagenknecht hat eine loyale Fangemeinde. Auch ihre politischen Ideen sind grundsätzlich nicht unbeliebt. Noch 2019 sah eine Mehrheit der Deutschen den aktuellen „Kapitalismus“ als eher schädlich an.

Doch trotz dieser scheinbar überdeutlichen Zahlen konnte Wagenknecht in der Realität nie besonders überdurchschnittliche Wahlergebnisse einfahren. Als Direktkandidatin in Dortmunder und Düsseldorfer Bundestagswahlkreisen kam sie bei vier Kandidaturen nur einmal über zehn Prozent der Erststimmen hinaus. Mit ihr als Teil des Spitzenkandidatenteams bei den Wahlen 2013 und 2017 knackte „die Linke“ die 10 Prozent nicht. 2021 holte sie als Spitzenkandidatin für ihre Partei in Nordrhein-Westfalen magere 3,7 Prozent der Zweitstimmen ein. Ein besonderer Wagenknecht-Effekt setzte bei keiner dieser Wahlen ein.

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Das „aufstehen“-Desaster

Dieses neue Vorhaben wird nicht das erste Wagenknecht-Projekt außerhalb der Linkspartei sein. Im September 2018 gründete die Bundestagsabgeordnete die „aufstehen“-Sammlungsbewegung, welche linke Politik in der Gesellschaft verankern und linken Kräften politisch neuen Wind geben sollte. Doch der Verein scheiterte. Es formierten sich zwar einige Ortsgruppen und manche Umfrageinstitute sagten dem Bündnis, sollte es denn je zu einer Wahl antreten, bis zu 30 Prozent der Stimmen voraus. Doch aus alldem wurde nichts.

Anfang 2019 war das Projekt bereits wieder gescheitert. Zahlreiche Mitgründer verließen den Verein, und kritisierten Wagenknecht und die gesamte Führung. Ingo Schulze, Marco Bülow, Peter Brandt und weitere unterzeichneten eine Erklärung, in der Wagenknecht und ihrem Ehemann Oskar Lafontaine vorgeworfen wurde, auf die erwartbaren Probleme einer solchen neu gegründeten Bewegung unvorbereitet gewesen zu sein. Dem Künstler und Mitgründer Florian Kirner kam Wagenknecht mit der Situation überfordert vor. Heute wie damals waren die Überlegungen für Wagenknechts Gründungen gleich: Sie sollten sie und die linke Politik in Deutschland aus der politischen Sackgasse führen. Die Vorzeichen sind also gleichgeblieben. Dabei ist die organisatorische und politische Herausforderung von heute, nämlich eine neue Partei aus dem Boden zu stampfen und diese innerhalb weniger Monate auf Schicksal-entscheidende Wahlen vorzubereiten, deutlich größer als 2018.

Ausgerechnet Thüringen und Sachsen werden zum Problem

Gleichzeitig kann ebendiese oben erwähnte linke Politik Wagenknechts Vorhaben zum Verhängnis werden. Als noch Alt-Linke in Wagenknechts früherer Partei den Ton angaben, gelang es dieser schließlich trotzdem nicht, sich bundesweit zu etablieren. Es lag daran, dass es zwar abstrakte Unzufriedenheit mit dem wirtschaftlichen Status-quo gibt, konkrete sozialistische und kommunistische Ideen in Deutschland aber weiterhin unbeliebt bleiben. Deshalb unterschritt Die Linke 2021 die Fünf-Prozent-Hürde und deshalb gab es schon lange keine erfolgreiche explizit sozialistische oder kommunistische Partei mehr.

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Aufgrund der Fünf-Prozent-Hürde müssen neue Parteien stets den Nerv der Zeit treffen und eine vom Wähler empfundene Lücke füllen: Die Grünen gaben der schwindenden 68er-Bewegung endlich einen politischen Arm. Die AfD füllte eine riesige politische Lücke im aufkommenden Kulturkampf. Und bis auf diese zwei Ausnahmen gab es in der BRD seit 1949 keine echte erfolgreiche Parteigründung mehr. Auch wenn vor allem Wagenknechts Modell der „Ein-Mann Partei“ oftmals probiert wurde: die „Schill-Partei“ in Hamburg, Petrys „die Blauen“ oder Luckes „LKR“. Alles Parteien, die von einer bekannten Galionsfigur geführt wurden, schließlich rasch versanken. Interne Querelen und mangelndes politisches Fingerspitzengefühl der meisten Mitglieder trieben diesen Parteien schnell in den Untergang. Nicht zu vergessen: Die Wähler in Thüringen und Sachsen (die zwei ersten Landtagswahlen nach Wagenknechts Parteigründung) werden nicht für die beliebteste Persönlichkeit der Partei ihre Stimme abgeben (Wagenknecht ist ja schließlich in Nordrhein-Westfalen ansässig), sondern viel eher für No-Name-Spitzenkandidaten ohne besonderen Reiz. Und bei diesen Wahlen geht es für die junge Partei im Prinzip schon um alles.

Ein Erfolg der Wagenknecht-Partei wäre nicht nur ein beispielloses Ereignis, es wäre schon ein Wunder, wenn sie die formalen Hürden der nächsten Monate überwinden könnte. Persönliche Beliebtheit allein reicht nicht, um eine dauerhafte politische Kraft zu etablieren.

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